Kardinal Tomáš Špidlík gestorben
Seine Bücher haben Spitzenpolitiker wie Gorbatschow oder Mitterrand gelesen. Er war ein guter Freund von Papst Johannes Paul II.: Kardinal Tomáš Špidlík. Er war wahrscheinlich der am meisten übersetzte tschechische Theologe der Neuzeit. Der Kirchenmann und international bekannte Wissenschaftler hatte zudem eine Begabung, die geistliche Welt dem skeptischen Gegenwartsmenschen näher zu bringen. Am vergangenen Freitag ist Kardinal Špidlík im Alter von 90 Jahren in Rom gestorben.
Kardinál Tomáš Špidlík stammte aus dem südmährischen Boskovice. An der Universität in Brünn begann er Tschechisch und Latein zu studieren. Nachdem die Nazis die tschechischen Hochschulen 1939 geschlossen hatten, setzte er sein Studium am Philosophischen Institut des Jesuitenordens im mährischen Wallfahrtsort Velehrad fort. Ende der 40er Jahre ging er in die Niederlande und wurde dort zum Priester geweiht. In die kommunistische Tschechoslowakei konnte er nicht mehr zurückkehren.
Ab 1951 war er 37 Jahre lang der geistliche Leiter des päpstlichen Kollegs Nepomucenum. Dort studierten tschechische und slowakische Theologiestudenten, denen es gelang, zu emigrieren. Er wirkte zwar im Ausland, aber seine Bücher wurden in die Tschechoslowakei geschmuggelt. Sein Engagement im Exil war dem kommunistischen Regime ein Dorn im Auge. Špidlíks Großneffe Pavel Švanda, ein katholischer Aktivist, starb unter bisher ungeklärten Umständen. Es wird aber vermutet, dass der kommunistische Geheimdienst dahinter stand.
Erst nach der Wende durfte Špidlík seine Heimat wieder besuchen. Er war ein willkommener Gast bei Diskussionen mit Studenten, nicht nur im katholischen Milieu. 2003 wurde Špidlík vom Papst zum Kardinal ernannt. Seit dem Anfang seiner theologischen Laufbahn bis ins hohe Alter schrieb Špidlík vor allem über die christlich-orthodoxe Tradition. Bei einem seiner Prag-Besuche - im Jahre 2006 - hat Kardinal Špidlík über seine Bücher auch mit Radio Prag gesprochen:„Ich kann Gott dafür danken, dass es von den Büchern, die ich geschrieben habe, schon 150 Übersetzungen in östliche Sprachen gibt. Sieben davon wurden sogar ins Arabische übersetzt. Eine übrigens mit der Erlaubnis von Saddam Hussein. Warum ich mich mit dem Osten und dem Westen Europas befasse? Eben aus dem Grund, dass in der Gegenwart neue Völker an Bedeutung gewinnen und danach fragen, wo die Wurzeln Europas liegen.“Über die tschechische Seele hatte Špidlík seine eigene Theorie:
„Die Tschechen haben eine besondere Eigenschaft. Sie haben im Grunde ein slawisches Herz, aber eine deutsche Erziehung. Daraus entsteht manchmal die Streitsucht. Aber wenn sie die Streitsucht überwinden, dann können sie imstande sein, zwischen zwei Welten zu vermitteln.“
Seinen Sinn für Humor bewies Kardinal Špidlík damals in der abschließenden Bemerkung:„Ich muss 90 Jahre alt werden. Wissen Sie warum? Weil nach dem 90. Lebensjahr nur wenige Menschen sterben – der Statistik zufolge…“
Und 90 ist der Kardinal im Dezember letzten Jahres geworden.
Für Kardinal Tomáš Špidlík wurde eine Totenmesse am Dienstagvormittag in der St. Peter-Basilika im Vatikan gelesen. Ein Gottesdienst für den verstorbenen Kardinal wird am Dienstagabend auch im Prager Veitsdom zelebriert. Tomáš Špidlík wünschte sich, dort bestattet zu werden, wo er seinen tief erlebten Glauben gefunden hat, im mährischen Wallfahrtsort Velehrad.