Keine Kreuzchen, nicht am Sonntag: Das tschechische Wahlsystem

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In Tschechien wird gewählt - aber wie eigentlich? Thomas Kirschner hat sich über die technische Seite der Wahlen schlau gemacht. Das erste, worauf man aufmerksam machen sollte, ist, dass es eigentlich falsch ist, von den tschechischen "Parlamentswahlen" zu sprechen.

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Gewählt wurde nämlich nicht das gesamte Parlament, sondern nur die untere Kammer, das Abgeordnetenhaus, und zwar für vier Jahre bis 2010 - also etwa entsprechend der Bundestagswahlen in Deutschland. Tschechien ist dazu in 14 Wahlkreise eingeteilt, die sich mit den 14 Landkreisen decken. Es gilt das Verhältniswahlrecht, das heißt, die 200 Mandate im Abgeordnetenhaus werden anteilig nach dem Wahlerfolg der Parteien vergeben, wobei es wie in Deutschland eine 5-Prozent-Sperrklausel gibt. Übrigens lohnt es sich für die Wähler auch deshalb, zur Wahl zu gehen, weil die Mandate nach der Zahl der abgegebenen Stimmen auf die Landkreise verteilt werden - der Kreis mit der höchsten Wahlbeteiligung ist also relativ am besten im Abgeordnetenhaus vertreten.

Vielleicht kannst Du noch einmal zusammenfassen, wer eigentlich zur Wahl steht?

Insgesamt treten 25 Parteien und Gruppierungen mit fast 5000 Kandidaten an. Das Spektrum reicht von den renommierten Parteien bis hin zu eher kuriosen Splittergruppen wie der "Bewegung zur Unterstützung der freiwilligen Feuerwehr". Jeder Wähler hat dabei eine Stimme, kann also eine Partei auswählen. Unter den Kandidaten dieser Partei kann er dann aber noch einmal zwei so genannte Präferenzstimmen verteilen. Wenn ein Kandidat nun mehr als sieben Prozent der Präferenzstimmen bekommt, die für seine Partei in seinem Wahlkreis abgegeben wurden, dann springt er auf der Liste ganz nach oben. So gibt es also auch die Möglichkeit, direkt eine bestimmte Person zu wählen.

Das heißt aber, dass auf den Wahlzetteln auch wirklich alle Kandidaten aller Parteien sein müssen, die in dem Wahlkreis antreten?!

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Das stimmt, aber damit die Wähler nicht in der Wahlkabine plakatgroße Wahlzettel durchstudieren müssen, gibt es in Tschechien ein gewisses Kuriosum: Man bekommt die Wahlzettel nämlich schon ein paar Tage vor der Wahl, und zwar gleich einen ganzen Satz: für jede Partei ein eigenes handliches Papier. Das heißt, man kann die Wahlzettel zu Hause schon mal in Ruhe durchsehen; im Wahllokal kriegt man dann einen Umschlag, in dem man den Wahlzettel "seiner" Partei eventuell mit den gekennzeichneten Präferenzstimmen in die Urne wirft. Für die Hauptstimme ist also gar kein Kreuzchen notwendig.

Wenn von einem Kuriosum die Rede ist, dann gilt das wohl auch für die Öffnungszeiten der Wahllokale - was hat es damit auf sich?

In Tschechien wird traditionell sozusagen zweimal halbtags gewählt - nämlich freitags von 14 bis 22 Uhr und samstags dann nochmals von acht bis 14 Uhr. Das ist tatsächlich Rücksichtnahme auf die Nationalkultur, denn die Tschechen verbringen ihre Wochenenden am liebsten im Wochenendhäuschen, und das ist nicht selten weit weg von daheim und vom Wahllokal.