Ivo Hammer über Sanierung der Villa Tugendhat

Ivo Hammer (Foto: Barbora Kmentová)

Sie ist der einzige moderne Bau in Tschechien, der auf der Weltkulturerbeliste der Unesco steht: die Brünner Villa Tugendhat. Sie wurde in den Jahren 1929/1930 erbaut. Architekt Mies van der Rohe entwarf das moderne Familienhaus für das Ehepaar Fritz und Greta Tugendhat. Die Familie musste aber schon 1938 vor den Nazis flüchten. Während des Kommunismus hatten in der Villa unter anderem eine Reha-Klinik für Kinder oder eine Tanzschule ihren Sitz. Lange Jahre haben sich Daniela Hammer-Tugendhat, die jüngste Tochter des Ehepaares Tugendhat, und ihr Mann Ivo Hammer für eine Restaurierung des Hauses eingesetzt. Diese wurde dann auch vorgenommen, im März dieses Jahres wurde die Villa nach der gründlichen Restaurierung wieder eröffnet. Ivo Hammer ist Universitätsprofessor für Kunstgeschichte und war Vorsitzender des Expertenbeirats (Tugendhat House International Expert Committee -Thicom), der für die Restaurierung des Hauses zuständig war. Hier ein Gespräch mit Ivo Hammer.

Ivo Hammer
Herr Hammer, mit wem arbeiteten Sie bei der Restaurierung der Villa Tugendhat zusammen und wie waren Sie mit den Arbeiten an der Instandsetzung des Hauses zufrieden?

„Wir haben mit allen tschechischen Stellen und Verantwortlichen zusammengearbeitet, die mit der Restaurierung des Hauses zu tun haben. Ein großer Teil dieser Verantwortlichen war auch Mitglied dieser Expertenkommission, die Ausländer hatten eine Stimmenmehrheit. Wir haben sehr intensiv und erfreulich auch mit den beauftragten Restauratoren und Handwerkern zusammengearbeitet. Man muss sagen, es ist eine Besonderheit, dass für ein solches Projekt der Restaurierung überhaupt eine internationale Kommission eingerichtet wurde. Ich kenne kein anderes Beispiel, wo eine wirklich internationale Kommission tätig war. Ich denke, einer der Gründe, warum die Restaurierung als sehr gelungen bezeichnet werden kann, ist eben die versammelte Fachkompetenz auf internationaler Ebene. Der andere Punkt, den ich nenne möchte und auch das ist eine Neuheit, die nirgendwo durchgeführt wurde: Die Konservatoren und Restauratoren haben lange Zeit vorher die Materialien und Oberflächen untersucht. Sie haben zudem Konzepte für Konservierung, Restaurierung und Reparaturen entwickelt. Dazu muss man sagen, dass diese Untersuchungen nicht Teil des Wettbewerbs für das Projektdesign waren, da gibt es auch noch etwas zu verbessern. Aber dass das überhaupt gemacht wurde, ist wirklich exemplarisch, und dies sollte auch bei künftigen Projekten so gemacht werden.“

Makassar-Ebenholz-Wand
Die Aufmerksamkeit der Medien hierzulande hat der etwas seltsame Fund der Makassar-Ebenholz-Wand, die aus der Villa stammt, erregt. Wusste man, dass diese wertvolle Wand noch irgendwo existent sein musste? Wussten Sie mehr über das Schicksal dieser Wand, die vor Jahrzehnten aus der Villa verschwunden ist?

„Als Restauratoren haben wir uns bei unseren Untersuchungen nicht mit der Frage befasst, wie man das rekonstruieren kann, was nicht mehr vorhanden ist. Wir haben uns damit beschäftigt, wie man mit der historischen Substanz umgehen kann, die noch vorhanden ist. Wir mussten davon ausgehen, dass die halbrunde Makassar-Ebenholz-Wand nicht mehr vorhanden ist, und so war es für uns eine große Überraschung, dass der Bruder eines beteiligten Architekten die Wand zufällig gefunden hat. Er hat die Mensa der juristischen Fakultät besucht und dort Makassar-Ebenholz als Parapet gesehen - horizontal verwendet, nicht gebogen. Er fand, dass es ähnlich wie die verlorene Wand aus der Villa aussah. Er hat das Holz später fotografisch verglichen und ist zu der überraschenden Feststellung gekommen, dass es wirklich die verschwundene Wand ist. Die ist offenbar nur geändert worden, man hat das Holz auf einen neuen Rahmen gespannt, und darum war es nicht mehr gekurvt. Es ist ein sehr glücklicher Zufall, dass diese Wand aus Makassar-Ebenholz sehr schön und handwerklich gut gemacht im Original wieder im Haus eingebaut ist.“

Die Villa war für die damalige Zeit auch technisch sehr gut ausgestattet. Wurde während der Restaurierung des Hauses auch die technische Ausstattung instandgesetzt?

„Diese technische Einrichtung funktioniert bis heute. Dies gibt mir auch Gelegenheit, ein paar Worte zur Restaurierung von 1981 bis 1985 zu sagen. Heute sagt man – nicht zuletzt auf tschechischer Seite –, das sei unter den Kommunisten gemacht worden und alles sei schlecht. Ich kann aus internationaler Perspektive sagen, dass diese Restaurierung nach den damaligen Standards durchgeführt worden ist, wenn man es beispielsweise mit der Weißenhofsiedlung in Stuttgart vergleicht. Natürlich hat man dabei viel zerstört, weil die Zielvorstellung nicht die Restaurierung, sondern die Erhaltung des Hauses und dessen Umwandlung in ein VIP-Hotel war. Deswegen hat man die gesamten sanitären Einrichtungen und Heizungen erneuert und dabei Fliesen, Heizkörper und einiges mehr zerstört. Aber man hat auch viel erhalten. Ohne diese Restaurierung würde das Haus heute vielleicht gar nicht mehr stehen, es wäre zusammengestürzt. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass das Haus richtig starke Schäden bekommen hat, nachdem es Museum wurde und dann plötzlich die Frage war, wer für die Erhaltung zahlt. Solange es als Kinderspital oder vorher als Tanzschule genutzt wurde, haben die jeweiligen Eigentümer für die Erhaltung gesorgt. Wir konnten bei den Untersuchungen die Spuren dieser laufenden Erhaltungsmaßnahmen, dieser Reparaturen finden. Man hat die Fassade wieder mal mit Kalk gestrichen, das konnten wir sehen. Deswegen ist das Haus noch so gut bis in unsere Zeit gekommen.“

Villa Tugendhat
Sind Sie immer noch irgendwie in die Entscheidungen mit eingebunden, was aus der Villa wird, ob sie auch anders als nur als Museum genutzt werden soll?

„Wir haben in unseren mehr als 70 Empfehlungen für die Stadt Brünn auch die Frage der Nutzung angesprochen. Die Stadt hat darauf teilweise reagiert – beispielsweise bei der Frage, wie der Vorplatz vor dem Haus aussieht. Andererseits hat man die Frage der weiteren Nutzung der Villa, die erst jetzt nach der Restaurierung richtig aktuell wird, in Eigenregie weitgehend übernommen. Die Stadt hat kein Interesse an direkter Zusammenarbeit mit den Mitgliedern dieser Expertenkommission gezeigt. Ein weiterer Punkt ist die Frage der Erhaltung des Hauses. Da man mit historischen Methoden die Wände innen und außen oder die Metalloberflächen und das Holz behandelt hat, ist es wichtig, dass die Reparaturen mit entsprechenden Techniken ausgeführt werden. Dazu müssen noch bestimmte Konzepte entwickelt werden. Es gibt den Wunsch der Stadt Brünn und des Museum, das zu tun. Aber ich glaube, dass dieser Prozess noch weiterentwickelt und verfeinert werden muss. Es ist wichtig, den Menschen zu erklären, dass ein historisches Bauwerk dadurch erhalten wird, dass es ständig repariert wird. Heute hat man oft die Vorstellung, dass man einmal eine Renovierung macht, und dann hält es hundert Jahre lang. Dies ist ein Irrtum, denn man sieht nur die Schäden unter der Fassade nicht. Es ist eines der traditionellen Prinzipien, die auch beim Haus Tugendhat verwendet worden sind, dass der Bau durch ständige Pflege über Jahrhunderte in Stand zu halten ist. Im Grunde genommen hat ein Museum, das ein Museum seiner selbst ist, auch diese Aufgabe. Ich bin überzeugt: Wenn das Museum die politischen Kräfte davon in Kenntnis setzt und Überzeugungsarbeit leistet, dann werden auch die entsprechenden Mittel aufgebracht.“

Fotos: Barbora Kmentová

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