Hotelfachschule Pirna bildet künftig auch Gastronome aus Mittel- und Osteuropa aus
Die staatlich anerkannte Hotelfachschule im sächsischen Pirna, wenige Kilometer von der deutsch-tschechischen Grenze entfernt, orientiert sich zunehmend international. Nach verschiedenen Austauschprogrammen mit Tschechien, Polen und anderen Ländern eröffnet die Schule ab August eine internationale Klasse, u.a. für angehende Gastronome aus Tschechien. Über die Ausbildungsziele, den Hintergrund des Projekts und seine Bedeutung für die Grenzregion informiert Sie in den folgenden Minuten Karin Zimmermann, Direktorin der Pirnaer Hotelfachschule. Silja Schultheis hat sich mit ihr unterhalten.
Frau Zimmermann, ab dem nächsten Schuljahr gibt es bei Ihnen an der Hotelfachschule eine Neuerung: eine internationale Klasse für Schüler u.a. aus Tschechien. Können Sie uns dazu Genaueres sagen, was ist der Hintergrund dieses Projektes, an wen richtet es sich?
"Der Hintergrund ist, dass wir schon sehr sehr lange mit der Tschechischen Republik zusammen arbeiten, Partnerstädte haben in Usti, Jesenik, Jihlava und Teplice. Und dabei haben wir festgestellt, dass die tschechischen Schüler sehr sehr lernbegierig sind. Wir möchten deshalb ein Ausbildungsangebot bieten, wo sich die tschechischen, ungarischen und polnischen Studenten auf den Arbeitsmarkt vorbereiten können."
In der Grenzregion?
"Nicht nur in der Grenzregion, sondern letztendlich in ganz Mittel- und Osteuropa. Wir sind ja hier an der früheren EU-Außengrenze und jetzt in der Mitte Europas. Ich denke, dass es viel viel mehr kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen geben wird zu Mittel- und Osteuropa, gerade im Bereich Tourismus und dass sowohl die deutschen als auch die polnischen, tschechischen und ungarischen Studenten nicht umhin kommen, noch mehr interkulturelle Kompetenzen und Sprachfertigkeiten zu erwerben und dass sie einfach den Europagedanken leben müssen."
Warum ausgerechnet diese vier Länder?
"Wir haben sehr viele Austauschprogramme gemacht im Rahmen von INTERREG II und INTERREG IIIa mit Tschechien und Polen und außerdem Leonardo-Projekte mit Ungarn und Polen. Und dabei haben wir festgestellt, dass wir gerne eine multinationale Klasse haben wollen und nicht nur eine binationale. Und wir finden, dass sich die vier Nationalitäten - Polen, Tschechen, Ungarn und Deutsche - gegenseitig sehr gut ergänzen können."
Gibt es irgendwelche Vorbilder für dieses Projekt?
"Wir haben 1996-98 eine gemeinsame Berufsausbildung für die Köche und Hotelfachfrauen gemacht und das war sehr erfolgreich. Allerdings war das projektgefördert und deshalb eine einmalige Geschichte. Das wollen wir jetzt vermeiden."
Haben Sie bereits feedback bekommen auf die Idee einer internatinoalen Klasse, möglicherweise schon konkrete Anmeldungen?
"Ja, haben wir. Wir haben verschiedene Informationsveranstaltungen an tschechischen Gymnasien gemacht und am 13. März veranstalten wir einen "Tag der offenen Tür", da haben sich bereits tschechische Studenten angemeldet. Wir haben auch eine Mitarbeiterin eingestellt, die tschechisch spricht und dann die tschechischen Schüler betreuen kann. Jetzt hoffen wir nur noch, dass wir dann im Sommer auch unsere ersten Studenten bekommen. "
Wie sind die Anforderungen an die Bewerber dieser internationalen Klasse?
"Wichtig sind schon gute Deutschkenntnisse. Weiter mindestens sechs Jahre Englisch, ansonsten müsste man eine Zusatzprüfung machen. Und das allgemeine Abitur. Abitur mit Berufsausbildung, wie es in manchen tschechischen Schulen möglich ist, geht nur mit einer Universitätsaufnahmeprüfung. Die Ausbildung bei uns zeichnet sich durch drei Fremdsprachen aus - Deutsch als erste Fremdsprache, Englisch und Französisch. Weiter durch sehr viele wirtschaftliche Inhalte - Marketing, Management, Unternehmensführung, Rechnungswesen und die praktischen und theoretischen Abläufe in Hotelerie und Gastronomie."
Nun denkt man bei einer Ausbildungsstätte in der deutsch-tschechischen Grenzregion ja auch an Berufsperspektiven direkt in dieser Gegend. Wie sieht es da aus? Und wieviele tschechische Hotelfachkräfte sind gegenwärtig bereits auf der deutschen Seite der Grenze tätig?
"Im Moment gibt es ja, wie Sie wissen, noch Probleme mit der Freizügigkeit, aber ich denke, das wird in einigen Jahren vorbei sein. Der Ausbildungsgang, den wir konkret bewerben, ist der für die Assistenten für Hotelmanagement. Er setzt das Abitur voraus und ist sehr international geprägt und findet auf hohem Niveau statt, kommt fast einem Studium gleich. Man kann nach einem Zusatzjahr auch den Bachelor of Business-administration machen. Es ist also generell so, dass nicht die Grenzregion entscheidend ist, sondern der internationale Arbeitsmarkt."
Wie schätzen Sie die längerfristigen Folgen für die gesamte Grenzregion - die frühere EU-Ostgrenze - ein, wie wird sich die Situation vernändern, wenn Ihr Projekt Nachfolger findet?
"Ich bin sehr optimistisch in dieser Hinsicht. Wenn man vergleicht, wie z.B.die EU-Erweiterung in Richtung Spanien und Portugal verlaufen ist, dann hat es hier jeweils einen enormen Aufschwung für die Grenzregionen gegeben nach einigen Jahren. Und ich bin überzeugt, dass es den hier auch geben wird. Es ist sehr viel mehr Handel betrieben worden, es gibt sehr viel mehr Verkehrsverbindungen in beide Richtungen. Also, ich denke, insgesamt ist der Grenzgedanke nicht mehr so stark präsent, sondern die Region wird eher als gemeinsame Region betrachtet."
Was müsste ein ausgebildeter Hotelmanager machen, der aus Tschechien kommt und gerne in Deutschland tätig werden möchte?
"Wenn er bei uns die Ausbildung durchlaufen hat, sind ja nochmal drei Jahre ins Land gegangen. Und ob das bis dahin noch ein Problem ist, ist fraglich. Es ist jetzt so, dass bei einer entsprechenden Arbeitsmarktprüfung auch tschechische Mitarbeiter in der Gastronomie durchaus gesucht werden - vor allem in Regionen, wo eigenes Fachkräftepersonal nicht zur Verfügung steht. Ich weiß, dass es z.B. an der Ostsee und in Bayern Gang und Gäbe ist, hier in der Region weniger. Aber das kann sich ja alles ändern. Und wenn man dazu noch bedenkt, dass in Zukunft Fachkräfte nicht mehr so zur Verfügung stehen werden durch den demographischen Wandel, dann werden Mitarbeiter aus Mittel- und Osteuropa sehr gefragt sein."
Kommen wir noch einmal konkret auf die internationale Klasse zurück. Wie groß wird die sein und was können Sie jetzt schon über ihre Zusammensetzung sagen?
Unser Wunsch ist, dass wir 20 Teilnehmer haben, wovon jeweils fünf aus Polen, Tschechien, Ungarn und Deutschland kommen. Wenn die Zusammensetzung etwas anders ist, macht das auch nichts, es ist dann ja immer noch eine internationale Klasse. Wir freuen uns über jeden, der daran Interesse hat, weil es wirklich auch unsere Schule bereichert.