Keine Neuwahlen: Abgeordnetenhaus lehnt Selbstauflösung ab

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Vorgezogene Neuwahlen wird es in Tschechien vorläufig nicht geben. Für den historisch ersten Antrag auf Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses hat sich am Mittwoch nicht die notwendige Mehrheit gefunden.

Das Abgeordnetenhaus lehnt Selbstauflösung ab  (Foto: ČTK)
Vor vier Wochen musste Premier Petr Nečas wegen einer Bespitzelungs- und Bestechungsaffäre in seinem Umfeld zurücktreten. Staatspräsident Miloš Zeman ernannte danach eine so genannte „Expertenregierung“ unter Premierminister Jiří Rusnok. Dabei hatte Zeman keine Rücksicht darauf genommen, dass die ehemalige liberal-konservative Regierungskoalition über eine Stimmenmehrheit im Abgeordnetenhaus verfügt. Die Sozialdemokraten (ČSSD) wollten indes weder die alte Koalition noch die Beamtenregierung von Zeman und beantragten die Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses. Es gelang ihnen jedoch nicht, den Vorschlag am Mittwoch durchzusetzen. Die für die Auflösung erforderliche Dreifünftel-Mehrheit beträgt 120 Stimmen, für den Antrag der ČSSD stimmten jedoch nur 96 von 188 anwesenden Parlamentariern. Die Vertreter der bisherigen Regierungskoalition unterstützten die Selbstauflösung des tschechischen Unterhauses nicht. Miroslav Kalousek, Vizeparteichef der Top 09, einer der Koalitionsparteien, sagte warum:

Miroslav Kalousek  (Foto: ČTK)
„Die Legislaturperiode sollten wir nur dann abkürzen, wenn es keine Stimmenmehrheit im Abgeordnetenhaus gibt. Außerdem spricht das Verhalten des Staatspräsidenten gegen eine Auflösung. Er hat die Stimmenmehrheit ignoriert und eine Regierung nach seinen Vorstellungen ernannt, es gibt also keine Garantie dafür, dass er sich nach den Neuwahlen nicht genauso verhalten würde. Wir haben das Gefühl, ihm klarmachen zu müssen, dass sein Versuch der jetzigen Regierungsbildung unglücklich ist. Daneben darf die Kontrollfunktion des Abgeordnetenhauses nicht vergessen werden. Rusnoks Regierung besteht aus Personen, die sich nicht den Wählern gegenüber zu verantworten brauchen. Dieses Kabinett ohne Kontrolle regieren zu lassen, wäre ein Versagen des Abgeordnetenhauses.“

Lubomír Zaorálek  (Foto: ČTK)
Der Vizechef der Sozialdemokraten Lubomír Zaorálek war vom Abstimmungsergebnis enttäuscht. Seiner Meinung nach sei nichts gelöst worden:

„Leider begeben wir uns auf den Weg einer schleppenden Krise. Nichts ist sicher, es kann sein, dass wir noch zehn Monate lang weiter diesen Weg entlang taumeln. Daher sehe ich in der Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses kein Risiko.“

Nach Meinung von Milan Znoj, Politikwissenschaftler an der Prager Karlsuniversität, zeigt sich das Parlament schwach und zerstritten. Präsident Miloš Zeman könne mit der Volksvertretung machen, was er wolle, so der Experte:

Milan Znoj  (Foto: Archiv des Zentrums der Globalstudien)
„Ich glaube, das Abgeordnetenhaus hat nur bestätigt, dass es nicht imstande ist, entschieden zu handeln. Es gibt dort keinen Willen, die Regierungskrise zu beenden.

Der Publizist und Kommentator Bohumil Doležal spricht vom Versagen der drei stärksten Parlamentsparteien – der Sozialdemokraten und der beiden Koalitionsparteien ODS und Top 09:

„Das Hauptproblem ist Präsident Zeman mit seinen Machtambitionen, denen sie nur alle drei gemeinsam entgegenwirken könnten. Wenn es Zeman gelingt, sie gegeneinander auszuspielen, haben sie keine Chance.“

Die von Zeman ernannte Regierung Rusnok wird am 8. August die Vertrauensfrage im Abgeordnetenhaus stellen. Bislang verweigern die drei stärksten Parteien dem Expertenkabinett offiziell ihre Unterstützung. In den Reihen der ČSSD gibt es aber inzwischen Stimmen, die eine Unterstützung nicht mehr kategorisch ausschließen.