Josef „Pepi“ Bican: Begnadeter Fußballer, der in zwei Welten lebte

Josef Bican (Foto: Slavia Praha)

Wer in Prag auf dem Vyšehrader Friedhof (Vyšehradský hřbitov) bestattet wurde, gehört zu den nationalen Helden oder zu Lebzeiten verehrten Persönlichkeiten in Tschechien. Auf der nationalen Begräbnisstätte hat auch ein großer Fußballer der 40er und 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts seine letzte Ruhestätte gefunden, dessen Popularität sogar die Jahre des Sozialismus überdauerte: Josef „Pepi“ Bican. Am Donnerstag, an dem Bican 95 Jahre alt geworden wäre, haben knapp 100 Tschechen und Österreicher an seinem Grab der Fußballlegende gedacht.

Josef Bican  (Foto: Slavia Praha)
Die Gedenkveranstaltung zu Ehren des einzigartigen Torjägers, der im Laufe seiner Fußballer-Karriere über 5000 Tore erzielte, wurde von Bicans langjährigem Club SK Slavia Prag in Zusammenarbeit mit der österreichischen Gesellschaft Compress organisiert. Die österreichische Seite war aus gutem Grund vertreten, denn der Ausnahmefußballer wurde am 25. September 1913 in Wien geboren und wuchs danach im Bezirk Favoriten der Donaumetropole auf. Mit Rapid Wien und dem SK Admira Wien sind auch die erfolgreichsten Zeiten des österreichischen Teils von Bicans Karriere verknüpft. Professor Roman Horak von der Wiener Universität für angewandte Kunst, der die Gedenkrede hielt, auf die Frage nach der großen Popularität von Pepi Bican:

„Ich glaube an zwei Dinge. Zum ersten ist es seine eigenartige Art und Weise, immer wieder massenhaft Tore zu schießen – ein Ausdruck seiner Goalgetter-Qualitäten und seiner Technik. Zum zweiten war er eine kulturelle Persönlichkeit, die zugleich nach Wien und Prag passte. Er war Wiener, aber vielleicht sogar noch etwas mehr auch Prager.“

Josef Bican  (Foto: Slavia Praha)
Nach Prag kam Bican im April 1937 und damit auch zu dem von ihm geliebten Club Slavia Prag, mit dem er gleich in seiner ersten Saison den so genannten Mitropacup gewann. Sein aus Böhmen stammender Vater František („Franci“) und seine im südböhmischen Sedlice lebenden Großeltern hatten Pepi die Tschechoslowakei als sein zweites Heimatland ans Herz wachsen lassen. Und der Zugehörigkeit zum Volk seiner Vorfahren wurde sich Bican erst recht bewusst, als ihm im November 1939, zur Zeit des Protektorats Böhmen und Mähren, von den deutschen Besatzern angeboten wurde, in der Nationalauswahl des Dritten Reichs spielen zu können. Jarmila Bicanová, Witwe des großen Fußballers, bestätigte vor Journalisten das damalige Angebot und schilderte:

„Er sagte, dass er sich das überlegen und innerhalb einer Woche über das Angebot entscheiden werde. Bei Slavia Prag war man völlig geschockt und voller Angst, seinen besten Spieler verlieren zu können. Pepi aber besann sich schnell und sagte, dass dieser Seitenwechsel für ihn nicht in Frage käme. Denn seine Eltern waren Tschechen und haben ihn auch so erzogen. Er lehnte also dankend ab und damit war die Sache dann auch erledigt.“

Auch in der Zeit der sozialistischen Tschechoslowakei hatte Bican aufgrund seiner Redlichkeit ein schweres Leben. Sein Können auf dem Fußballplatz und sein vorbildlicher Charakter wurden und werden erst nach der politischen Wende 1989 entsprechend gewürdigt. Von der Internationalen Organisation der Fußballhistoriker erhielt Bican 1997 die Trophäe für den weltbesten Torjäger des 20. Jahrhunderts überreicht. Geehrt und geschätzt wird Bican noch heute in seinen ehemaligen Vereinen Rapid Wien und Slavia Prag. Allerdings in jedem Club auf seine Weise, wie Roman Horak betont:

„Das sind doch zwei differente Welten. Aber ich glaube, wenn es so etwas gibt wie Brücken bildende Figuren, dann war sicher Pepi Bican eine davon.“

Josef „Pepi“ Bican starb 2001 im Alter von 88 Jahren.

Autor: Lothar Martin
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