Heilige Agnes und Agneskloster

Gang in dem Agneskloster

Von Martina Schneibergova.

Willkommen liebe Hörerinnen und Hörer, zum heutigen Spaziergang durch Prag - wie immer in der letzten Ausgabe des Spaziergangs im Monat - werden wir Ihnen auch heute eine berühmte Frauenpersönlichkeit vorstellen, die mit der tschechischen Metropole verbunden ist.

"Ich, Schülerin des heiligen Franziskus und Tochter des böhmischen Königs ..." - mit diesen Worten - mit Demut, aber zugleich stolz - stellte sich die premyslidische Prinzessin Agnes im Jahre 1245 in einer der Urkunden vor, die die Stellung des Hauses des heiligen Franziskus betrafen. Sie war eine außerordentliche europäische Persönlichkeit des 13. Jahrhunderts - hinsichtlich ihrer Herkunft, ihres Intellektes, ihrer Kontakte zu der geistlichen Elite ihrer Zeit und hauptsächlich ihres Werkes, das auf für die Gegenwart inspirierend ist.

Das genaue Geburtsdatum der Agnes ist nicht bekannt. Ihr Vorname deutet auf die Zeit um den Tag der römischen Märtyrerin Agnes - d.h. auf den 21. Januar 1211 - hin. Sie stammte aus dem böhmischen Königshaus der Premysliden. Ihr Vater war der große Herrscher Premysl Ottokar I., ihre Mutter - die zweite Gattin des Königs - die fromme Konstanze von Ungarn, die u. a. das Zisterzienserinnenklosters Predklasteri bei Tisnov gestiftet hat. Mit 3 Jahren wurde Prinzessin Agnes mit einem Sohn des schlesischen Fürsten Heinrich des Bärtigen und der heiligen Hedwig von Schlesien, die eigentlich Agnes´ Tante war, verlobt. Zusammen mit ihrer Schwester wurde Agnes in dem Kloster Trebnice erzogen, das die Schirmherrschaft der Hedwig von Schlesien genoss.

Nach dem Tod ihres Verlobten und der Vermählung von Prinzessin Anna kehrte Agnes 1216 nach Böhmen zurück, und zwar in das Prämonstratenserinnenkloster Doksany, in dem Töchter führender Adelsfamilien erzogen wurden. Die Premysliden näherten sich damals dem herrschenden Kaiserhaus der Staufer an, und so wurde Agnes mit dem zehnjährigen Sohn Friedrichs II. - Heinrich - verlobt. Agnes wurde nach Wien geschickt, um am Hof der Babenberger die Manieren einer künftigen Kaiserin zu erlernen. Die Vermählung von Agnes wurde durch politische Intrigen vereitelt, aber um die Hand der Premyslidenprinzessin warben der englische König Heinrich III. und selbst Kaiser Friedrich II.

Premysl Ottokar I. lebte zu dieser Zeit nicht mehr, aber der neue böhmische König Wenzel I. - ein Bruder von Agnes - hätte diese Angebote für die Stärkung seines Einflusses gern ausgenutzt. Agnes, die seit ihrer Kindheit in Klöstern lebte, gewann jedoch eine starke Zuneigung zum geistlichen Leben. Nach dem Vorbild ihrer Verwandten, Elisabeth von Thüringen, gründete sie 1231 in Prag das Spital des heiligen Franziskus mit einem Doppelkloster für Minoriten und Klarissinnen. Dabei wurde sie von ihrem Bruder Wenzel I. sowie ihrer Mutter Konstanze unterstützt. Die am rechten Moldauufer errichteten Stiftsbauten gehören zu den ältesten gotischen Sehenswürdigkeiten in den böhmischen Ländern. Papst Gregor IX. nahm das Kloster 1234 unter seine Obhut.

Agnes hat in Prag auch den einzigen böhmischen Orden gegründet - den Kreuzherrenorden mit dem roten Stern, der für Kranke und Unbemittelte sorgen sollte. 1237 wurde Agnes feierlich in den Klarissinnenorden aufgenommen und kurz darauf wurde sie Äbtissin des Klosters. Sie war die erste Tochter aus dem Königshaus, die in einen Orden mit strenger Armutspflicht eintrat. Was für eine Bedeutung die Gründung des Klosters damals hatte, fragte ich Dozent Jan Lasek von der Prager hussitischen theologischen Fakultät:

Vom religiösen Leben der Agnes zeugt ihr Briefwechsel mit der heiligen Klara von Assisi, der Begründerin des weiblichen Zweiges des Ordens des heiligen Franziskus. Agnes bemühte sich, das im Evangelium beschriebene Ideal völliger Armut zu befolgen. Sie beschäftigte sich auch mit der Zusammenstellung der Ordensregeln. Von ihrem Bildungsstand zeugt die Tatsache, dass sie lesen und schreiben konnte, was bei Frauen ihrer Zeit gar nicht üblich war.

Agnes war - neben ihren Aktivitäten im kirchlichen Bereich - auch als Ratgeberin und Vermittlerin bei politischen Verhandlungen zwischen Papst Innozenz IV. und dem böhmischen König Wenzel I. tätig. Sie schaltete sich auf eine bedeutende Weise auch in den Streit zwischen ihrem Bruder - König Wenzel I. - und ihrem Neffen - dem späteren König - Premysl Ottokar II. - ein. Agnes gelang es, den Vater mit dem Sohn zu versöhnen und damit einen Bürgerkrieg zu verhindern.

Gang in dem Agneskloster
Wenzel I. verfügte, dass das Kloster seine letzte Ruhestätte sein sollte. Ein Grabmal war im Kloster auch für den "eisernen und goldenen König", Premysl Ottokar II., vorbereitet worden. Die Schlacht auf dem Marchfeld von 1278, in der der König fiel, vereitelte diese Absicht. Der Legende nach soll Agnes den Tod ihres berühmten Neffen in einer Vision vorausgesagt haben. "Das Premyslidengeschlecht ist nicht mehr so stark, um deinem Land und deinem Volk Glück bringen zu können," soll Agnes in ihrer Vision gehört haben.

Nach dem Tod des Königs erlebte Agnes im Königreich, das von Hungernot und Pest heimgesucht wurde, noch Chaos und war selbst bemüht, den Leidenden zu helfen. Inmitten allgemeiner Entbehrungen erkrankte sie und starb am 2. März 1282. Sie wurde am 15. März 1282 in der Kapelle der Heiligen Jungfrau beigesetzt, die an das Presbyterium der Franziskuskirche grenzt. Legenden berichten, dass sich im Kloster nach Agnes´ Tod mehrere Wunder ereigneten.

Die Bemühungen um die Heiligsprechung der Agnes von Böhmen sind schon unmittelbar nach ihrem Tod gescheitert. Auch Versuche der Kanonisierung in späteren Jahrhunderten waren erfolglos. Ein Problem stellten ihre verschollenen Gebeine dar, denn für den damaligen Kanonisierungsprozess waren die Gebeine des Heiligen unbedingt erforderlich. Zur Seligsprechung von Agnes kam es im November 1874, und mehr als 100 Jahre später - am 12. November 1989 wurde Agnes heiliggesprochen. So viele Pilger aus Böhmen, Mähren und der Slowakei haben sich nie vorher in der St. Peterskirche versammelt. Das kommunistische Regime konnte sich nicht leisten, ein so bedeutendes Ereignis vollständig zu ignorieren. Fünf Tage nach der Heiligsprechung brach in Prag die samtene Revolution aus. Viele Christen meinen, dass auch die heilige Premyslidin damals mit ihrer Fürbitte den Sturz des totalitären Regimes beschleunigt habe.

Ein königliches Mausoleum aus dem 13. Jahrhundert und ein Kunstmuseum - so kann man das heutige Agneskloster kurz beschreiben. Mit dem Klosterbau wurde 1231 begonnen. Der älteste - aus der Gründungszeit stammende Klosterbau ist das Schiff des heiligen Franziskus, das heute mit einem assymetrischen Zeltdach über dem Innensaal überwölbt ist. Zur gleichen Zeit wurde der massive Nord-Süd-Flügel des Konvents erbaut, ein Backsteinbau, der im Norden bis an die Moldau heranreicht.

Der Bau des Klosters wurde unter Karl IV. zu Ende geführt. Es wurden obere Stockwerke über dem Wandelgang und weitere Wirtschaftsgebäude an der Westseite errichtet. Am Pförtnerhaus wurde ein Turm mit Kapelle im ersten Stock erbaut. Ähnlich wie viele andere Klöster wurde auch diese Kloster 1782 unter Josef II. aufgelöst und diente zuerst als Militärgefängnis. 1793 wurden in ihm nach einer Versteigerung Mietwohnungen für arme Leute eingerichtet. In den Kirchen entstanden Lagerräume. Größere Bauaktivitäten wurden erst in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt, weitere folgten nach 1963, als das Kloster der Nationalgalerie Prag unterstellt wurde. Nach einer Rekonstruktion wurden die Klosterräumlichkeiten, die als Ausstellungssäle benutzt werden, 1980 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Heute sind im Agneskloster die Sammlungen der alten Kunst der Prager Nationalgalerie untergebracht.