Handy statt Sammelbüchse - Spenden-SMS revolutionieren in Tschechien dasSpendenwesen

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Gut drei Wochen sind seit der verheerende Flutkatastrophe in Südostasien vergangen. Auch in Tschechien werden immer noch Spenden für die Opfer gesammelt - zu einem großen Teil mit einer weltweit einzigartigen Methode: per Spenden-SMS. Was das ist und auf welche Weise sie die Spendenkultur in Tschechien verändern, das erfahren Sie von Thomas Kirschner in der nun folgenden Ausgabe von Forum Gesellschaft.

Foto: Jana Sustova
Es wirkt fast wie ein kollektiver Versuch, das Grauen mit einer Zahl niederzuringen: Mehr als 250 Millionen Kronen, knapp 8,5 Millionen Euro, haben die Tschechen in den letzten Wochen für die Opfer der Katastrophe in Südostasien gesammelt. Damit hat die Bevölkerung sogar die eigene Regierung beschämt, die bislang nur 215 Millionen Kronen an Hilfsgeldern in Aussicht gestellt hat. Ein erheblicher Teil der Summe wurde aber nicht auf traditionellem Wege über Sammelbüchsen und Banküberweisungen zusammengetragen. Mit der Spendenaktion für Asien erlebte eine weltweit neue und einzigartige Spendenmethode in Tschechien ihren Durchbruch: die Spenden-SMS, auf Tschechisch "darcovska SMS" oder kurz DMS.

Das Prinzip ist simpel und funktioniert wie andere Handy-Mehrwertdienste, mit denen man beispielsweise die Wettervorhersage abrufen oder sich Klingeltöne aufs Handy schicken lassen kann: Alles, was der Spender tun muss, ist eine SMS mit dem Stichwort der Spendensammlung, zu der er beitragen möchte, an eine landesweit für alle Mobilfunknetze einheitliche Nummer zu schicken - die so genannte Initiations-SMS. Kurz darauf bekommt er - wie sonst Wettervorhersage oder Klingelton - per Kurzmitteilung eine Bestätigung, für die ihm rund 36 Kronen in Rechnung gestellt werden. Nach Abzug von Mehrwertsteuer und Betriebsgebühren geht davon umgerechnet ein knapper Euro als Spende an die ausgewählte Organisation. Diese Spendenmethode ist derzeit in Tschechien weltweit einzigartig, erläutert Veronika Bruhova von der Dachorganisation Forum darcu, die das Projekt betreut:

"Die Spenden-SMS haben kein Vorbild im Ausland. Das Projekt ist in Tschechien entstanden und wird derzeit nur hier genutzt. Allerdings gibt es bereits Verhandlungen mit unserem slowakischen Partner, und wenn alles gut geht, werden die Spenden-SMS dort im März dieses Jahres starten. Interesse gibt es auch aus anderen Ländern; derzeit sind das Ungarn, Großbritannien und Deutschland."

Foto: CTK
Den Einfall, das Handy zum Spendensammeln zu nutzen, hatte zuerst die Prager Stiftung zur Entwicklung der Bürgergesellschaft (NROS). Bereits in den Jahren 2002 und 2003 sammelte man dort für das Programm Pomozte detem / Helft den Kindern in nur zweimonatigen Aktionen per SMS jeweils fast viereinhalb Millionen Kronen, etwa 150 000 Euro, zusammengesetzt aus Einzelspenden von umgerechnet 30 Cent. Im April vergangenen Jahres hat der Dachverband Forum darcu, zu Deutsch Spenderforum, die Durchführung der SMS-Sammlungen übernommen, die seitdem auch anderen gemeinnützigen Organisationen zur Verfügung stehen. Von Greenpeace über Amnesty International bis hin zum Prager Zoo werben derzeit 35 Organisationen um Spenden per SMS. Die Telefonnummer ist für alle Organisationen gleich; mit einem Kennwort wählt der Spender aus, zu welcher Sammlung er beitragen möchte. Alle diese Sammlungen stehen derzeit aber im Schatten der Hilfe für Asien, mit der die Spenden-SMS in Tschechien zugleich den Durchbruch geschafft hat. Rund 50 Millionen Kronen, knapp 1,7 Millionen Euro, also etwa ein Fünftel der Gesamtspendensumme in Tschechien, erreichten die Hilfsorganisationen per SMS. Das besondere dabei: die SMS-Spenden erschließen eine neue Zielgruppe und schmälern kaum das traditionelle Spendenaufkommen, wie Veronika Bruhova von Forum darcu erläutert:

"Wir wissen nicht genau, wer uns die Spenden-SMS schickt. Es zeigt sich aber, dass wir den Organisationen nicht die laufenden Spenden nehmen - wer früher Geld auf ein Hilfskonto überwiesen hat, der tut das auch weiter. Wir konnten im Gegenteil neue Spender für die Organisationen gewinnen, denn das Spenden per SMS ist ganz einfach und für jeden zugänglich."

Pavlina Kalousova, die Leiterin von Forum darcu, ist daher zuversichtlich, dass die SMS dauerhaft die Spendenkultur in Tschechien verbessern und das Spendenaufkommen steigern können:

"Ich denke, es ist uns mit den Spenden-SMS gelungen, auch die Leute anzusprechen, die sonst üblicherweise nichts spenden, einfach weil sie es nicht schaffen oder keine Lust haben, zur Post oder zur Bank zu gehen. Und wenn man sich ansieht, dass wir mehr als 1,5 Millionen SMS bekommen haben, dann meine ich, dass das langfristig auch allgemein zu einer Kultivierung des Spendenwesens in Tschechien beiträgt."

Indem die Spenden-SMS nun in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses treten, finden aber auch die kritischen Punkte mehr Beachtung. Allen voran der, dass bislang ein großer Teil des Betrages für Steuern und Gebühren verloren ging: nur 27 von 36 Kronen, die eine Spenden-SMS insgesamt kostet, kamen dem eigentlichen Zweck zugute. Über den Rest freute sich zunächst einmal der Hauptbedürftige im Staate, der Finanzminister. Da zwischen Spenden-SMS und anderen Mehrwertdiensten bislang kein Unterschied gemacht wurde, flossen knapp sechs Kronen als Mehrwertsteuer ins Staatssäckel. Das soll nun anders werden, versprach Finanzminister Bohuslav Sobotka unter dem Eindruck des Spendenaufkommens für Asien. Zudem kündigte Sobotka an, dass bereits die Zusatzeinnahmen aus den SMS für Asien den Hilfsaktionen zugute kommen sollen. Von den 30 Kronen, die bisher nach Abzug der Mehrwertsteurer übrig waren, werden nochmals knapp zehn Prozent für Betrieb und Verwaltung abgezogen, erläutert die Leiterin der Dachorganisation Forum darcu, Pavlina Kalousova:

"Die nicht ganz drei Kronen teilen sich die Mobilfunkbetreiber, unsere Organisation Forum darcu und der technische Provider, also die Firma, die alle die SMS-Spenden bearbeitet. Nun ist es so, dass das Projekt das ganze Jahr läuft und mit diesem Dienst Kosten verbunden sind, die aus irgendwelchen Quellen bestritten werden müssen. Und diese drei Kronen decken die Kosten in etwa ab."

Von der Aktion profitieren nicht zuletzt auch die Mobilfunkbetreiber, für die die Spenden-SMS nicht nur eine willkommene Image-Kampagne, sondern auch ein erhebliches Umsatzplus bedeuten. So bewirbt der Netzbetreiber Eurotel die Spenden-SMS derzeit in einer großen Plakataktion. Zugute kommt ihnen dabei auch die kleine Stückelung der Spenden-SMS: Wer mehr als umgerechnet einen Euro spenden will, der muss eben mehrere Kurzmitteilungen schicken. Unter dem Eindruck der allgemeinen Spendenbereitschaft haben allerdings auch die Mobilfunkbetreiber Konzessionen gemacht: Zumindest bei der Sammlung für Asien wollen sie weitgehend auf ihre Gebühren verzichten. Und die sogenannte Initations-SMS, mit der die eigentliche Spende in Auftrag gegeben wird, ist seit kurzem ebenfalls kostenlos. Inzwischen hat sich sogar die Tschechische Caritas den Spendensammlungen per SMS angeschlossen. Ihr Leiter Jindrich Suchanek hatte das System noch vor wenigen Tagen wegen der bis dahin verhältnismäßig geringen Spendenquote als unethisch bezeichnet. Die jüngsten Entwicklungen haben aber auch ihn grundsätzlich überzeugt:

"Es gibt noch einige negative Punkte, aber die große Mehrheit ist positiv. Vor allem sind die Spenden-SMS für die Nutzer sehr bequem. Von einigen Dingen weiß ich allerdings noch nicht ganz klar, wie sie letztlich ausfallen - zum Beispiel die Frage, ob die Mobilfunkbetreiber mit den Spenden-SMS Gewinn machen oder nicht. Ich denke aber, dass sie auf jeden Fall das Recht haben, ihre Kosten zu decken und glaube, dass das System insgesamt in Ordnung ist."

Das System der Spenden-SMS, das nun in verschiedene europäische Länder exportiert werden soll, ist eine echte tschechische Innovation - nicht nur dem Entstehungsort, sondern auch dem Gehalt nach, wie Pavlina Kalousova vom Forum darcu abschließend mit einem Augenzwinkern nochmals deutlich macht:

"Wir mögen Handys; wir sind ein bisschen faul und schicken die Spenden gerne vom Wohnzimmer aus; aber wir Tschechen sind auch kreativ und versuchen immer neue Wege zu finden. Und im konkreten Fall haben sich diese drei Dinge eben verbunden."