Klassische Produktionen, experimentelle Stücke, Kinderoper: Musiktheater-Festival in Prag
Die interessantesten Opernproduktionen sowie zeitgenössische Stücke alternativer Theaterensembles aus Tschechien und der Slowakei werden in den nächsten Wochen in Prag präsentiert. Das Festival „Opera 2025“ wird am Mittwoch, 29. Januar, eröffnet.
Das große Musiktheater-Festival findet nach drei Jahren wieder in Prag statt. Unter dem Titel „Opera 2025“ werden bis zum 18. April Vorstellungen an verschiedenen Orten der tschechischen Hauptstadt aufgeführt. Lenka Šaldová ist Theaterwissenschaftlerin und arbeitet im Prager Nationalmuseum. Sie leitet das Festival seit dem Jahr 2000. Gegenüber Radio Prag International sagte die Expertin:
„Die 16. Auflage des Festivals hat das umfangreichste Programm in der Geschichte des Festivals. Es werden insgesamt 25 Musikprojekte vorgestellt. Die Opernhäuser wählen selbst die Produktion aus, mit der sie nach Prag kommen. Es handelt sich in der Regel um eine aus dramaturgischer Sicht beachtenswerte Vorstellung oder um eine innovative Bearbeitung eines klassischen Werks. Ich möchte daran erinnern, dass es in Tschechien außerhalb von Prag noch acht Operntheater und in der Slowakei drei Opernhäuser gibt. Viele Projekte entstehen jedoch außerhalb von diesem stabilen Netz von Opernhäusern. Wir bemühen uns, möglichst viele Ensembles einzuladen, um dem Publikum eine Übersicht davon zu vermitteln, was sich hierzulande im Bereich Musiktheater abspielt.“
Die Festivaldirektorin merkt an, dass das Festival auch aus dem Grund veranstaltet werde, um über das Theatergeschehen zu diskutieren.
„Wir wollen nach jeder Vorstellung eine Diskussion mit den Zuschauern organisieren. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass wir ein treues Festivalpublikum haben. Dieses hat Interesse, mit den Darstellern und Regisseuren zusammenzutreffen und ihre Eindrücke zu besprechen. Außerdem werden intensive Diskussionen in den Theaterkritikerkreisen auch in den Pausen geführt. Wir laden viele Menschen aus den Fachkreisen zum Festival ein. Sie haben dadurch die Möglichkeit, in Prag Vorstellungen zu sehen, wegen denen sie sonst in die Regionen oder in die Slowakei reisen müssten.“
Comenius als Opernstar
Wie hoch ist das Interesse für Oper und Musiktheater überhaupt außerhalb von Prag? Werden eher altbewährte Stücke oder völlig neue Werke bevorzugt? Lenka Šaldová:
„Es kommt darauf an, was für eine Theatertradition die konkrete Stadt hat und ob die Theater imstande sind, ihr Publikum anzusprechen und zu erziehen. Das Südböhmische Theater aus České Budějovice wird sich beim Festival mit der Oper ,Komenský‘ (Comenius, Anm. d. Red.) präsentieren. Es ist ein Auftragswerk, das der Gegenwartskomponist Jan Jirásek speziell für das Südböhmische Theater geschrieben hat. Obwohl es ein neues Werk ist und man meinen könnte, dass das Publikum eher zurückhaltend wäre, sind die Vorstellungen in Budweis komplett ausverkauft. Das Stück gehört zu den erfolgreichsten Produktionen im dortigen Theater überhaupt. Wir können nicht behaupten, dass die Zuschauer nur klassische Werke sehen möchten und Neues meiden würden. Wichtig ist, denke ich, wie geschickt das Theater dem Publikum die Vorstellung anbietet.“
Völlig neue Werke werden der Festivaldirektorin zufolge nicht nur in klassischen Opernhäusern aufgeführt. Sie nennt ein Beispiel:
„Das Ensemble Opera Diversa schenkte sich zum 20. Jahrestag des Bestehens eine neue große Oper mit dem Titel ,Druhé město‘ (,Die andere Stadt‘). Als Vorlage diente dem Komponisten Ondřej Kyas der gleichnamige Roman von Michal Ajvaz. Diese Oper ist jedoch sehr verständlich und gleichzeitig effektvoll.“
Auf dem Festivalprogramm stehen auch zwei völlig neue Produktionen der Prager Opernhäuser. Cherubinis „Medea“ hatte vorige Woche im Ständetheater Premiere. Puccinis „Manon Lescaut“ wird erst Ende März in der Staatsoper Premiere feiern. Lenka Šaldová:
„Das Prager Nationaltheater ist auf jeden Fall unser wichtigster Partner. Denn es stellt uns seine Räumlichkeiten zu günstigen Bedingungen zur Verfügung. Nur dadurch kann das Festival überhaupt veranstaltet werden.“
Vorstellung in der Villa Winternitz
Wie schon bei den vergangenen Jahrgängen suchten die Veranstalter aber auch nach neuen, weniger traditionellen Räumlichkeiten für die Vorstellungen.
„Für jedes der Projekte versuchen wir, möglichst passende Räumlichkeiten zu finden. Deshalb führen wir die Vorstellungen auch in Sälen auf, in denen normalerweise keine Opern gespielt werden. Dazu gehören etwa die Theater La Fabrika und Studio Hrdinů. Während der vergangenen drei Jahre entstanden jedoch auch völlig neue Theaterräume. Zwei Vorstellungen finden im Kulturzentrum Vzlet im Stadtteil Vršovice statt. In der Reithalle Savarin wird ein Liederprojekt aufgeführt. Eine Vorstellung führen wir auch in der Villa Winternitz auf. Auf diesen sehr experimentellen Abend freue ich mich besonders.“
Die Festivalveranstalter denken bei jedem Jahrgang auch an die Kinder. Diesmal gebe es sogar gleich drei Familienvorstellungen, merkt Lenka Šaldová an.
„Das Ensemble der Staatsoper aus Banská Bystrica führt in Prag die Oper ,Der kleine Prinz‘ von Rachel Portman auf. Es freut mich, dass das Ständetheater inzwischen schon fast ausverkauft ist. In Banská Bystrica ist das Interesse für das Stück so groß, dass die Zuschauer auf eine Warteliste gesetzt werden. In Zusammenarbeit des Brünner Nationaltheaters mit dem Prager Spejbl-und-Hurvínek-Theater entstand eine Vorstellung unter dem Titel ,Hurvínek verkauft die Braut‘. Das reizvolle Stück kann die Kinder davon überzeugen, dass sie keine Angst vor der Oper haben sollten und dass Opernsänger eigentlich ganz nette Menschen sind. Und schließlich bieten wir eine Vorstellung der Kinderoper Prag an. Das Ensemble leistet schon seit Jahren eine hervorragende Arbeit und ermöglicht Kindern, selbst auf der Bühne zu stehen. Es hat die Oper ,Der dicke Urgroßvater und die Räuber‘ von Jaroslav Křička einstudiert. Sie wird in der Stadtbibliothek gespielt, und ich denke, dass sie Kindern verschiedenen Alters gefallen kann.“
Ausländische Besucher in tschechischen Theatern
Nicht nur das tschechische Publikum besucht die Opernhäuser hierzulande. Vielen ausländischen Opernfans begegnet man beispielsweise im Nationaltheater in Brno / Brünn. Zuschauer aus Deutschland reisen auch oft in die Oper nach Liberec / Reichenberg, Plzeň / Pilsen und České Budějovice / Budweis. Musikfreunde aus Polen haben es wiederum in die Theater in Ostrava / Ostrau und Opava / Troppau nicht weit. Die Festivaldirektorin dazu:
„Das ganze Operntheaternetz hierzulande knüpft teilweise an die ursprüngliche deutschsprachige Theatertradition an. Es ist klar, dass einige der Theater auch mit dem deutschsprachigen Publikum rechnen. Bei den Opernproduktionen werden in diesen Städten auch deutsche Untertitel genutzt. Das Opernensemble in Brünn hat inzwischen einen so guten Ruf, dass dorthin Zuschauer aus der ganzen Welt reisen – und dies nicht nur während des Janáček-Festivals, sondern sie kommen auch wegen ganz bestimmten Produktionen. Ich bin davon überzeugt, dass die hiesigen Opernhäuser auch im internationalen Vergleich bestehen können.“
Zu den Festivalmagneten gehört laut Lenka Šaldová beispielsweise die Oper „Salome“ von Richard Strauss. Die Produktion vom Nationaltheater Brünn in der Regie von David Radok wurde bereits mit Preisen geehrt. Das Interesse für die Vorstellung in Prag sei hoch, meint die Festivaldirektorin. Wie sieht es derzeit sonst mit dem Kartenverkauf aus?
„Es ist auf jeden Fall noch möglich, Karten zu kaufen. Einzelheiten dazu finden sich auf der Website des Festivals. In einigen der kleineren Säle werden die Tickets schneller verkauft. Fast ausverkauft ist beispielsweise Rachel Portmans Oper ,Der kleine Prinz‘ im Ständetheater, in dem es jedoch rund 650 Zuschauerplätze gibt.“
Bei dem Festival konnten sich die Zuschauer zuletzt immer bei einer Bewertung der Produktionen sowie der Darsteller einbringen. Dies gilt auch in diesem Jahr. Nach jeder Vorstellung können die Besucher einen Umfragezettel ausfüllen, auf dem sie die Inszenierung mit Noten bewerten. Anhand dieser Bewertungen werden zum Abschluss des Festivals zwei Zuschauerpreise verliehen: für die beste Produktion und den besten Darsteller. Lenka Šaldová:
„Wir verleihen insgesamt fünf Festivalpreise, die sogenannten ,Libuškas‘. Zwei davon sind die Zuschauerpreise. Zudem gibt es eine Jury, die aus fünf Musikkritikern zusammengesetzt ist. Diese entscheidet über zwei Festivalpreise, und ich selbst verleihe den Preis der Festivaldirektorin. Die Preise werden erst später in den gewürdigten Opernhäusern übergeben. Das hat Sinn, denn das Ensemble erhält den Preis so vor seinem eigenem Publikum und zeigt, dass es beim Prager Festival gepunktet hat.“
Das Festival „Opera 2025“ wird am 29. Januar im Prager Ständetheater eröffnet. Auf dem Programm steht Janáčeks Oper „Katja Kabanowa“, gespielt vom Schlesischen Theater Opava. Die weiteren Veranstaltungen finden bis zum 18. April statt. Mehr erfahren Sie unter www.festival-opera.cz/en.