Mit der Feder und mit Gott: der deutsch-tschechische Karikaturist Ivan Steiger
Er ist mittlerweile stolze 72 Jahre alt. Seine Karikaturen werden in Zeitungen auf der ganzen Welt gedruckt. Ivan Steiger ist ein Kreativ-Kopf, beinahe ein Alleskönner, der überquillt vor Ideen. Noch in die konfliktreichen 1930er Jahre hineingeboren, wählte er nach der sowjetischen Besetzung der Tschechoslowakei 1968 das Exil. Deutschland ist seine Heimat geworden. Ivan Steiger hat die deutsche Staatsbürgerschaft, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz und im Oktober 2009 auf der Prager Burg ebenso von Präsident Klaus ausgezeichnet. Seine alte Heimat sieht er jedoch mit dem kritischen Auge des Karikaturisten.
Ivan Steiger, wer die Frankfurter Allgemeine Zeitung liest, die FAZ, der kennt Sie. Aber genauso gut kennen Sie die Leser der englischen Times, der italienischen La Stampa, des französischen Figaro. Ihre politischen und gesellschaftlichen Karikaturen werden praktisch auf der ganzen Welt veröffentlicht. Obendrein sind Sie Buchillustrator, Buchautor auch für Kinderbücher. Sie sind Drehbuchschreiber, Regisseur und Produzent. So viel geballte Kreativität und Phantasie - sind Sie dennoch ein Mensch, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht, der in der Realität lebt?
„Na ja, ich weiß nicht, wie man das anders nennen soll. Das ist die Realität. Ich möchte nur bemerken, dass all das, was Sie hier eben genannt haben, keine Arbeit ist. Ich mache immer etwas und wenn ich müde bin, dann mache ich etwas anderes. Dann mache ich vielleicht einen Film. Also, mit der einen Arbeit kann ich mich sehr gut ausruhen von der anderen Arbeit. So lebe ich, und alles macht, also wirklich alles, macht riesigen Spaß. Dann muss ich eigentlich eher gewisse Medikamente nehmen, so dass ich wenigstens nicht im Schlaf arbeite.“
Sie haben 1958 angefangen an der FAMU, an der Prager Filmakademie zu studieren, unter anderem auch bei Milan Kundera. Wie sind Sie dann zum Zeichnen gekommen? Das ist ja das, wodurch Sie hauptsächlich bekannt geworden sind.
„Das ist eine wirklich sehr triviale Antwort, die ich Ihnen jetzt gebe. Und zwar war ich bei meinem Vater über eine gewisse Weihnacht vor vielen Jahren. Er ist ein Sammler. Er hat sich Blätter vorbereitet für Briefmarken und hat sie zurecht geschnitten, weil die Blätter zu groß waren. Und ich habe diese Schnipsel zu Hause gefunden und komischerweise lag daneben eine Feder und ich habe angefangen zu zeichnen. Und durch meine gewissen Frechheit hatte das schon eine Woche später die prestigereichste Zeitung, die ´Literární noviny´ abgedruckt.“
Wie alt waren Sie da?
„Da war ich schon um die 20 oder ein bisschen über 20 Jahre alt. Das war natürlich sehr schön, weil ich sehr schnell berühmt war. Und die Honorare wurden bei einer Kasse ausgezahlt. Und bei dieser Kasse war ich zusammen mit großen Schriftstellern, immer freitags im Schriftstellerverband. Das war wunderbar.“
In der Tschechoslowakei damals?
„Richtig, in der Tschechoslowakei. Und ich habe damals 30 bis 40 Karikaturen am Tag gemacht. Und natürlich auch in der Schule unter der Schulbank. Da hat mich auch Milan Kundera mehrmals erwischt. Aber er hat die Bilder geliebt.“
Sie haben aber in dem Sinne keine Zeichenausbildung gemacht. Sie haben das – wenn ich es mal so sagen darf – aus der Zeichenfeder geschüttelt?
„Ja, ich bin Autodidakt. Das Schreiben natürlich, das ist mein Handwerk. Und Denken ist mein Handwerk. Und die Schule, diese Akademie, hat mich gelehrt zu analysieren. Probleme zu analysieren, verkürzen, das Charakteristische irgendwie – ja ich sage gern – ´auszucucen´“, (dt-tschech. Konstrukt: herauszusaugen, Anm. d. Red.).
Ihre Zeichnungen in der FAZ, das sind sehr einfache Strichzeichnungen, sehr liebenswürdige Männchen, die Sie da zeichnen, aber dennoch mit einer gewissen Schärfe in der Aussage. Woher nehmen Sie Ihre Ideen für die Karikaturen? Wann fällt Ihnen das ein, gibt es da bestimmte Situationen?
„Die Ideen kommen natürlich durch das Lesen. Oder natürlich aus dem Leben. Also dafür habe ich eine Nase und ein Auge. Das ist ein Gottesgeschenk wahrscheinlich.“
Sie haben schon in den 60er Jahren mit den Zeichnungen angefangen und haben auch schon Mitte der 60er Jahre an die Süddeutsche Zeitung ihre Karikaturen verkauft. Wie kam es dazu, dass für eine Westzeitung jemand aus dem Osten gezeichnet hat? Wie kamen die auf Sie?
„Na ja, ich kam auf sie - nicht die auf mich! Also man hat mich nicht ausgesucht. Am Anfang war das so, dass ich die Klinken geputzt habe, wie man so schön sagt. Und mein erstes Honorar waren 40 Mark. Und das war ein Mordsgeld! Also das war wirklich sehr schön.“
Sie sind 1968 ins Exil gegangen, nach Deutschland. Wann genau sind Sie ausgereist?
„Zwei drei Tage später (nach der Invasion der Warschauer-Pakt-Truppen; Anm. d. Red.), also am 23. oder 24. August. Da hat uns die Grenzkontrolle gesagt: ´Auf Wiedersehen in besseren Zeiten´.“ (lacht)
Das ist dann ja auch gekommen. Aber bevor wir zu dem Punkt übergehen, bleiben wir noch mal kurz in Deutschland, bei Ihrem Anfang. Sie hatten ja schon eigentlich Arbeitskontakte geknüpft, über Ihre Karikaturen. War der Anfang dennoch schwer?
„Es war… also es war unglaublich schön und leicht. Alle haben uns geliebt. Und sofort hat mir die Zeitschrift „twen“ mit Willy Fleckhaus drei Seiten gegeben. ´Ivan, bleib hier´, hat er gesagt. Ja, und es war unglaublich schön. Wir haben umsonst gewohnt. Ich habe hunderte von Zeichnungen pro Woche abgedruckt in der ´Welt´. Das war unglaublich schön. Ich habe also diesen berühmten Senkrecht-Start gehabt. Im ersten Jahr gleich drei Bücher, und diese Bücher haben mir natürlich die Rückkehr in die Tschechoslowakei unmöglich gemacht. Also, es war klar, dass ich nicht mehr in die Tschechoslowakei zurückgehen kann. Aber ich wollte natürlich auch nicht.“
Sie haben in den 70er Jahren dann auch sehr viele Kurzfilme und Dokumentationen gemacht, Kinderbücher und auch Bibel-Illustrationen. „Ivan Steiger sieht die Bibel“, heißt der Titel – sind Sie ein gläubiger Mensch?
„Ich bin ein gläubiger Christ. Oder besser gesagt: Ich bin ein gläubiger Christ geworden, durch diese Arbeit. Also ich habe an Gott immer geglaubt. Ich habe als Kind sogar ministriert. Ja und dann habe ich also 10 oder 15 Jahre lang für die Protestanten die Monatsschrift gemacht.“
Ihre Sammelleidenschaft, die lassen wir jetzt mal außen vor. Darüber berichten wir ja noch gesondert – Sie haben zwei Spielzeugmuseen, eines haben Sie schon in den 80er Jahren in München eröffnet, seit vielen Jahren gibt es jetzt auch schon eines in Prag. In dem sitzen wir gerade, auf dem Prager Burggelände. Ich möchte aber noch mal kurz zurückkommen auf Ihre Rückkehr. Der Grenzer hatte damals gesagt „Auf Wiedersehen in besseren Zeiten“. Jetzt, 20 Jahre nach der Samtenen Revolution - Sie haben den Blick von außen – wie sieht es aus in der Tschechischen Republik?
„Weil ich so lange in Deutschland gelebt habe, habe ich festgestellt, dass ich eigentlich mehr inkliniere zur deutschen Kultur, zu der Art und der Ethik und all dem. Das alles hat mir irgendwie zuerst imponiert, und dann habe ich festgestellt, dass das eigentlich mein Parkett ist. Es ist sehr schwer zurückzukommen, wenn Sie etwas Besseres erlebt haben. Und - eine Bemerkung möchte ich noch machen. Die Tschechen, diese Gesellschaft ist gewissermaßen – ich möchte nicht sagen kaputt – aber das ist Materialismus. Und natürlich: ´Spirit´ (das Geistige, der Glaube; Anm. d. Red.) fehlt. Das sind Protestanten, das sind Hussiten. Also diese Gottesfurcht gibt es nicht. Und wenn es noch dazu keine Angst vor der Polizei gibt, dann ist das schon ein Chaos. Und wenn man einen Purzelbaum schlägt gleich zum Kapitalismus, dann merkt man das überall. Wenn man mich fragen würde – was natürlich noch nicht geschehen ist – da würde ich schon sagen: Der Glaube an Gott ist die einzige Lösung, also die einzige Möglichkeit, die dieses Volk – mein Volk eigentlich – bessern kann.“
Dieser Beitrag wurde am 29. November 2009 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.