Jugendliche in totalitären Regimen: Festival „Mene Tekel“ startet

Foto: Martina Schneibergová

Am Montag wurde in Prag das internationale Festival gegen Totalitarismus „Mene Tekel“ eröffnet. Im Blickpunkt steht diesmal, wie Jugendliche in den totalitären Regimen gelebt haben.

Foto: Martina Schneibergová
Das Lied, das in der Maria-Schnee-Kirche erklang, heißt „Hymna muklů“. Das Wort „mukl“ ist die Abkürzung für den Ausdruck „muž určený k likvidaci“ –„zur Liquidierung bestimmter Mann“. Einige dieser „mukls“, der ehemaligen politischen Gefangenen, saßen in den Bänken der Kirche. Das Festival wird in der Zeit um den 25. Februar herum veranstaltet. Das Datum ist symbolisch, denn am 25. Februar 1948 ergriffen die Kommunisten die Macht in der damaligen Tschechoslowakei. Naděžda Kavalírová ist Vorsitzende der Konföderation politischer Gefangener:



Naděžda Kavalírová  (Foto: Martina Schneibergová)
„In den vergangenen neun Jahren gab es während des Festivals immer eine Art Huldigung an die jungen Menschen, die 1948 versucht haben, gegen die Kommunisten zu protestieren. Bei jedem Festival wurde aber auch an die Grausamkeiten der totalitären Regime nicht nur in unserem Land, sondern auch im Ausland erinnert. Jedes Festival ist zudem eine Warnung vor dem Totalitarismus. Das sollten wir bitte nicht vergessen.“

Auf dem Festivalprogramm stehen Diskussionen mit Zeitzeugen und Historikern, Filmvorstellungen und Buchpräsentationen. Wie jedes Jahr sind auch diesmal einige Ausstellungen installiert. Eine davon zeigt die Kinderzeichnungen von Helga Hošková-Weissová aus Terezín / Theresienstadt. Eine weitere Schau dokumentiert die Bemühungen der Jugendlichen um Revolten gegen das SED-Regime in Ostberlin. Zu sehen ist zudem eine ukrainische Ausstellung über den Widerstand gegen Stalins Regime während der Hungersnot in der Ukraine in den 1930er Jahren. Diese Zeit dokumentiert der ukrainische Film „Holodomor ´33“ von Regisseur Oles Jantschuk, der beim Festival in tschechischer Premiere gezeigt wird.

Jan Řeřicha  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Veranstalter arbeiten seit acht Jahren mit der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karlsuniversität zusammen. Die Studenten befassen sich im Rahmen eines Seminars mit einem der politischen Prozesse aus den 1950er Jahren. Zum Abschluss des Festivals inszenieren sie dann den Prozess im Saal des Obergerichts in Prag. Dazu der Begründer und Leiter des Festivals, Jan Řeřicha:

„In diesem Jahr haben wir uns wegen des Hauptthemas des Festivals auf den Prozess gegen Schüler aus Litomyšl konzentriert. 25 Schüler wurden 1950 nur deswegen zu hohen Haftstrafen verurteilt, weil sie es abgelehnt hatten, von der Pfadfinderbewegung zum kommunistischen Jugendverband zu wechseln.“

Ondrej Krajňák  (Foto: Martina Schneibergová)
Nicht nur in den 1950er Jahren wurden junge Menschen aus heute unvorstellbaren Gründen ins Gefängnis geschickt. Die Geschichte von drei jungen Männern, die in den 1980er Jahren für das Schmuggeln von Büchern aus Polen in die Tschechoslowakei verurteilt wurden, beschreibt der slowakische Dokumentarfilm „Stopy ve snehu“ (Spuren im Schnee). Der Film wird beim Festival vorgestellt. Ondrej Krajňák vom Institut des Nationalen Gedenkens in Bratislava hat die Verfilmung der Geschichte initiiert.

"Es ist notwendig, die damalige Zeit vor allem den jungen Menschen näher zu bringen. Sie begreifen heute gar nicht mehr, dass jemand ins Gefängnis geschickt wurde, weil er Bücher aus Polen mitbrachte. Ich finde es wichtig, ein wahres Bild von der damaligen Zeit zu vermitteln, denn heute wird die Wahrheit über die Vergangenheit relativiert.“

Daniel Herman  (Foto: Martina Schneibergová)
Der tschechische Kulturminister Daniel Herman begleitet das Festival seit Beginn, das heißt noch bevor er Minister wurde.

„In diesem Jahr wird das Festival schon zum zehnten Mal veranstaltet. Die beiden totalitären Regime des 20. Jahrhunderts, der Nationalsozialismus und der Kommunismus, haben tiefe Spuren hinterlassen. Vielleicht braucht es noch eine bestimmte Zeit, die Folgen zu überwinden. Für die junge Generation ist es wichtig, im Bilde zu sein. Sie braucht Informationen, genauso wie Augenzeugen. Diese leben immer noch unter uns, was ich für eine Gnade halte. Das Festival bietet Raum für Begegnungen, Konferenzen, Diskussionen. Das ist echte Erinnerungskultur.“

Foto: Martina Schneibergová
Das Festival „Mene Tekel“ findet in Prag bis zum 28. Februar statt. Alle Festivalausstellungen sind im Kreuzgewölbe des Franziskanerklosters bei der Maria-Schnee-Kirche auf dem Jungmann-Platz in Prag bis zum 3. März zu sehen. Geöffnet ist der Ausstellungsraum täglich von 10 bis 18 Uhr.