Holocaust-Schriftsteller Arnošt Lustig als Inspiration: Literatur-Wettbewerb „Junge HUMANisten“

Literatur-Wettbewerb „Junge HUMANisten“

Der Literatur-Wettbewerb „Junge HUMANisten“ für Schüler aus Tschechien und Deutschland ist eines der ersten und wichtigsten Projekte der 2020 gegründeten Arnošt-Lustig-Stiftung. Sie will damit auf zeitlose humanistische Werte hinweisen, für die der Schriftsteller Arnošt Lustig mit seinem Leben und Werk stand.

Arnošt Lustig | Foto: JIří Nedorost,  Wikimedia Commons,  CC BY 3.0

Arnošt Lustig (1926-2011) war ein weltberühmter Romancier, Drehbuchautor, Journalist und Lehrer. Er ist vor allem als Autor von Büchern über den Holocaust bekannt, den er selbst erleben musste. Knapp zehn Jahre nach dem Tod des Schriftstellers, am 21. August 2020, hat seine Tochter Eva Lustigová eine Stiftung unter seinem Namen gegründet:

„Die Arnošt-Lustig-Stiftung pflegt sein künstlerisches und humanistisches Vermächtnis. Ihren Sitz hat sie in Prag, ihr Wirkungsbereich ist aber weltweit. Unsere Vision ist eine bessere und gerechtere Welt. Darauf bauen die vier Säulen unseres Programms auf – Literatur, Film, Bildung und Entwicklung der Kreativität.“

Der tschechisch-deutsche Literatur-Wettbewerb „Junge HUMANisten“ ist das erste große Projekt der Stiftung. Im gerade laufenden Schuljahr hat er seine Premiere:

Illustrationsfoto: Mike Tinnion,  Unsplash,  CC0 1.0 DEED

„Das Ziel des Wettbewerbs ist es, die kreative Begabung junger Literaten zu fördern. Er ist bestimmt für Schüler der neunten Klassen, also für Jugendliche im Alter von 14 oder 15 Jahren in Tschechien und Deutschland. Das Thema ihrer Literaturbeiträge ist Freundschaft. Wir haben dieses Motto gewählt, weil es die Werte unserer Stiftung zum Ausdruck bringt. Die Schüler sollen einen kurzen Prosatext, ein Gedicht oder ein publizistisches Essay schreiben.“

Prosatext, Gedicht, Essay

Die eigentliche literarische Arbeit beginnt im März. Derzeit werden die Schüler von ihren Lehrern, die einen speziellen Workshop absolviert haben, darauf vorbereitet. Lustigs Bücher waren besonders in den 1960er Jahren sehr populär. Nachdem der Autor 1968 ins Exil gegangen war, wurden sie in der Tschechoslowakei verboten. Der jüngsten Generation seien sie kaum noch bekannt, so Lustigová:

Eva Lustigová | Foto: Ivana Vonderková,  Radio Prague International

„Das ist individuell. Es hängt davon ab, ob die Familie eine Bibliothek zu Hause hat und ob die Schüler gerne lesen. Ich denke aber, dass viele von ihnen in diesem Alter über Arnošt Lustig noch nichts gehört haben. Daher haben wird Unterrichtsmaterialien zu seinen literarischen Werken und Filmen ausgearbeitet. Eines davon betrachtet die moderne Geschichte anhand der Lebensgeschichte von Lustig. Des Weiteren erörtern wir eine Erzählung von ihm, die auch verfilmt wurde. Die dritte Vorlage betrachtet Werte des Humanismus und der Demokratie sowie die Idee von ‚nie mehr Krieg‘. So hieß nämlich das erste Buch, das Arnošt geschrieben, aber nie herausgegeben hat.“

Arnošt Lustig ist 1926 in einer Familie assimilierter Juden in Prag geboren. Als Fünfzehnjähriger kam er ins Konzentrationslager Theresienstadt, später nach Auschwitz, wo sein Vater und viele weitere Verwandte ermordet wurden. Es folgten Buchenwald und der Transport nach Dachau. Dabei gelangen ihm die Flucht und die Rückkehr nach Prag:

Illustrationsfoto: Dimitris Vetsikas,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

„Er war 18 Jahre alt und konnte sich mit seiner Situation nicht abfinden. Er hatte die ganze Familie verloren, nur seine Mutter, ältere Schwester und Cousine haben den Krieg überlebt. Als er den Menschen erzählte, was geschehen war, glaubte ihm niemand. Sogar sein Lieblings-Grundschullehrer hatte Zweifel und meinte, was Arnošt erzähle, sei nicht möglich. Dies war seine Motivation zum Schreiben.“

Arnošt Lustig führte in die tschechische Literatur einen schlichten Erzählstil ein, in dem das innere Geschehen der Figuren wesentlich war. Die Helden seiner Geschichten sind die Schwachen – Kinder, junge Frauen und Alte –, die in Extremsituationen geraten, wo es um Leben und Tod geht. Können seine Bücher junge Leserinnen und Leser von heute ansprechen?

Foto: ČT24

„Arnošt Lustig selbst pflegte zu sagen, junge Menschen würden gerne seine Bücher lesen, weil sie darin eine Hoffnung, eine Kraft zum Überleben und eine große psychische Beständigkeit spürten. Dies sei für sie inspirierend und stärkend. In seinen Büchern steckt viel Humanität.“

Freundschaft

Im Mittelpunkt des Pilotjahres des Literaturwettbewerbs „Junge HUMANisten“ steht das Thema Freundschaft. Lustigová erläutert:

Irena Trojanová | Foto: Archiv von Irena Trojanová

„Die Freundschaft hatte eine entscheidende Bedeutung für das Überleben von Arnošt Lustig. Und nicht nur für ihn. Meiner Meinung nach ist sie wichtig für das Überleben von uns allen. Besonders heute, in der Corona-Zeit wäre das Leben der Jugendlichen ohne Freundschaft sehr traurig. Sie ist grundlegend für die psychische Gesundheit.“

Zur Teilnahme am nullten Jahrgang eingeladen wurden eine Grundschule in Prag und eine in Brno / Brünn, die Thüringer Gemeinschaftsschule Carl Zeiss in Weimar, die Ostschule Gera sowie ausgewählte Schülerinnen und Schüler der Tschechischen Schule ohne Grenzen und des Europäischen Gymnasiums in Brüssel. Irena Trojanová leitet die Bohumil-Hrabal-Grundschule im Prager Stadtteil Libeň. Die Einrichtung spezialisiert sich auf Sprachunterricht sowie Informationstechnologien und hat drei neunte Klassen:

„Unsere Schüler sind es gewöhnt, an verschiedenen Wettbewerben teilzunehmen. Nicht nur auf Tschechisch, sondern auch an Sprachwettbewerben in Deutsch, Englisch und Spanisch. Dieser Literatur-Wettbewerb unterscheidet sich aber doch gewissermaßen davon, was sie kennen. Wir nehmen ihn als eine Herausforderung und freuen uns darauf.“

Bohumil-Hrabal-Grundschule | Foto: ŠJů,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0

Die Bohumil-Hrabal-Grundschule sei nicht zufällig als erste angesprochen worden, sagt Eva Lustigová:

„Das ist sehr symbolisch, weil Arnošt Lustig auf diese Schule ging. 1939 wurde er im Alter von 13 Jahren aus rassistischen Gründen ausgeschlossen. Es ist ironisch, dass die Schule nach Bohumil Hrabal benannt wurde, der gar nicht aus Prag stammte und die Schule nicht besuchte, obwohl er später in Libeň lebte. Allerdings war er einer der besten Freunde von Lustig.“

Jeweils zwei Jurys werden die Prosatexte, Gedichte und Aufsätze der jungen Literaten beurteilen. In den Fachjurys sind Autoren und Journalisten aus Tschechien und Deutschland vertreten. Es gibt aber auch zwei Schülerjurys, in denen die Jugendlichen eines Gymnasiums in Prag und einer Schule in Görlitz  die zugeschickten Beiträge bewerten. Die Sieger werden im Mai bekanntgegeben. Mitte Juni wird dann die feierliche Preisverleihung in Prag stattfinden. Die Gewinner werden unter anderem mit Austauschreisen in das jeweils andere Land und einer Exkursion in die Galerie des Mittelböhmischen Kreises in Kutná Hora / Kuttenberg belohnt. Radio Prag International wird Gespräche mit den Preisträgern führen und ihre ausgezeichneten Werke präsentieren.