Intendant der Deutschen Welle im Gespräch für Radio Prag

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Beim Frauen-Herbsttreffen der deutschen Funk- und Fernsehsender ARD und ZDF, das am vergangenen Wochenende (10.11. - 12.11.2005) in Bonn stattfand, durfte der Intendant des veranstaltenden Senders, der Deutschen Welle (DW), natürlich nicht fehlen. In seiner Ansprache ging Erik Bettermann einleitend auf das nicht immer problemfreie Verhältnis zwischen dem deutschen Auslandsrundfunk und den anderen öffentlich - rechtlichen Sendern ein. Darauf Bezug nehmend, stellte ihm Jitka Mladkova ihre erste Frage im nun nachfolgenden Gespräch:

Wie sieht es mit den Beziehungen der Deutschen Welle zu ihren Auslandspartnern, besonders zu ihren Partnern in den neuen EU-Ländern, darunter auch Tschechien, aus?

"Sie wissen, dass dem deutschen Grundgesetz nach der Inlandsrundfunk eine Sache der Bundesländer ist. Für Beziehungen mit dem Ausland ist die bundesnationale Ebene zuständig. So ergibt sich ein Konflikt. Ich bemühe mich, diesen Konflikt zu überwinden. Wir haben gute Beziehungen mit einer ganzen Reihe von Rundfunkanstalten und auch einen regen Programmaustausch. Wenn man die großen fünf Auslandssender dieser Welt nimmt - BBC, RFI, Radio Netherlands, und natürlich auch die amerikanischen Kollegen, hoffe ich sehr darauf, dass wir unsere Zusammenarbeit intensivieren werden. Natürlich auch mit unseren Kollegen in der Tschechischen Republik.

Übrigens haben wir einen recht guten Programmaustausch mit TV Polonia, dem polnischen Auslandsfernsehen. Ein Magazin, das TV Polonia produziert und sendet, heißt "Nachbarland zwischen Rhein und Oder". Diese Sendung ist eine Sensation. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das deutsche Fernsehen einfach so ein Magazin über Frankreich produzieren würde. Ich wünsche mir, dass wir auch mit den Kollegen aus Tschechien und anderen Ländern noch mehr zusammenarbeiten. Ich wünsche mir eine Diskussionsrunde, in der wir über das gemeinsame Auftreten in der Europäischen Union sprechen können."

In der Deutschen Welle wurden bereits vor mehreren Jahren Programme auf Tschechisch, Slowakisch und Programme in anderen Sprachen gestrichen. Jetzt hat das die BBC getan, dort wurden zehn Sprachprogramme gestrichen. Wie ist das zu erklären, dass man die Horizonte weiter nach Osten hinausschiebt und die Nachbarn gleichzeitig aus dem Blick verliert?

"Das tschechische Sprachprogramm, das die Deutsche Welle vor meiner Amtszeit eingestellt hat, wurde über die analoge Kurzwelle in die damalige Tschechoslowakei gesendet. Nun wissen wir beide, dass die Zahl der Kurzwellenhörer verschwindend klein geworden ist. Man hat UKW-Frequenzen, man hat Fernsehangebote. Ich glaube, heute kann man sich gut als Tscheche über Deutschland informieren. Wenn ich eine UKW-Frequenz in Prag bekommen könnte, dann würden wir sicherlich auch über ein tschechischsprachiges Programm der Deutschen Welle nachdenken. Da haben wir aber ein föderales Problem in Deutschland: Ich kann natürlich nicht im Gegenzug den tschechischen Kollegen sagen, dass sie eine UKW-Frequenz meinetwegen in Berlin bekommen würden, denn wir sind nicht Herr über die Frequenzen, sondern das ist in Deutschland Ländersache.

Das tschechische Programm ist damals eingestellt worden, weil die Kurzwellenhörer in der Tschechischen Republik stetig sank. Da wäre es preisgünstiger gewesen, jedem einzelnen Hörer das Programm per Kassette nach Hause zu schicken.

Foto: Lenka Zizkova
Aber ich finde es wichtig, dass die EU-Länder darüber nachdenken, wie sie die Informationen aus den verschiedenen EU-Ländern innerhalb der Union besser verbreiten können. Die Notwendigkeit des Informationsaustauschs zwischen den EU-Ländern ist sehr wichtig. Gerade mit den jungen EU-Mitgliedern, wie zum Beispiel Tschechien. Ich will es auf jeden Fall für die Deutsche Welle tun."

Französische Sendungen und englische Sendungen kann man in Tschechien über UKW hören. Aber dafür hat der Tschechische Rundfunk keine Frequenzen in Frankreich oder Großbritannien erhalten. Deutschsprachige Sendungen könnten also sehr wohl über UKW in Tschechien ausgestrahlt werden. Warum strahlt die DW dann also kein UKW-Programm in Prag aus?

"Die Deutsche Welle hat ungefähr 25 Prozent an Etat verloren. Eine UKW-Frequenz in Prag zu kaufen, würde sehr viel Geld kosten. Wir haben insbesondere auf dem Balkan viele UKW-Frequenzen. Die vielen Sprachredaktionen kosten natürlich auch eine ganze Menge. Und weil das tschechische KW-Programm nur von wenigen Menschen gehört wurde, hat mein Vorgänger das Programm gestrichen. Wir konnten es uns finanziell einfach nicht leisten.

Deshalb sage ich, wir müssten ein solches Programm auf einer gemeinsamen europäischen Ebene errichten. Da gäbe es viele Möglichkeiten, doch leider spielen in den Medien immer noch sehr stark nationale Interessen eine Rolle. So stellen zum Beispiel meine französischen Kollegen die Vermittlung der eigenen Sprache, die eigene Kultur und Geschichte in den Vordergrund. Und die Briten denken zum Beispiel immer noch in Commonwealth-Dimensionen. Ich glaube, es ist nicht die Stunde, in der man über einen zentralen europäischen Sender nachdenken sollte. Wir sind vielmehr von der Idee eines Fischernetzes fasziniert: Eine dezentralisierte Netzstruktur bestehend aus gleichberechtigten Programmzulieferern sollte die Grundlage für einen gemeinsamen Sender bilden. Bleiben wir zum Vergleich bei der Netzstruktur: Eine hierarchisch organisierte Senderstruktur, ähnlich einem auf einen Punkt zulaufenden Spinnennetz, wünschen wir nicht."

Welche Unterstützung findet das Radio E Projekt? Welche Unterstützung gibt es für dieses Projekt vom DW-Intendanten?

"Wir möchten das Projekt weiterentwickeln, genau in dem Sinne, wie ich es eben gesagt habe. Ich werde zum 1. Januar eine zentrale Programmredaktion gestalten für alle DW-Hörfunkprogramme. Die Erfahrungen von Radio E sind eine Grundlage dafür. Wir sollten auf jeden Fall weiterdenken. So wären tschechische und deutsche Koproduktionen, die in Deutschland und Tschechien gesendet werden, auf jeden Fall möglich. Zum Abschluss möchte ich anmerken: Für mich hat die Integration Europas auf jeden Fall die höchste Priorität."