Lukáš Krpálek will sich in Japan intensiv auf Olympia vorbereiten

Lukáš Krpálek (Foto: Jana Kudláčková, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Lukáš Krpálek ist derzeit einer der besten Einzelsportler in Tschechien. 2016 und 2019 wurde der Judoka hierzulande zum Sportler des Jahres gewählt. Das vergangene Jahr, das vom Coronavirus diktiert wurde, bescherte dem Olympiasieger von Rio indes ganz neue Erfahrungen. Wie er 2020 erlebt hat, und welche Ziele er in der Zukunft verfolgt, darüber hat der 30-Jährige vor kurzem im Tschechischen Rundfunk gesprochen.

Lukáš Krpálek  (Foto: Horajs 99,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)

Im vergangenen Jahr wollte Lukáš Krpálek eigentlich an den Olympischen Spielen in Tokio teilnehmen. Doch das Gipfeltreffen der weltbesten Sommersportler wurde – wie zahlreiche andere internationale Wettkämpfe auch – wegen der globalen Ausbreitung des Coronavirus abgesetzt. Die Spiele wurden um exakt ein Jahr verschoben und sollen nun in diesem Sommer in der japanischen Metropole ausgerichtet werden. Krpálek ist überzeugt, dass es so sein wird:

„Mir wurde von mehreren Leuten bestätigt, dass die Spiele stattfinden. Natürlich ist es bis dahin noch ein halbes Jahr, also viel Zeit, in der so einiges passieren kann. Aber was ich so gehört habe, wird Olympia zu 99 Prozent über die Bühne gehen.“

Foto: wikimizuki,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0

Auf der anderen Seite ist sich der Tscheche auch bewusst, dass wegen Corona nichts mehr so ist, wie es war. Und das Virus wird auch noch in Tokio eine Rolle spielen, glaubt Krpálek:

„Selbstverständlich werden die Bedingungen nicht ideal sein. Es wird strikte Regeln dafür geben, was wir tun dürfen und was nicht. Es werden andere Olympische Spiele sein, als wie wir sie bisher kannten. Doch damit müssen wir leben. Ich sehe meine Aufgabe jetzt darin, mich bestmöglich auf Tokio vorzubereiten.“

Krpálek: „Selbstverständlich werden die Bedingungen in Tokio nicht ideal sein. Es wird strikte Regeln dafür geben, was wir tun dürfen und was nicht. Es werden andere Olympische Spiele sein, als wie wir sie bisher kannten. Doch damit müssen wir leben.“

Krpálek weiß ganz genau, wovon er spricht. Im vergangenen Jahr nämlich, als die Judo-Europameisterschaft in Prag und eben Olympia die Saisonhöhepunkte für ihn sein sollten, hatte er zu keiner Zeit die Voraussetzungen dafür, um optimal zu trainieren:

„Ich habe ein Dreivierteljahr lang keinen Gegner gehabt, der schwerer war als 120 Kilogramm. Wenn ich aber im Schwergewicht antrete, dann wiegen meine Kontrahenten regelmäßig 140, 150 oder gar 180 Kilogramm. Dass ich mich mit solchen Gegnern nicht messen konnte, war für mich ein spürbares Handicap.“

Seinen Sparringspartnern im Training habe es aber nicht nur an Gewicht gefehlt, sondern zumeist auch an der nötigen Klasse, um ihn zu fordern, ergänzt Krpálek:

Or Sasson  (Foto: Fernando Frazão / Agência Brasil,  Flickr,  CC BY 2.0)

„Eine weitere Sache war die, dass ich das gesamte Dreivierteljahr über fast ausnahmslos nur in Tschechien, Polen oder der Slowakei trainiert habe, wo es für mich keine ernsthaften Gegner gibt. Und als ich kurz vor der EM noch ein Trainingscamp in der Türkei absolvierte, bin ich nur auf einen einzigen ebenbürtigen Kontrahenten gestoßen, das war der Israeli Ori Sason. Zufälligerweise bin ich dann auch bei der Europameisterschaft auf ihn getroffen und habe ihn besiegt. Doch rückblickend muss ich konstatieren: Sason war mein einziger echter Gegner im Training, und das ist zu wenig für eine gute Wettkampfvorbereitung.“

Bei der Heim-EM in Prag war Krpálek dann auch nicht in Bestform. Im Viertelfinale unterlag er dem späteren Europameister Tamerlan Baschajew aus Russland, im Kampf um Bronze scheiterte er am Georgier Guram Tuschischwili. Am Ende wurde Krpálek nur Fünfter.

Lukáš Krpálek  (Foto: Jindřich Nosek,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)

Neben der sportlichen Enttäuschung hielt das Jahr 2020 für den Wahl-Prager aber auch erfreuliche Seiten bereit. Wegen der Lockdowns im Frühjahr und im Herbst verbrachte er viel mehr Zeit mit seiner Familie, und auch seinem großen Hobby, dem Angeln, konnte er weitaus öfter frönen. Das Fischen an ruhigen Gewässern sei gut für die Psyche, da könne er so richtig entspannen, sagt Krpálek. Ansonsten aber sei er ein rastloser Typ, der immer etwas zu tun haben müsse. Und deswegen habe er in der restriktiven Corona-Zeit eine andere Leidenschaft wiederentdeckt: die Tischlerarbeit, die er beruflich erlernt hat. Die Lehre schloss er 2013 ab, und sieben Jahre später hat er nun seine Kenntnisse darüber wiederaufgefrischt:

„Ich muss sagen, das war für mich wie eine Rückkehr zu Schusters Leisten. Es war eine tolle Erfahrung, wieder zu meinem erlernten Handwerk zurückzufinden, auch wenn ich bei einigen Abläufen zunächst etwas länger gebraucht habe, um sie richtig auszuführen. Ich muss aber sagen, dass mir diese Arbeit großen Spaß bereitet hat. Ich habe verschiedene Blumenkästen gebaut sowie einen kleinen Schuppen für den Roboter-Rasenmäher. Das Dach dazu habe ich sogar mit Schindeln gedeckt. Es waren wirklich viele Sachen. Kurz vor Weihnachten habe ich dann Möbel poliert.“

Hisayoshi Harasawa  (Foto: Fernando Frazão / Agência Brasil,  Flickr,  CC BY 2.0)

In diesem Jahr aber will sich Lukáš Krpálek wieder intensiver seinem geliebten Judosport zuwenden. Sein großes Ziel ist dabei die Olympiateilnahme, der er alles unterordnet. Denn in Tokio will er nach einer Medaille greifen und, wenn möglich, seinen Olympiasieg von Rio wiederholen.

Wenn Krpálek Letzteres gelingen würde, wäre das wie ein zweiter Ritterschlag, schließlich gilt Japan als die Wiege des Judosports. Den ersten Ritterschlag erhielt der Tscheche quasi vor anderthalb Jahren: Im Sommer 2019 erkämpfte Krpálek seinen zweiten Weltmeistertitel und den ersten im Schwergewicht ausgerechnet in Tokio. Im Finale bezwang er den favorisierten Japaner Hisayoshi Harasawa durch seine größere Aktivität in der Verlängerung. Das brachte ihm hohe Anerkennung im Mutterland des Judos:

„Ich muss sagen, dass mich das sehr überrascht hat. Sowohl Nationaltrainer Kōsei Inoue als auch die große japanische Legende Yasuhiro Yamashita kamen zu mir, beglückwünschten mich und sagten mir, das Finale sei ein toller Kampf gewesen. Es hat mich bewegt, solch ein Lob aus berufenem Munde zu hören.“

Krpálek: „Sowohl Nationaltrainer Kōsei Inoue als auch die große japanische Legende Yasuhiro Yamashita kamen zu mir, beglückwünschten mich und sagten mir, das Finale sei ein toller Kampf gewesen. Es hat mich bewegt, solch ein Lob aus berufenem Munde zu hören.“


Das Land der aufgehenden Sonne ist für Krpálek aber noch aus einem anderen Grund stets eine Reise wert – er schlägt dort gern seine Zelte für ein intensives Trainingscamp auf:

„Das Training ist dort ganz anders als bei uns. Eine Trainingseinheit dauert viel länger. Einer der Gründe dafür ist der, dass die Japaner technisch besser ausgebildet sind, ihre Techniken gern zeigen und ein Zweikampf mit ihnen folglich kraftsparender ist. So kann ich das Training auch länger durchhalten. Für mich am wichtigsten ist aber, dass ich dadurch mein Abwehrverhalten schulen und weiter verbessern kann. Wenn die Gegner und Kampfstile ständig wechseln, lerne ich in der Abwehrarbeit mehr hinzu als irgendwo in Europa.“

Illustrationsfoto: Wern L,  Flickr,  CC BY 2.0

Doch damit nicht genug: Für Krpálek ist ein Trainingsaufenthalt in Japan auch rein persönlich immer ein Erlebnis:

„Ich reise gern dorthin, weil die Japaner sehr gastfreundlich sind. Ich genieße jedes Training aus zwei Gründen: Zum einen werde ich von Anfang bis Ende hart gefordert, zum Zweiten herrscht dabei immer eine tolle Stimmung. Und ich spüre, dass mir große Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, weil ich im Judo schon einiges erreicht habe. Wenn ich im Training dann einmal schwanke oder gar zu Boden gehe, gibt es sofort ein großes Gejohle in der Trainingshalle. Mich aber motiviert das umso mehr, weil ich mir doch keine Blöße geben will.“

Krpálek: „Natürlich werde ich noch einige Zeit auf der Matte stehen und kämpfen, solange es nur geht. Dafür werde ich weiter hart trainieren und alles geben, was in mir steckt. Mein Ziel ist es, an den Olympischen Spielen 2024 in Paris teilzunehmen. Dort würde ich gern noch eine Medaille gewinnen.“

Eigentlich wollte Krpálek so bald wie möglich zur Olympiavorbereitung nach Japan reisen. Dafür würde er sogar die vorgeschriebene zweiwöchige Quarantäne in Kauf nehmen, wenn er andererseits bis zu zwei Monate lang in Fernost trainieren könnte. Derzeit hat dies aber keinen Sinn, weil Japans Premierminister Yoshihide Suga erst vor kurzem den Ausnahmezustand für insgesamt elf Präfekturen ausgerufen hat, und dies (vorerst) bis zum 7. Februar. Außerdem kündigte Suga an, die Grenzen für alle Ausländer ohne japanischen Wohnsitz erneut zu schließen. Bislang gab es einen erleichterten Reiseverkehr mit elf Ländern in Asien und Ozeanien. Und so werden Krpálek, sein Trainer und seine Betreuer sich noch etwas gedulden, bis sie den ostasiatischen Staat im Pazifik anfliegen. Für die nächsten anderthalb Monate aber bleiben sie noch in Europa – bis Anfang März wird Krpálek nacheinander seine Zelte zu Trainingszwecken in Österreich, Ungarn und im mittelböhmischen Nymburk / Nimburg aufschlagen. Und sollten sich auch in diesem Jahr die erhofften Trainingsbedingungen und Wettkampferfolge nicht einstellen, dann will Krpálek in drei Jahren einen erneuten Anlauf nehmen. Denn als 30-Jähriger zählt sich der Tscheche noch längst nicht zum alten Eisen:

„Natürlich werde ich noch einige Zeit auf der Matte stehen und kämpfen, solange es nur geht. Dafür werde ich weiter hart trainieren und alles geben, was in mir steckt. Mein Ziel ist es, an den Olympischen Spielen 2024 in Paris teilzunehmen. Dort würde ich gern noch eine Medaille gewinnen.“

Autoren: Lothar Martin , Lucie Výborná
schlüsselwort:
abspielen