Judo-EM in Prag: Organisatorische Meisterleistung ohne sportlichen Lohn
Sie sollte eines der sportlichen Highlights werden dieses Jahr in Tschechien – die Judo-Europameisterschaft in Prag. Wegen der Corona-Pandemie standen die Titelkämpfe im Frühjahr zunächst auf der Kippe, wurden dann aber dreimal bis zum endgültigen Novembertermin verschoben.
Gastgeber Tschechien trat mit zwölf Judokas zur Heim-EM an. Doch schon an den ersten zwei Wettkampftagen platzte eine Medaillenhoffnung nach der anderen. Dabei konnten auch „die jungen Wilden“ nicht an ihre überzeugenden Leistungen bei der Junioren-Europameisterschaft anknüpfen. Daher sollte am Samstag wenigstens Tschechiens größter Trumpf stechen – der amtierende Weltmeister im Schwergewicht, Lukáš Krpálek, war am Start. Letztlich aber war auch er nicht in Bestform. Im Viertelfinale unterlag er dem späteren Europameister Tamerlan Baschajew aus Russland, im Kampf um Bronze scheiterte er am Georgier Guram Tuschischwili. Am Ende wurde der 30-jährige Krpálek Fünfter und ging hart mit sich ins Gericht:
„Leider ist es mir nicht gelungen, den Kampf um Bronze zu gewinnen. Ich habe zwei Fehler gemacht und wurde dafür bestraft. Heute war auch zu sehen, dass meine Vorbereitung auf die EM nicht ideal war, auch wenn meine Betreuer und ich versucht haben, alles für den Erfolg zu tun. Doch es zeigte sich, dass es nicht genug war.“
Wegen der ersten Pandemiewelle im Frühjahr konnte Krpálek kaum verreisen, und so auch nicht nach Japan, der Wiege dieses Kampfsports. Und bei einem Trainingscamp in Polen steckte er sich zu allem Überfluss selbst mit dem Coronavirus an. Dies alles hat Krpáleks Vorbereitung auf die Heim-EM negativ beeinflusst, bestätigte Nationaltrainer Petr Lacina:
„Wir haben gesehen, dass Lukáš nicht in bester Verfassung war. Heute hat er gleich viermal einen Waza-ari kassiert. Er war nicht in der Lage, darauf zu reagieren. Leider hat sich bestätigt, dass die Bedingungen für seine EM-Vorbereitung ungünstig waren. Wenn Lukáš nicht unter härtesten Bedingungen trainieren kann wie in Japan oder Korea, wo die Qualität der Gegner und die Intensität der Kämpfe sehr hoch sind, dann hat er im internationalen Wettkampf auch keine Chance.“
Wer aber Krpálek kennt, weiß auch, dass er nie aufgibt. Und so versichert der Olympiasieger von Rio, dass er sein letztes Wort noch nicht gesprochen hat:
„Ich bin ein Mensch, der immer gewinnen will. Niederlagen ärgern mich folglich sehr. Auf der anderen Seite motiviert mich das in dem Sinne, dass ich mir sage, ich müsse mehr tun und härter trainieren, um wieder ganz oben zu stehen. Möglicherweise kann ich aus dieser Niederlage auch neue Kraft schöpfen.“
Enttäuscht von den Ergebnissen der tschechischen Judokas war auch der Chef des nationalen Judoverbands, Jiří Dolejš. Andererseits hatte er ebenso einen Grund zur Freude:
„In organisatorischer Hinsicht haben wir das Turnier meiner Meinung nach hervorragend gemeistert. Die Teilnehmer waren zufrieden mit dem Verlauf der Titelkämpfe und mit den Dienstleistungen, die wir geboten haben. Von dieser Seite lief also alles gut, auch wenn uns die Zuschauer natürlich gefehlt haben.“
Der Termin der Europameisterschaft wurde in diesem Jahr dreimal verlegt, lange Zeit stand nicht fest, ob sie überhaupt stattfindet. Die Ausnahmegenehmigung zur Durchführung des Championats trotz des Lockdowns bekamen die Veranstalter erst knapp zwei Wochen vor dem Austragungstermin. Dennoch haben sie es geschafft, die Titelkämpfe auch mit allen hygienischen Auflagen zu veranstalten. Dafür ernteten sie Lob aus berufenem Munde:
„Prag hat diese EM toll organisiert, auch wenn es ein Martyrium war. Das finale Ergebnis dieses Turniers ist ein kolossaler Erfolg nicht nur für das tschechische Judo, sondern auch das europäische. Denn wir haben bewiesen, dass man solch einen Event auch in der sehr schwierigen Corona-Lage ausrichten kann“,
sagte der stellvertretende Vorsitzende des europäischen Judoverbands, Michal Vachun.
Für diesen Event haben die tschechischen Veranstalter nicht nur alles gegeben, sondern letztlich auch kräftig draufgezahlt. Jiří Dolejš rechnet vor:
„Unser veranschlagter Etat hat sich auf beiden Seiten verändert. Bei den Einnahmen mussten wir ein klares Minus verbuchen infolge der fehlenden Zuschauer und der geringeren Sponsorengelder. Wir konnten schließlich nicht alles erfüllen, was wir den Sponsoren zuvor versprochen hatten. Auf der Ausgabenseite wiederum sind die Kosten immens gestiegen, weil wir zusätzlich das Turnier in einer Blase und die Corona-Tests garantieren mussten.“
So wie den Veranstaltern der Judo-EM aber ergeht es eigentlich allen Wirtschaftsunternehmen in Tschechien. Was ihnen derzeit bleibt, ist die Hoffnung auf baldige bessere Zeiten.