Kater Schnurr und Bällchen Schnellchen: Zum Jubiläum von Illustratorin Helena Zmatlíková

Ausstellung Helena Zmatlíková dětem

Die Kinderbuchillustratorin Helena Zmatlíková hat fast 300 Bücher illustriert. Viele davon sind auch in Fremdsprachen übersetzt worden. Auf Schloss Chvaly ist derzeit eine Auswahl aus dem Werk der international renommierten Künstlerin zu sehen.

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Kinderbuchillustratorin Helena Zmatlíková (1923–2005) hätte am 19. November dieses Jahres ihren 100. Geburtstag begangen. Aus diesem Anlass wurde auf Schloss Chvaly eine Ausstellung mit Teilen ihres Werkes eröffnet. Diese entstand in Zusammenarbeit mit dem Sohn der Künstlerin, Ivan Zmatlík, und dem Verlag Artur. Der Kurator der Ausstellung, Ondřej Sedláček, dazu:

„Mehr als 100 Illustrationen sind in der ersten Etage des Schlosses zu sehen. Da wir oft Ausstellungen zeigen, die vor allem für Kinder bestimmt sind, haben wir die Schau um eine künstlerische Werkstatt für die jüngsten Besucher ergänzt. Die Inspiration dafür sind die Bücher, für die Helena Zmatlíková mit Preisen geehrt wurde. Zwei Säle im Souterrain haben wir in Spielräume verwandelt. Die Vorlage hierfür waren die Illustrationen zu Astrid Lindgrens Buch ,Wir Kinder aus Bullerbü‘.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die ältesten Originalillustrationen, die gezeigt werden, stammen aus den 1940er Jahren, die jüngsten vom Anfang des 21. Jahrhunderts.

Der Sohn der Kinderbuchillustratorin, Ivan Zmatlík, ist Theaterregisseur und Dramaturg. Mit seiner Mutter gründete er 1990 den Verlag Artur, der sich auf Kinderbücher und in den letzten Jahren auch auf Theaterliteratur konzentriert. Zmatlík stellte die Ausstellung auf Schloss Chvaly mit den dortigen Mitarbeitern zusammen. Das Ziel sei es dabei gewesen, die beliebtesten Buchillustrationen neben völlig unbekannten Bildern zu zeigen, merkt er an:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Die kaum bekannten Werke, von denen es noch viel mehr gibt, stammen vom Anfang der künstlerischen Karriere meiner Mutter. Sie hat ursprünglich Verschiedenes gemacht. Mit 16 Jahren zeichnete sie beispielsweise Witze. Das war während des Kriegs. Diese Zeichnungen bot sie verschiedenen Zeitungsredaktionen an. Sie studierte damals Grafik. Zudem war sie ausgebildete Schneiderin, aber diesen Beruf übte sie nie aus. Sie zeichnete jedoch Kleiderentwürfe für verschiedene Wochenmagazine. Zudem schuf sie auch Keramik und viele Zeichnungen. In der Ausstellung werden nur einige Beispiele von Skizzen aus ihrer Jugend gezeigt.“

Besonders beliebt in Japan

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Viele der Kinderbücher, die Helena Zmatlíková illustrierte, sind auch in den deutschsprachigen Ländern bekannt. Dazu gehören „Kater Schnurr mit den blauen Augen“, „Es kochte eine Muttermaus“, „Gutenachtgeschichten“ und „Bällchen Schnellchen“. Laut Ivan Zmatlík sind die Kinderbücher mit den Illustrationen von seiner Mutter in etwa 15 Ländern bekannt.

„Die größten Anhänger hat sie in Japan. Seit 50 Jahren wird dort beispielsweise das Buch von Eduard Petiška ,Über den kleinen Apfelbaum‘ immer wieder herausgegeben. Ich erinnere mich daran, dass sie erzählte, dass einst eine japanische Delegation den Kinderbuchverlag Albatros besuchte. Man fragte die japanischen Gäste, was sie an diesem Buch über den Apfelbaum so fasziniert. Und die Japaner antworteten, dass in ihrem Land niemandem einfallen würde, über einen einzigen Apfelbaum ein Buch zu schreiben, wenn schon, dann über einen ganzen Apfelbaumgarten. Außerdem wurden die Kinderbücher mit den Illustrationen von meiner Mutter in sehr viele Sprachen übersetzt – vom Englischen über baltische und skandinavische Sprachen bis zu den slawischen Sprachen. Was Asien anbelangt, erscheinen die Bücher auch auf Koreanisch.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Kater Schnurr mit den blauen Augen“ ist Ivan Zmatlík zufolge am häufigsten auf Deutsch erschienen. Zmatlík macht zudem auf ein Märchenbuch aufmerksam, das in der ehemaligen DDR entstand.

„Der Domowina-Verlag kam gemeinsam mit den slowakischen Verlegern und dem tschechischen Verlag Albatros auf die Idee, eine Auswahl aus den westslawischen Märchen herauszugeben. Das Buch war ein Volltreffer. Es erschien in verschiedenen Sprachen (auf Deutsch hieß es ,Die gläserne Linde‘, Anm. d. Red.). In den letzten Jahren wurde das Buch in Kroatien und in Polen herausgegeben.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Schauspielerin, Skilehrerin? Illustratorin!

Anlässlich des 100. Jubiläums von Helena Zmatlíková erschienen im Prager Verlag Artur Bücher, die die Illustratorin den Worten von Ivan Zmatlík zufolge am meisten liebte: „Pinocchios Abenteuer“ und die „Suche nach dem Pflaumenduft“ von Ludvík Aškenazy. Wie arbeitete die Illustratorin mit den Schriftstellern zusammen? Ivan Zmatlík:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Auch wenn meine Mutter viele der Autoren gekannt hat, hat sie eine Begegnung mit ihnen eher gemieden. Sie wollte vor allem den Inhalt des Buchs kennen, das sie illustrieren sollte und wollte allein daran arbeiten. Eine Ausnahme stellte Ludvík Aškenazy dar, zu dem sie eine sehr gute Beziehung hatte. Ich würde sagen, dass Aškenazy sein Buch ,Suche nach dem Pflaumenduft‘ ohne meine Mutter nicht geschrieben hätte. Meine Mutter hatte in der Kindheit ein deutsches Büchlein, das ,Klein-Pitterleins Abenteuer‘ hieß. Sie erzählte Aškenazy darüber, und er machte daraus in seinem Buch einen Zwerg Namens Pitrýsek.“

Seine Mutter habe schon in ihrer Kindheit viel gezeichnet, sogar während des Unterrichts geheim unter der Bank, erzählt Ivan Zmatlík. Sie habe jedoch ursprünglich eine andere Vorstellung über ihre Künstlerkarriere gehabt, merkt er an:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Sie wollte ähnlich wie ihre Mutter Schauspielerin werden. Während des Kriegs lernte sie den Schneiderberuf, studierte Grafik und nahm privat Schauspielunterricht bei Eva Vrchlická (Schauspielerin im Prager Nationaltheater und Schriftstellerin, Anm. d. Red.). Später illustrierte sie eines von Vrchlickás Büchern. Kurz vor dem Kriegsende musste sich meine Mutter entscheiden, was sie machen will. Am meisten freute sie damals, dass ihr angeboten wurde, als Skilehrerin zu arbeiten. Aber es stellte sich die Frage, wo sie im Sommer arbeiten würde. Kurz vor dem Kriegsende war sie im Verlag Melantrich angestellt. Damals leitete der später renommierte Theatertheoretiker Josef Träger den Verlag. Er riet meiner Mutter von der Schauspielkarriere ab und überzeugte sie davon, dass sie sehr talentiert sei und als bildende Künstlerin arbeiten solle.“

Versteck für Freundin bei Flucht aus dem KZ

Ihre künstlerische Begabung entwickelte Helena Zmatlíková zuerst beim Studium an der privaten Ukrainischen Akademie von Grigori Mussatov. Der Maler hatte sich 1920 in der Tschechoslowakei niedergelassen. Anschließend studierte Zmatlíková Zeichnung und Grafik an der Schule von Leonard Rotter in Prag und schloss ihr Studium an der Schule für Grafik und Buchkunst Officina Pragensis ab. Eine ihrer Freundinnen, die sie während des Studiums kennenlernte, wurde während des Kriegs ins KZ verschleppt. Ivan Zmatlík erinnert an eine wenig bekannte Episode aus dem Leben seiner Eltern:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Im Januar 1945 gelang es dieser Freundin und weiteren fünf Mädchen während des Todesmarsches zu flüchten und nach Prag zu kommen. Meine Eltern nahmen sich der Mädchen an, eines davon hielten sie bei uns versteckt und für die anderen wurde nach einem Versteck bei anderen Familien gesucht. Sie haben alle überlebt. Ich war damals ein Jahr alt. Diese Freundin meiner Mutter hieß Lucie, sie emigrierte 1968 in die Schweiz. Meine Mutter hat nie viel darüber gesprochen. Sie wollte, dass ihre Arbeit zu sehen ist, aber das Private bemühte sie sich zu schützen.“

Hat seine berühmte Mutter auch für ihn gezeichnet und gemalt? Ivan Zmatlík schüttelt den Kopf:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Sie hat nie auch nur ein einziges Bild für mich gezeichnet. Dafür hat sie aber mit großer Sorgfalt meine Schrift im Heft in der ersten Klasse korrigiert, als ich schreiben lernte. Wenn dort etwas aus der Zeile rutschte, nahm sie den Pinsel in die Hand und übermalte es mit weißer Farbe.“

Ivan Zmatlík räumt ein, er habe bereits darüber nachgedacht, eine Biografie seiner Mutter zu verfassen, da er sehr viele Erinnerungen habe. Bisher habe er dies aber nicht geschafft. Und außerdem sei es ihm viel wichtiger, dass die Bücher, die sie illustrierte, weiterleben.

Die Ausstellung mit den Werken von Helena Zmatlíková ist auf Schloss Chvaly am Stadtrand von Prag bis 12. Mai 2024 zu sehen. Das Schloss ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet.

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