Jana und Josef-Scheybal-Museum in Jablonec nad Nisou

Foto: Martina Schneibergová

Das nordböhmische Jablonec nad Nisou / Gablonz ist eine Verwaltungs-, Kultur- und Sportstadt im Isergebirge. Vor kurzem wurde dort ein neues Informations- und Touristenzentrum eröffnet. Es ist im Gebäude des ehemaligen Pfarramtes untergebracht. Im Dachboden des Hauses wurde zudem ein Museum eingerichtet. Benannt wurde es nach dem Ehepaar Jana und Josef V. Scheybal, das sich um den Denkmalschutz in der Region verdient gemacht hat.

Infozentrum von Jablonec nad Nisou  (Foto: Martina Schneibergová)
Das neue Infozentrum von Jablonec nad Nisou / Gablonz an der Neiße befindet sich in der Straße Kostelní direkt gegenüber der Barockkirche Sankt Anna. Das Gebäude mit der hellblauen Fassade diente ursprünglich als Pfarramt. Im Erdgeschoss ist das Infozentrum unterbracht. In der ersten Etage hat die Stadtgalerie ihren Sitz. Sie konzentriert sich vor allem auf das Schaffen von Künstlern aus der Region. Von der Galerie geht es hinauf in den Dachboden, in das Jana und Josef-Scheybal-Museum.

Das Ehepaar Scheybal kaufte 1965 dem damaligen tschechoslowakischen Staat das Haus ab. Jana Scheybalová und ihr Mann Josef V. Scheybal beschäftigten sich mit Ethnografie, Volksarchitektur, Denkmalschutz und Regionalgeschichte. Sie haben einzigartige Kunstsammlungen sowie eine große Fachbibliothek hinterlassen. Josef Scheybal starb 2001, seine Frau 2008. Sie hatten keine Erben, deswegen wurden ihre Sammlungen in das Museum des Böhmischen Paradieses in Turnov / Turnau überführt. Das historische Haus wiederum wurde von der Stadt Jablonec umgestaltet. Lea Machurová ist Mitarbeiterin des neuen Museums.

Foto: Martina Schneibergová
„Die Scheybals waren immer sehr entgegenkommend gegenüber Studenten, Historikern oder Journalisten und haben sie gern beraten, wenn es notwendig war. Sie haben sich gewünscht, dass das ehemalige Pfarrhaus als eine Art Regionalzentrum der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen werde. Diese Idee ließ sich aber nicht genau so in die Tat umsetzen. Denn es befanden sich hier rund 47.000 Bücher und weitere Materialien und Dokumente. Josef Scheybal war Historiker und seine Frau Ethnographin. Er hat vor allem Volksarchitektur sowie kleine Sakraldenkmäler dokumentiert, nicht nur im Isergebirge oder im Lausitzer Gebirge, sondern auch in anderen Regionen Tschechiens sowie in Slowenien und in Bulgarien. Er arbeitete gelegentlich im Auftrag des Prager Nationalmuseums. Die Bewohner von Jablonec ahnten jedoch nicht, dass hier ein renommiertes Forscher-Ehepaar lebte. Denn die beiden waren sehr bescheiden. Darum organisieren wir mittlerweile hier Programme für Schulen, bei denen wir beispielsweise eine Auswahl an Zeichnungen von Josef Scheybal zeigen.“

Lea Machurová  (Foto: Martina Schneibergová)
Ein Teil der Sammlungen im ehemaligen Pfarrhaus stammte noch von Josef Scheybals Vater. Er sammelte Porträts namhafter Persönlichkeiten, Heiligenbilder, aber auch Krämerlieder mit Noten und Texten. Die Sammlung von Krämerliedern wurde in einem großen Kleiderschrank aufbewahrt und umfasste rund 12.000 Musikstücke. Es handelt sich um die zweitgrößte Sammlung dieser Art in Tschechien. Beim Betreten des neuen Museums hat man den Eindruck, man komme zu einem Privatbesuch. Lea Machurová.

„Wir haben uns bemüht, die Räume so zu gestalten, dass sie an Scheybals Wohnung erinnern. Dort gab es wirklich bis unter die Decke Bücher. In den Vitrinen stellen wir Originalgegenstände aus. Dazu gehören Notenblätter, Gebetsbücher oder Spielkarten. Die ältesten Exponate aus Scheybals Sammlungen stammen aus der Zeit um 1750.“

Foto: Martina Schneibergová
Auf einem Bildschirm werden Scheybals Zeichnungen gezeigt, die immer ein konkretes Baudenkmal darstellen. Jeder Zeichnung ist ein Foto gegenübergestellt, das erst vor kurzem gemacht wurde. Der Besucher kann so den Zustand der Sehenswürdigkeiten vor etwa 50 Jahren mit dem jetzigen Zustand vergleichen. In einigen Fällen konnten die von Scheybal dokumentierten Sakraldenkmäler aber leider nicht mehr gefunden werden.

Das Ehepaar hat aber nicht nur Bücher und Volkskunst gesammelt. In einem der Glasschränke sind Porzellan, Art-Deco-Keramik, Steingut, Pfeifen und Fächer zu sehen. Dazu gehört auch ein Fächer von der Prager Jubiläumsausstellung aus dem Jahr 1891.

Ein Teil der Dauerausstellung konzentriert sich auf Scheybals Denkmalschutzarbeit. An den Wänden hängen kleine Zeichnungen von verschiedenen Sakraldenkmälern. Sie sind alle um handschriftliche Notizen über den Standort sowie ihre Größe ergänzt. Lea Machurová verweist auf Bilder von Kreuzen:

Foto: Martina Schneibergová
„Diese Kreuze hier wurden in den 1950 und 1960er Jahren gezeichnet. Josef Scheybal hat sie nicht nur von allen Seiten samt Details dokumentiert, sondern auch die Aufschriften notiert, falls es welche auf dem Sockel oder dem Kreuz gab. Dies ist heute für Restauratoren sehr wichtig. Denn die Buchstaben auf dem Sandstein sind nach Jahren kaum mehr zu entziffern. Bei einer eventuellen Instandsetzung dieser kleinen Baudenkmäler kann man sich auf diese Zeichnungen stützen und die fehlenden Aufschriften und andere Details ergänzen.“

Die Scheybals hatten nie ein Auto. Darum reisten sie nur mit Bahn oder Bus, und sie sind auch viel durch die Gegend gewandert. Wenn sie in der Landschaft auf ein Baudenkmal stießen, kehrten sie meist zurück, um es zu malen oder zu zeichnen.

Foto: Martina Schneibergová
Eine Ecke auf dem Dachboden ist wie das einstige Atelier von Josef Scheybal gestaltet. Auf dem Schreibtisch liegen einige geöffnete Bücher.

„Für Scheybal war der Maler und Illustrator Adolf Kašpar ein großes Vorbild. Scheybal träumte zunächst, selbst auch Illustrator zu werden. Dieser Traum erfüllte sich aber nicht, was für uns wahrscheinlich jedoch besser ist. Denn seine Zeichnungen, mit denen er die Baudenkmäler dokumentiert hat, sind für den Denkmalschutz unersetzlich.“

Foto: Martina Schneibergová
Josef Scheybal stammte Lea Machurová zufolge aus einer künstlerisch begabten Familie. Sein Vater hatte in Frýdlant / Friedland einen Antiquitätenladen. Zudem veranstaltete er Theatervorstellungen und Lesungen. Scheybals Mutter sorgte dabei für das Bühnenbild und nähte Kostüme für das Laientheaterensemble. Sie stellte zudem Marionetten her, von denen viele im Museum in Turnov zu sehen sind. In der neuen Dauerausstellung sind mehrere Unterglasmalereien von ihr zu sehen, die sie noch im hohen Alter angefertigt hat.

Das Jana und Josef-Scheybal-Museum in Jablonec nad Nisou ist montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr geöffnet und samstags von 10 bis 13 Uhr. Im Juli und August kann das Haus auch am Sonntag von 10 bis 13 Uhr besucht werden. Passionierte Wanderer können sich zudem auf Scheybals Spuren begeben: Voriges Jahr wurde ein Lehrpfad errichtet, der nach dem Ehepaar Scheybal benannt wurde. Er hat zwei Abschnitte: von Jablonec nach Pulečný / Puletschnei und von Kopanina / Kopain nach Dolánky / Dolanek.

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