„Keine Partei hat eine reine Weste“ – Politologe Schuster über Korruption in Tschechien
Kaum sind die großen Reformen der gegenwärtigen bürgerlichen Regierung vom Parlament verabschiedet und auf den Weg gebracht worden, ist das Thema Korruptionsbekämpfung wieder in den Fokus der Öffentlichkeit zurückgekehrt. Unter anderem auch wegen einer Kampagne des milliardenschweren Unternehmers Andrej Babiš. Schon seit Wochen macht er in diversen Talkshows und auch mit ganzseitigen Inseraten in tschechischen Zeitungen auf sich aufmerksam, indem er gegen Filz und Vetternwirtschaft wettert. Seit geraumer Zeit finanziert er sogar die so genannte „Bewegung unzufriedener Bürger“, die seinen Vorstellungen nach zur Speerspitze des Kampfes gegen die Korruption werden soll. Über die Kampagne und das Problem der Korruption in Tschechien nun ein Interview mit unserem Mitarbeiter, dem Politikwissenschaftler Robert Schuster.
„Das frage ich mich ehrlich gesagt auch. Andrej Babiš ist laut Statistiken der drittreichste Tscheche. In der Zeit, als er zu seinem großen Vermögen gekommen ist, schien Korruption kein Thema für ihn zu sein, jedenfalls hat er sich nicht dazu geäußert. Das hängt aber auch damit zusammen, dass es zu der Zeit, als Babiš zu seinem Reichtum kam, wirklich noch ´etwas zu verteilen gab´. Es wurde privatisiert, und die riesengroßen staatseigenen Betriebe wurden an private Interessenten verkauft. Dabei hat Andrej Babiš das große Geld gemacht. Er hat auch den Kontakt zu Politikern gesucht und galt als Unternehmer, dem eine gewisse Nähe zur sozialdemokratischen Partei nachgesagt wurde. Die früheren Regierungschefs Miloš Zeman und vor allem Stanislav Gross waren relativ eng mit Andrej Babiš befreundet. Das wirft eher eine Reihe von Fragen auf. Deswegen kann ich mir gut vorstellen, dass er jetzt sein Image aufpolieren möchte. Vielleicht hat Andrej Babiš aber auch jetzt ganz andere Vorhaben, als sich nur seinem Unternehmensimperium zu widmen.“
Wenn jemand, wie Babiš, bereit ist einen nicht geringen Teil seinen Vermögens in eine politische Kampagne zu stecken, dann wird er wohl – ganz Unternehmer – auch Ergebnisse sehen wollen. Was könnte das Ziel von Babiš sein? Ein Sitz im Parlament?
„Das ist eine gute Frage. Wenn jemand eine Kampagne so groß anlegt wie Andrej Babiš und scheinbar keine Kosten scheut, dann ist ein Parlamentssitz, meiner Meinung nach, zu wenig. Seine Bewegung bezeichnet sich selbst ganz strikt als Bewegung und nicht als politische Partei, damit grenzt sie sich von den etablierten politischen Parteien ab. Würde diese Bewegung dann ins Abgeordnetenhaus einziehen, wäre sie nur eine von fünf oder sechs anderen Parteien. Nach wenigen Wochen wäre sie dann wahrscheinlich vergessen, niemand würde mehr über diese Gruppierung sprechen. Ich denke, das Ziel von Andrej Babiš ist die Präsidentschaftswahl 2013. Es ist noch nicht endgültig geklärt, ob es eine Direktwahl geben wird. Mit seinen Millionen oder Milliarden, die er in eine solche Kampagne stecken würde, und mit einer solchen Bewegung im Hintergrund könnte er sicherlich ein gutes Ergebnis erzielen. Ich glaube nicht, dass er es zum Präsidenten schaffen würde, das wäre wahrscheinlich zu viel erwartet. Aber immerhin könnte er etwas bewegen und vielleicht auch die anderen Kandidaten, also wahrscheinlich die Kandidaten der klassischen politischen Parteien in eine gewisse Zwickmühle bringen und vielleicht auch zu einem gewissen Themenwechsel bewegen. Das sind meiner Meinung nach die Ziele von Andrej Babiš.“Warum tut man sich in Tschechien so schwer, die Korruption zu bekämpfen? Immerhin gibt es wohl kein anderes Thema, bei dem sich Linke und Rechte einig sind, dass endlich etwas getan werden muss…
„Die einzige Erklärung dafür ist, dass die Korruption weit verbreitet ist und sich durch die ganze Gesellschaft zieht. Es ist deswegen kein Thema speziell nur für linke oder rechte Parteien. Auch müssen alle Maßnahmen dagegen die gesamte Gesellschaft berücksichtigen. Was hilft es, wenn man jetzt überlegt, private Aktienvermögen stärker zu kontrollieren, um zu verhindern, dass undurchsichtige Firmen an große öffentliche Aufträge gelangen. Man muss auch im Kleinen beginnen, auf der kommunalen Ebene. Dort geht es um weitaus geringere Beträge, aber dort beginnt die Korruption. Wer bekommt beispielsweise den Zuschlag für die Renovierung des Rathauses? Welche Baufirma darf die örtliche Kanalisation bauen? Das sind die Bereiche, die natürlich angegangen werden müssen. Bedenklich ist auch, dass alle politischen Parteien irgendwie wohl in Verbindung mit Korruption stehen. Vor wenigen Jahren gab es einen interessanten Versuch der Tageszeitung ‚Mladá fronta Dnes’. Ein Journalist hatte sich als Vertreter einer Lobbyagentur ausgegeben. Sein Ziel war es, einen Abgeordneten ausfindig zu machen, der bereit wäre, das Lottogesetz im Sinne der großen Lottogesellschaften im Land zu beeinflussen. Und er wollte herauszufinden, was das kosten würde. Das Ergebnis war äußerst interessant, weil viele Abgeordnete von links bis rechts sich bereiterklärten, auf einen Deal einzugehen. Sogar ein Kommunist war dabei. Das wurde natürlich mit verdeckter Kamera aufgenommen und dann veröffentlicht. Es zeigt, dass wirklich alle von diesem Problem betroffen sind, und dass man wohl von keiner politischen Partei sagen kann, sie habe eine reine Weste. Leider.“