Innere Bildwelten und verschlungene Biographien
Zur Zeit der Vertreibung waren sie Kinder, nun stehen sie im Mittelpunkt einer Ausstellung: tschechische, deutsche und österreichische Zeitzeugen, die in Videointerviews über die Tschechoslowakei bis 1948 berichten. Der junge Tscheche Mark Ther wiederum hat sich mit Video-Art einen Namen gemacht, sein jüngster Zyklus besteht allerdings aus fragilen Zeichnungen. Diese beiden unterschiedlichen Ausstellungen präsentiert das Tschechische Zentrum derzeit in Wien – und eine Geburtstagsfeier steht auch bald ins Haus. Mehr dazu vom Leiter des Zentrums, Martin Krafl.
„Es war ein toller Abend, sehr gut besucht. Wir haben schon Wochen zuvor das Interesse des Wiener Publikums festgestellt, und das hat uns natürlich sehr gefreut. Zdenka Hartmann-Procházková, eine tschechisch-österreichische Schauspielerin, gab Einblick in das Leben und Schaffen des Prosaisten, Dramatikers und Publizisten, eine der größten Persönlichkeiten der ersten Tschechoslowakischen Republik. Karel Čapek wurde nicht nur als Literat, sondern auch als politischer Kommentator, Kolumnist, Reporter und Publizist vorgestellt.“
In dieser Woche ging es um Čapek. Aber Zdenka Hartmann-Procházková, die ihn präsentierte, wird selbst bald in den Mittelpunkt rücken...„Das stimmt. Zdenka Hartmann-Procházková feiert bald ihren 90. Geburtstag. Momentan ist sie in Tschechien in Filip Renčs Film über Lída Baarová zu sehen, die sie darstellt. Das tschechische Zentrum Wien bereitet anlässlich des runden Geburtstags einen Festabend für Zdenka Hartmann-Procházková vor, und zwar am 13. April um 18:30 Uhr, in Kooperation mit dem Kulturklub der Tschechen und Slowaken in Österreich. Wir stellen Frau Hartmann-Procházková im Rahmen der Reihe ‚Persönlichkeiten mit tschechischen Wurzeln in Österreich‘ vor.“
Frau Hartmann-Procházková ist Zeit ihres Lebens zwischen den beiden Welten gewandert...
„Genau. Sie hatte sehr viel Erfolg im Wiener Burgtheater. Ihr erster Ehemann in der Tschechoslowakei war die Schauspieler-Größe Karel Höger. In Tschechien war sie in verschiedenen Filmproduktionen zu sehen, und in Österreich ist sie eigentlich auch dank eines Werbespots sehr bekannt.“Am 13. April ist es so weit, ein Festabend im Tschechischen Zentrum. Bereits jetzt ist dort aber eine Ausstellung des jungen Künstlers Mark Ther zu sehen. In Tschechien ist er recht bekannt. Könnten Sie ihn ein wenig näher vorstellen, womit setzt er sich hauptsächlich auseinander?
„Mark Ther ist ein junger Künstler, ein Schöpfer von Video-Kunst. Er besuchte die Mittelschule für Kunst von Václav Hollar und studierte an der Akademie der Künste, wo er zunächst das Atelier für Malerei von Vladimír Skrepl besuchte, sich dann aber der Video-Art unter der Leitung von Michael Belický zuwandte. Mark Ther hat 2011 den Jindřich-Chalupecký-Preis für Künstler bis 35 Jahre erhalten. Dank ‚KulturKontakt Austria‘ und dem Bundeskanzleramt konnte er im Herbst 2015 drei Monate lang in Wien wirken.“Und Sie zeigen nun die Ergebnisse dieses Aufenthalts?
„Nicht nur. Wir haben uns zusammen mit KulturKontakt Austria und Bundeskanzleramt für eine Ausstellung entschieden, die Siebdruckarbeiten und Tuschezeichnungen von Mark Ther vorstellt. Diese Ausstellung ist eigentlich ist eigentlich ein Zyklus, der bislang nicht nur in Österreich, sondern auch in Tschechien wenig bekannt ist. Mark Ther sagt: ‚Ich lasse dem Zuschauer Raum - ich will nicht wörtlich sein, sondern den Zuschauer dazu veranlassen, seine eigene Weise zu finden wie er alles versteht.‘ Früher beschäftigte sich Mark Ther fast ausschließlich mit Video und Film. Allmählich schuf er seine eigene, spezifische Bildwelt, die sich dank langer Kameraschnitte im Unterbewusstsein der Zuschauer einprägt. In Thers Filmen spielt das Ambiente eine wichtige Rolle, das heißt, Exterieur, Landschaft sowie Interieur sind gewissermaßen sowohl Gestalter der Geschichten als auch ihre Beobachter. Seine neuen, ausgestellten Zeichnungen sind fragmentarische und fragile Darstellungen inniger Landschaften, die nur in groben Umrissen existieren, in Erinnerungen, von denen man nur einzelne Motive ins Gedächtnis zurückrufen kann. Kurator der Ausstellung ist Otto M. Urban, Leiter des Lehrstuhls für Kunstgeschichte und Kunsttheorie an der Prager Akademie der Bildenden Künste.“
Und eine weitere Ausstellung mit Bezug zu Tschechien gibt es derzeit in Wiener Volkskundemuseum zu sehen. Ein internationales Ausstellungsteam hat sich dem Thema Vertreibung angenommen – was ist das besondere an der Ausstellung?„Die Ausstellung mit dem Titel ‚Vertriebene und Verbliebene erzählen‘ dokumentiert die NS-Zeit in der Tschechoslowakei zwischen 1937 und 1948 – und natürlich auch die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg. Lebensgeschichtliche Videointerviews, die in Österreich, Tschechien und der Slowakei geführt wurden, dokumentieren Erinnerungen an diese Geschichte bis in die Gegenwart. Als mitteleuropäische Kooperation wird die Ausstellung zeitgleich in Wien, Prag und Bratislava gezeigt. Der Kurator der Ausstellung ist Georg Traska. Er wird am 8. März im tschechischen Zentrum anlässlich dieser Ausstellung ein Zeitzeugengespräch moderieren.“
Wer wird dann zu Gast sein?„Es kommen Horst Kaller und Lothar Knessl. Horst Kallert ist einer der wenigen Vertriebenen, der sich nach der Öffnung des Eisernen Vorhang dazu entschlossen, wieder in die Heimat zurückzukehren. Er stellte dabei keine Ansprüche, etwas zurückzuerhalten, sondern begegnete den heutigen tschechischen Bewohnern neugierig und offen. Lothar Knessls Mutter stammte aus Breitenau im Altvatergebirge, wo er als Kind viel Zeit verbrachte. Nach der Vertreibung blieb er dieser Region und Landschaft in seiner Erinnerung eng verbunden. Die Vernachlässigung der Kulturlandschaft schmerzte ihn, und die Bedingungen unter denen die Vertreibung stattfand, blieben ein Stein des Anstoßes. Doch er vermochte es, bestimmte Momente der Naturerfahrung, seiner inneren Heimat, andernorts wiederzufinden. Übrigens gehört zu der Ausstellung im Volkskundemuseum auch eine spezielle Installation über Vertriebene und Verbliebene in der Windows-Galerie des Tschechischen Zentrums an der Ecke Herrengasse/Bankgasse, und zwar in den Monaten März und April.“
Weitere Informationen unter http://wien.czechcentres.cz