Heiliger Wenzel: Stummfilm und verschollene Musik
Mit einer einmaligen Aufführung wird hierzulande des Wenzel-Staatsfeiertags und des 100. Gründungstags der Tschechoslowakei gedacht.
„Ich habe im Archiv des Tschechischen Rundfunks gesucht. Im Blätterkatalog habe ich eine Film-Suite gefunden, die etwa 25 Minuten lang ist und bisher nicht aufgenommen wurde, sowie die Partitur der eigentlichen Filmmusik. Etwa zwei Wochen später bin ich dann in der Propstei des Veitsdoms über eine Kiste mit Noten gestolpert: Es waren die Notenparte zur Filmmusik, aus denen mal tatsächlich gespielt wurde.“
Anschließend hat Dirigent Jan Kučera die Noten mit den Filmszenen verglichen und rekonstruiert:„Die Arbeit daran dauerte etwa ein Jahr. Es sind 100 Minuten symphonische Musik. Ich habe nichts zusätzlich komponiert oder instrumentiert.“
Die Musik korrespondiere hervorragend mit dem Film, ergänzt Kučera:
„Sie wurde exakt für konkrete Szenen und eine gewisse Atmosphäre komponiert und ist sehr gut auf den Film abgestimmt. Ohne die Musik ließe sich der Film kaum zeigen, er wäre nur die Hälfte wert. Aber auch die Musik ohne den Film wäre nur wenig sinnvoll. Es sind zwei Teile eines Werkes, die zusammengehören.“
Der Streifen Heiliger Wenzel aus dem Jahr 1930 von Regisseur Jan Stanislav Kolár ist einer der letzten tschechoslowakischen Stummfilme. Es ist das einzige Filmwerk, das die Geschichte des böhmischen Fürsten und Landespatrons darstellt. Musikologe Viktor Velek:
„Es handelt sich um das erste große tschechoslowakische Geschichtsfilmepos. Anlass für die Entstehung war der 1000. Todestag des heiligen Wenzel im Jahr 1929. Der Regisseur wollte einen repräsentativen Streifen vorlegen. Dieser erzählt von den Anfängen des Christentums, dem Streit zwischen der heiligen Ludmila und ihrer Schwiegertochter Drahomíra sowie dem Bruderzwist zwischen Wenzel und Boleslav und dem Mord an Wenzel.“
Zur Zeit seiner Entstehung handelte es sich um einen der teuersten Filme nicht nur in der damaligen Tschechoslowakei, sondern auch in Europa. Das ambitionierte Werk hat den Geschichtsstoff sorgfältig bearbeitet und wies auch viele technische Errungenschaften auf. Allerdings war das Echo gering: Das Stummfilmepos wurde erst im Frühling 1930 aufgeführt, als man bereits übersättigt war von der Wenzel-Thematik. Zudem beherrschte inzwischen der Tonfilm die Kinosäle und die Neugier der Zuschauer.