„Imaginarium“: Neue Ausstellung zeigt Phantasiewelt der Gebrüder Forman auf Schloss Chvaly
Die phantasievolle Welt des Wandertheaters und der Künstler, die mit ihm verbunden sind, erleben aktuell die Besucher einer Ausstellung, die auf Schloss Chvaly am Stadtrand von Prag zu sehen ist. Im Zentrum steht das „Imaginarium“ des Theaters der Gebrüder Forman und ihrer Freunde.
Auf Schloss Chvaly werden seit 15 Jahren tschechische Animationsfilme und ihre Schöpfer vorgestellt. Viele Ausstellungen zeigten inzwischen zudem die Werke renommierter tschechischer Illustratoren. An diese Tradition knüpft nun auch die jüngste große Ausstellung an, die die Atmosphäre des Wandertheaters vermittelt. Die Zwillingsbrüder Petr und Matěj Forman sind Söhne des weltberühmten Filmregisseurs Miloš Forman. Das Theater der Gebrüder Forman verfügt über kein eigenes Haus, denn es ist ein Wandertheater. Für das Schloss Chvaly kreierten nun rund 15 Künstlerinnen und Künstler, die mit der Kompanie zusammenarbeiten, eine spielerische Ausstellung mit dem Titel „Imaginarium“. Matěj Forman merkte im Gespräch für Radio Prag International einleitend an:
„Die Ausstellung dokumentiert sowohl die Tätigkeit des Theaters der Gebrüder Forman als auch der weiteren Künstler, die hier ebenso ihre Arbeiten zeigen. Dies gilt bereits für den ersten Raum, in dem Linolschnitte, großformatige Fotos und auch beispielsweise ein Holzzirkus von Renata Lhotáková zu sehen sind. Aber schon im nächsten Raum betritt man die einzigartige Welt des Künstlers Pavel Macek.“
Pavel Macek kreiert Linolschnitte. Jeder davon ist Forman zufolge praktisch ein Einzelstück. Zudem gestaltet er geheimnisvolle Holzkisten, die sogenannten „Hybohledy“. Matěj Forman erklärt:
„Das sind wertvolle Objekte: Schachteln, Kisten, Kästen, kleine Schränke, die künstlerisch gestaltet sind. Wenn man im Inneren ein Licht einschaltet, an dem Griff dreht und in die Kiste hineinschaut, hat man ein eindrucksvolles Erlebnis, das einige Minuten andauert. Das Innenleben ist schön, es bewegt sich und ist zudem sehr poetisch.“
Von Märchen und bekannten Gemälden inspirierter Guckkasten
„Hybohled“ ist ein Neologismus, den sich der Künstler für seine Kreationen ausgedacht hat. Die Installationen können als bewegliche Guckkästen beschrieben werden. In einem der „Hybohledy“ habe er beispielsweise eine Szene aus der Legende über den Rattenfänger dargestellt, erzählt Pavel Macek:
„In dem Kasten ist eine Szene mit Ratten und der Flöte zu sehen. Die Inspiration kommt von den Büchern, aber auch von bekannten Gemälden. Manchmal denke ich mir Szenen mit Tieren aus, bei denen ich von verschiedenen Märchen ausgehe.“
Die Arbeit an einem der Werke könne zwei Wochen oder mehr dauern, verrät Macek. Denn in mehreren der Kästen bewegen sich sehr viele holzgeschnitzte Figuren im Miniaturformat.
Matěj Forman hält die Räumlichkeiten, die für eine Ausstellung zur Verfügung stehen, für besonders wichtig. Der Fundus des Theaters sowie die Anzahl der Arbeiten, die die einzelnen Künstler hätten, seien sehr umfangreich, betont er:
„Erstaunlicherweise zeigen wir neben dieser Prager Ausstellung momentan parallel eine fast schon monumentale Ausstellung im Japanischen Palais in Dresden. An der dortigen Ausstellung haben wir mit Jiří Fajt (ehemaliger Direktor der Prager Nationalgalerie, Anm. d. Red.) zusammengearbeitet. Es ist fast unglaublich, dass wir die Fläche von 1000 Quadratmetern in Dresden sowie die Fläche von einigen Hundert Quadratmetern in Chvaly gleichzeitig füllen können.“
Die Schau in Chvaly hält Forman für eine der prägnantesten Ausstellungen seines Theaters. Für wichtig hält er die unterschiedlichen Räumlichkeiten, die den Künstlern im Schloss zur Verfügung stehen – vom Keller über die Schlossräume bis zu den Gängen. Im „Imaginarium“ können die Besucher die Gegenstände berühren, und vor allem die Kinder spielten gern damit, so Forman.
„Wir sind davon überzeugt, dass diese spielerische Kunst, das Wander- und das Puppentheater, das Handwerk sowie das Material Holz, einen Zauber hat, der unersetzlich ist. Wir lassen die Menschen damit spielen, sich davon bezaubern. Sie können den Duft dieser Sachen genießen. Und wir sind der Meinung, dass sich das lohnt.“
Im Paradies des Holzspielzeugs
In einem der nächsten Räume sieht es aus wie in einem Kinderzimmer mit unzähligen Spielwaren. Das Holzspielzeug stammt vom Künstlerehepaar Renata und Martin Lhoták. Matěj Forman stellt die beiden vor:
„Sie kreieren Spielzeug und entwerfen die Technik für Marionetten. Martin ist zudem Erfinder. In diesem Saal ist eine Mischung von Spielzeug zu sehen. Einiges davon entstand schon vor Jahrzehnten. Auf dem Boden liegen verschiedene Objekte, mit denen die Kinder hier beliebig spielen können. Gezeigt werden auch ein Puppentheater, ein Labyrinth, ein Zug mit einem Schwungrad und vieles mehr.“
Renata Lhotáková sagt, sie befasse sich gemeinsam mit ihrem Mann Tag für Tag schon Jahrzehnte lang mit der Spielzeugproduktion:
„Wir leben direkt in der Werkstatt und die Arbeit macht uns große Freude. Wir bemühen uns, immer wieder etwas Neues zu kreieren.“
Und Matěj Forman fügt hinzu:
„Die Werkstatt bei Renata und Martin ist wirklich ein Paradies. Wenn man sie konservieren würde, könnte die Werkstatt als eine Wanderausstellung in der ganzen Welt gezeigt werden – all dieses Werkzeug und die kleinen Maschinen in dem nicht gerade großen Raum… Es ist eine Welt, die heutzutage immer mehr verschwindet, die es aber bei den Lhotáks immer noch gibt.“
Das Spielzeug von Renata Lhotáková und ihrem Mann Martin Lhoták wurde in der Vergangenheit in der Galerie Handwerk in München gezeigt und sogar mit Preisen ausgezeichnet. Wie die Kontakte zur Galerie in München entstanden, erzählt Renata Lhotáková:
„Wir haben früher in einem kleinen Haus in der Prager Altstadt gewohnt. Die Werkstatt befand sich praktisch im ganzen Haus. Einmal klingelte bei uns ein Herr, er stellte sich als Peter Nickl von der Galerie Handwerk in München vor. Er wollte eine Ausstellung über Spielzeug zusammenzustellen. Später kam er nochmals mit seiner Frau Binette Schroeder, die Kinderbuchillustratorin war, und mit dem Ehepaar Waldmann aus Zürich, das einen Kinderbuchverlag hatte. Sie schauten sich unser Spielzeug an und Peter bot uns an, in München auszustellen. Einen Tag nach der Samtenen Revolution, am 18. November 1989, hatten wir so unsere erste Ausstellung in der Galerie Handwerk.“
Die Kontakte nach München haben die Lhotáks später weiter gepflegt. Peter Nickl habe als Leiter der Galerie Handwerk hohe Ansprüche an die Qualität der Werke gehabt, erzählt Renata Lhotáková. Sie betont, dass sie und ihr Mann viel von ihm lernen konnten und er sie beide sehr beeinflusste. 1990 lud Peter Nickl sie zur Teilnahme an der Handwerksmesse in München ein. Für die präsentierten Werke zum Thema des Rades wurde das Künstlerehepaar mit einem Preis ausgezeichnet…
„Während der vergangenen 33 Jahre haben wir jedes Jahr vor Weihnachten unsere Werke in der Galerie Handwerk gezeigt. Inzwischen hat sich mein Mann seinen Kindheitstraum erfüllt, und eine Windmühle gebaut. Unsere Freunde in München haben darüber gehört und uns zu den Feierlichkeiten anlässlich des 50. Jubiläums der Handwerkskammer eingeladen. Also haben wir die Mühle auseinandergenommen, nach München gebracht und dafür wieder eine Goldmedaille gewonnen.“
Wenn aus Bügeleisen Enten werden…
In einem kleineren Saal des Schlosses Chvaly ist eine Installation von Tereza Komárková zu sehen, sie heißt „Auf dem Dachboden“. Komárková habe ein besonderes Feingefühl für den Raum, sagt Matěj Forman und macht auf die mehr als 100 kleinen Schafe aufmerksam:
„Jedes der Tiere wurde in Bewegung dargestellt. Zudem gibt es noch weitere Marionetten und eine Puppenküche. Das alles wurde aus alten Brettern, Körben und Holzkisten gestaltet. Der Zauber der Installation besteht darin, alte aussortierte Gegenstände in einer neuen Form zu zeigen und darin das Schöne zu entdecken. Gleich daneben zeigt Veronika Podzimková ihren ,Traum über den Teich‘. Sie hat dafür Entenfiguren aus alten Bügeleisen geschaffen und lässt sie auf einer alten, in eine Teichfläche verwandelten Tür schwimmen.“
In den Kellerräumen des Schlosses fällt gleich am Eingang eine Installation ins Auge: ein großes Memory-Spiel von Barka Zichová. Damit kann jeder sein Gedächtnis testen. Besichtigt werden kann auch ein Puppentheater der Künstlerin. Unter dem Titel „Die Geschichte eines Wolfs“ zeigt Veronika Podzimková, wie der Wolf aus dem Märchen Rotkäppchen hätte enden können. Dem gegenüber sind Installationen von Andrea Sodomková zu sehen, die seit vielen Jahren mit dem Theater der Gebrüder Forman zusammenarbeitet. Im Keller werden dabei in einem Raum Werke verschiedener Künstlerinnen und Künstler ausgestellt. Matěj Forman dazu:
„Die Ausstellung wurde in diesen Räumlichkeiten gezielt so gestaltet, dass der Besucher das Gefühl hat, sich auf einer Bühne zu bewegen, von einer Szene zur nächsten zu gehen und manchmal auch ein wenig mitspielen zu können.“
Die Ausstellung „Das Imaginarium des Theaters der Gebrüder Forman und ihrer Freunde“ ist auf Schloss Chvaly noch bis zum 11. Juni zu sehen. Das Schloss ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Die Anlage befindet sich im Prager Stadtteil Horní Počernice. Von der Endstation der Metro-Linie B, Černý most, ist das Schloss Chvaly nur eine Bushaltestelle entfernt.