Kaiserhof im 14. Jahrhundert: Der Schatz von Karlstein
Karlštejn / Karlstein ist eine der am meisten besuchten Burgen in Tschechien. Karl IV. ließ sie 1348 erbauen – und zwar als Schatzkammer für die Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. In diesem Jahr ist Karlstein ein Zentrum der Feierlichkeiten zum 700. Geburtstag von Karl IV. Seit einer Woche ist dort eine Ausstellung über die Kultur am damaligen kaiserlichen Hof zu sehen. Die Ausstellung zeigt eine Sammlung von Goldschmiedearbeiten, die beim neugotischen Umbau der Burg gefunden wurden.
„Wir möchten in der Ausstellung den Reichtum des kaiserlichen Hofs im Alltagsleben präsentieren. Mit der Ausstellung eröffnen wir zudem das Jahr der Luxemburger, sie ist die erste große Veranstaltung in diesem Rahmen. Wir schließen uns damit den Feierlichkeiten zum 700. Geburtstag von Karl IV. an.“
Der sogenannte „Schatz von Karlstein“ wurde beim Umbau der Burg gefunden. Die einzigartige Sammlung von Gegenständen ist wahrscheinlich während der Hussitenkriege in den Burgmauern versteckt worden. Zwei Bauarbeiter stießen Ende des 19. Jahrhunderts auf den Schatz. Sie erzählten jedoch niemandem von dem Fund. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts tauchte der Schatz bei einer Auktion in Berlin auf. Der Unternehmer und Kunstsammler Jindřich Waldes kaufte dann die Sammlung.
Familie Waldes kauft den Schatz
Waldes hatte ein Patent auf Druckknöpfe auch für den deutschen Markt. Er richtete damals ein einzigartiges Museum mit Knöpfen und Kleiderspangen ein. Auch die Gegenstände aus Karlstein seien dort ausgestellt worden, erzählt die Leiterin des Prager Kunstgewerbemuseums, Helena Koenigsmarková. Da Jindřich Waldes Jude war, wurde er 1939 ins KZ Dachau verschleppt. 1940 kam er frei, Waldes starb aber auf der Fahrt in die USA. Seine Fabrik sowie das Museum wurden von den Nationalsozialisten enteignet, erzählt die Museumsleiterin.„Die Sammlungen von Jindřich Waldes kamen 1947 ins Kunstgewerbemuseum nach Prag. Jahre lang war der Schatz von Karlstein in Kisten gelagert. Ich bin davon überzeugt, dass meine Vorgänger hofften, die Gegenstände dereinst an die Familie Waldes zurückgeben zu können. In den 1970er Jahren wurde der Schatz aber ins Inventarverzeichnis des Museums eingetragen und anlässlich des 100. Gründungstags des Museums ausgestellt. Später war er in einer Dauerausstellung zu sehen. Nach der Wende von 1989 ersuchten die Söhne von Jindřich Waldes um die Rückgabe der Sammlung. Wir haben sie ihnen zurückgegeben, und sie schenkten den Schatz Staatspräsident Václav Havel mit einem Hinweis darauf, dass er im Kunstgewerbemuseum aufbewahrt werden solle.“
Fest beim französischen König
Der Schatz ist nun nach mehr als 100 Jahren wieder nach Karlstein zurückgekehrt. Naďa Kubů hat die Ausstellung kuratiert.„Jeder der Gegenstände ist einzigartig – egal ob es sich um Knöpfe oder um Geschirr handelt. Zu sehen ist beispielsweise ein Becher, dessen Boden mit einem Frauenbild verziert ist. Es gibt hier mit Emaille geschmückte Kelche. Beachtenswert ist beispielsweise das sogenannte ‚Pomander‘, ein kugelförmiger kleiner Behälter mit Duftstoffen, den man an der Kleidung getragen hat. Es kann sein, dass er auch vor bestimmten Insekten schützen sollte. Bei diesem Exponat handelt es sich um den ältesten erhaltenen Behälter dieser Art in Europa.“
In der Ausstellung wird zudem an den Besuch von Karl IV. in Frankreich im Jahre 1378 erinnert. Es war seine letzte Auslandsreise. Der Kaiser war damals schon krank. Er nahm dort an einem großen Fest teil, das der französische König Karl V. gab, erzählt die Kuratorin:
„Anhand einer Illumination aus der französischen Chronik haben wir versucht, den festlich gedeckten Tisch am französischen Königshof nachzustellen. Auf dem Tisch stehen goldene Schüsseln in Form von Gondeln. Sie waren damals mit Süßigkeiten, Obst oder Gebäck gefüllt. Zudem gibt es mehrere flache Schüsseln, in denen das Essen serviert wurde. Sie konnten auch zugedeckt werden. Zu sehen sind hier Kopien von Löffeln, die Karls Gattin Elisabeth von Pommern gehörten. Die Originallöffel befinden sich in den Sammlungen des Museums in Hradec Králové. Die Kopien wurden aus Wacholderholz angefertigt. Sie haben herrliche Handgriffe.“
Moralisten nennen sie „Hundehalsbänder“
Goldene Knöpfe, Schmuck, Spangen – diese Exponate sind ergänzt durch Illustrationen aus Chroniken, auf denen der konkrete Gegenstand abgebildet ist. An einer der Vitrinen macht die Kuratorin auf kleine goldene Medaillen aufmerksam:„Dies sind herrliche Beispiele des sogenannten ‚Liebesknotens‘. Das war ein Brakteat, das an die Kleidung angenäht wurde. Sie sind beispielsweise auch auf den Gemälden von Theodorich von Prag in Karlstein zu sehen. Abgebildet sind sie auch in der Bibel von Wenzel IV. Eine kleine Kopie der Illustration aus der Bibel ist hier ausgestellt. Der Schatz von Karlstein umfasst zudem Schmuckstücke, die die Form von Monogrammen hatten. Aus den einzelnen Monogrammen wurden damals Halsketten zusammengestellt. Moralisten haben diese Mode in der Zeit von Karl IV. stark kritisiert. Sie fanden, dass die Halsketten wie Hundehalsbänder aussehen. Gezeigt wird hier auch eine große Menge herrlicher Knöpfe. Wie die Gemälde und Illustrationen beweisen, waren beispielsweise Ärmel mit einer Reihe von Goldknöpfen verziert. Damen hatten ebenso viele Knöpfe an ihren Kleidern. Goldene Köpfe dienten im 14. Jahrhundert als Verzierung der Kleidung.“
Unter den Exponaten sind der Kuratorin zufolge zweifelsohne Gegenstände, die Karl IV. oder seinem Sohn Wenzel gehört haben müssen. Die Ausstellung wird bald noch durch Kostüme ergänzt, um den Besuchern eine vollständige Vorstellung von der Mode am kaiserlichen Hof Karls IV. zu vermitteln. Die Kuratorin:„Es werden vier Kostüme angefertigt – das Kostüm des Königs, der Königin, des Erzbischofs Jan Očko z Vlašimi und des jungen Wenzel IV. Sie sollen vor der Hauptsaison fertig sein.“
Die Ausstellung mit dem Titel „Der Schatz von Karlstein – Kultur am kaiserlichen Hof Karls IV.“ ist auf der Burg bis 31. Oktober 2017 zu sehen.