Karikaturen sind nichts neues

Antonin Pelc
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Bei dem Wort Karikatur denkt man derzeit zunächst an die Karikaturen des Propheten Mohammed in der dänischen Presse, die weltweit eine Welle von moslemischen Protesten hervorgerufen haben. Die Karikatur ist heute vor allem ein politisches Medium, vor hundert Jahren war sie eher ein künstlerisches Ausdruckmittel. Bara Prochazkova hat eine Ausstellung der tschechischen Karikaturen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besucht und sich mit den Ausstellungsmachern unterhalten.

Heute genauso wie vor hundert Jahren reflektiert die Karikatur die gesellschaftspolitische Lage im Land, erklärt Ondrej Chrobak aus der Tschechischen Nationalgalerie:

"Die Karikaturen der Zeit sind sehr eindeutig und sehr signifikant. Außerdem spiegeln sie die gesamte politische sowie gesellschaftliche Stimmung in der Tschechoslowakei in der ersten Hälfte der 20. Jahrhunderts wider."

Heute kennen wir Karikaturen vor allen aus der Tagespresse. In den 20er und 30er Jahren habe man die satirischen Zeichnungen dagegen als autonome Kunstwerke wahrgenommen, sagt der Kunsthistoriker und der Co-Autor der Ausstellung Tomas Winter:

"Es ist eine Tatsache, dass die meisten Künstler die Karikaturen nicht für die Zeitung gezeichnet haben, sondern direkt für Ausstellungen. Das kann man auch an dem Format oder an der formalen Ausarbeitung der Karikaturen sehen. Antonin Pelc zum Beispiel hat großformatige Karikaturen gezeichnet. Es war also normal, satirische Bilder auszustellen."

Sogar in der New Yorker Galerie der modernen Kunst wurde damals eine Karikaturenausstellung von den Tschechen Antonin Pelc und Adolf Hoffmeister eröffnet. Außerdem gab es in der Prager Galerie Manes 1934 eine gemeinsame Ausstellung von Tschechen und Deutschen. In den 30er Jahren wurde die Zusammenarbeit von tschechischen und deutschen Karikaturisten intensiver, sie haben unter anderem von Januar bis September 1934 gemeinsam die satirische anti-nazistische Zeitschrift Simplicus herausgegeben. Unter der Leitung von Frantisek Bidlo versammlte sich um die Zeitschrift eine Künstlergruppe zu der auch Josef Capek, Antonin Pelc, Adolf Hoffmeister und deutsche Emigranten wie Hella Guth und Erich Godal zählten. Guth und Godal waren nicht die einzigen deutschen Karikaturisten auf dem Gebiet der Tschechoslowakei, ergänzt Tomas Winter aus dem Institut für Kunstgeschichte in Prag:

"Nach der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 sind in die Tschechoslowakei mehrere Karikatur-Zeichner gekommen. Die bekanntesten von ihnen waren Thomas Theodor Heine und John Heartfield. Beide wurden sehr schnell in den Karikatur-Bereich einbezogen. Heine hat sich aber dann von der politischen Karikatur aus persönlichen Gründen distanziert, weil in Deutschland noch seine Familie gelebt hatte."

Haus Zur Steinernen Glocke
Tschechische Karikaturen auf 218 Bildern sowie auf vier Videoprojektionen zusammengefasst, dies ist eine repräsentative Auswahl der interessantesten und zu ihrer Zeit der aktuellsten Zeichnungen. Die Ausstellung namens "In den Fesseln des Lachens", die in der Galerie Zur Steinernen Glocke am Prager Altstädter Ring bis zum Anfang Mai geöffnet ist, stellt die Entwicklung der Karikatur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Und nicht nur das. Die Schöpfer der Ausstellung suchten auch nach der besonderen Verbindung zwischen der Karikatur und der hohen Kunst. Denn die Karikatur reagierte auf die dominierenden Kunstströmungen der Zeit - Kubismus am Anfang des 20. Jahrhunderts und Surrealismus in der Zwischenkriegszeit. Die Verbindung ist nicht weit hergeholt, denn die bedeutendsten Karikaturisten der Zeit waren berühmte Künstler wie zum Beispiel Emil Filla, Frantisek Kupka oder Josef Capek.

In den 50 Jahren kehren bestimmte Motive und Klischees als roter Faden immer wieder zurück, auch Religion wurde öfters zum Thema. Der Co-Autor der Ausstellung Ondrej Chrobak betont jedoch die unterschiedliche Form der religiösen Karikatur:

"Es wurde vor allem die Rolle der Kirche unter die Lupe genommen. Es wurde in der Karikatur vermittelt, dass die Kirche den Glauben stark für das Beherrschen der Menschen ausnutzt. Anspielungen auf die Kirche als einer der Hauptgegner der Kommunisten oder allgemein der linken Parteien ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der tschechischen Karikatur und sind in der Ausstellung oft zu sehen."

Es gibt immer Personen, die sich besonders für eine satirische Darstellung eignen. So sind etwa Politiker seit jeher dankbare Objekte zum Parodieren. Kaum einen zeitgenössischen Karikaturisten findet man zum Beispiel, der den Politiker Karel Kramar, der nach 1918 der erste tschechoslowakische Regierungschef war, nicht abgebildet hätte. Auch die nationalen Konflikte der Zeit haben sich in der Karikatur gespiegelt, sagt Ondrej Chrobak:

"Ich glaube, dies entsprach der Reflexion dieser Frage in der tschechischen Politik. Das deutsch-tschechische Verhältnis war zu der Zeit ein beherrschendes Thema, so auch in der Karikatur. Denn diese hat ziemlich treu die gesellschaftspolitische Situation abgebildet. Das deutsch-tschechische Verhältnis wurde genauso wie politische Affären reflektiert, also ziemlich oft."

Typische Bilder wie den Reichspräsidenten Generalfeldmarschall Hindenburg oder den deutschen Michel konnte man auch öfters in der tschechoslowakischen Presse sehen, dazu Tomas Winter:

"Direkte anti-deutsche und anti-habsburgische Karikaturen hat Emil Filla im Exil in den Niederlanden für die Zeitschrift `Michel im Sumpf` gezeichnet. Diese Zeitschrift hat Filla gemeinsam mit dem deutschen Deserteur Hugo Delmes herausgegeben."

Karikaturen - und politische Karikaturen insbesondere - sind also nichts Neues. Für Interessierte ist die Ausstellung "In den Fesseln des Lachens" - obwohl die Ereignisse nicht immer zum Lachen sind - auf dem Prager Altstädter Ring, im Haus zur Steinernen Glocke noch bis zum 7. Mai geöffnet.