Von Barock zur Gegenwart: Opernfestival in Prag

Griechische Passion (Foto: Jan Procházka, Archiv des Festivals Opera)

Alle zwei Jahre präsentieren tschechische Theater die interessantesten Opernvorstellungen bei einem Festival in Prag.

Lenka Šaldová  (Foto: Vojtěch Havlík,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Tschechische Opern aus dem 20. Jahrhundert, populäre italienische Operntitel sowie fast vergessene Werke – von der Barockoper bis zur Gegenwartsmusik. Das Festival des Musiktheaters in Prag ermöglicht Opernfans, Werke aus verschiedenen Epochen zu sehen und neben Prager Ensembles auch Musiktheater aus den Regionen kennenzulernen. Das Festival mit dem Titel „Opera“ entstand 1993. Denn nach der Wende von 1989 habe sich die politische und gesellschaftliche Situation geändert, erzählt Festivaldirektorin Lenka Šaldová.

„Theater, deren Träger und Eigentümer zuvor der Staat war, wurden von den Städten übernommen. In einigen davon stellte man sich damals die Frage, ob sich die Stadt ein Opernhaus überhaupt erlauben könnte. Wir kamen damals auf die Idee, zu zeigen, dass es auch in den Regionen sehr gute Opernhäuser gibt. Das war der erste Anlass für das Festival.“

Am Festival können alle tschechische Opernensembles und seit 2015 auch alle drei slowakischen Opernhäuser teilnehmen. Die Theater können selber darüber entscheiden, welche Inszenierung sie in Prag vorstellen möchten, erzählt die Festivaldirektorin.

„Sie können die Vorstellung präsentieren, auf die sie besonders stolz sind und die ihrer Meinung nach die Entwicklung des Ensembles in Richtung modernes Musiktheater am besten belegen.“

Nicht nur Prager Opernhäuser

In Prag gibt es zurzeit das Opernensemble des Nationaltheaters und der Staatsoper. Acht weitere Opernhäuser gibt es in anderen Städten Tschechiens, darunter in Liberec / Reichenberg, Plzeň / Pilsen, Brno / Brünn oder Opava / Troppau. Am Festival nehmen aber auch einige weitere Ensembles teil.

Ensemble Damian  (Foto: Juandev,  CC BY-SA 3.0)
„Seit den 1990er Jahren entstanden hierzulande verschiedene Opernensembles oder Opernprojekte, die keine eigene Spielstätte haben und in keinem der großen Theater spielen. In den letzten Jahren bemühen wir uns darum, auch ihre Vorstellungen beim Festival aufzuführen. Wir versuchen alle Ensembles anzusprechen, die in den letzten Jahren eine Oper einstudiert haben. Sie stellen in Prag entweder eigene Projekte vor oder kommen mit einer speziell gestalteten Barockoper in die Hauptstadt, wie beispielsweise das Ensemble Damian.“

Der Großteil der Organisatoren des Festivals sind Musikkritiker, die öfter auch Operntheater in den Regionen besuchen. Die Mehrheit der Inszenierungen, die beim Festival aufgeführt werden, habe sie oder einer ihrer Mitarbeiter gesehen, sagt Lenka Šaldová.

„Natürlich erklingen die Opern beim Festival in einer anderen Atmosphäre als auf der heimischen Bühne. Auch wenn wir die Oper kennen, ist es für uns ein Abenteuer, die Vorstellung beim Festival in Prag zu erleben.“

Buntes Programm für Kinder

„Le comte Ory“  (Foto: Marek Olbrzymek,  Archiv des Festivals Opera)
Zu den meist gefragten Titeln gehört in diesem Festivaljahrgang Gioacchino Rossinis Oper „Le comte Ory“, erzählt Šaldová. Das Nationaltheater Brünn führte das Werk im Frühjahr in tschechischer Premiere auf.

„Beim Festival werden zudem Werke gespielt wie Jules Massenets ,Thaïs‘ oder ,Medea‘ von Luigi Cherubini. Diese Opern wurden hierzulande nie gespielt beziehungsweise zuletzt in den 1920er Jahren. Genauso wenig fehlen die sozusagen klassischen Operntitel wie Verdis ,Macbeth‘ oder Puccinis ,Il Trittico‘. In diesem Jahr stehen auch zwei Vorstellungen auf dem Programm, die für Kinder bestimmt sind. Dazu gehört Ravels Oper ,Das Kind und die Zauberdinge‘, gespielt vom Südböhmischen Theater Budweis. Vor der Vorstellung gibt es ein Programm für Kinder und Eltern.“

Eine andere Oper haben Kinder selbst für andere Kinder einstudiert. Es handelt sich um eine Vorstellung des Opernstudios aus Ostrau. Die Musik schrieb der Ostrauer Komponist Edvard Schiffauer, das Libretto stammt von Schriftsteller Ivan Binar. Sie haben das Stück 1972 im Gefängnis geschrieben. Sie wurden damals beide vom kommunistischen Regime für die Aufführung eines kritischen Studentenmusicals zu Haftstrafen verurteilt.

Griechische Passion aus Olmütz

Griechische Passion  (Foto: Jan Procházka,  Archiv des Festivals Opera)
Viele der Zuschauer besuchen das Festival regelmäßig seit Jahren, merkt die Expertin an.

„Es freut mich sehr, dass mich viele Menschen auch während der Zeit zwischen den Festivals ansprechen und nach dem Programm der kommenden Festspiele fragen. Diese Zuschauer besuchen meistens mehrere Vorstellungen, sie schätzen die Chance, die Operntheater vergleichen zu können. Das Festival veranstalten wir in erster Linie für dieses Publikum. Wir bemühen uns, allen Opernliebhabern entgegenzukommen – die Ticketpreise sind beim Festival niedriger als die üblichen Prager Preise.“

Das Mährische Theater aus Olomouc / Olmütz eröffnete das Festival am Dienstag mit Bohuslav Martinůs Oper „Die griechische Passion“. Dirigent Miloslav Oswald leitet das Opernensemble in Olmütz:

„Ich bin davon überzeugt, dass ,Die griechische Passion‘ zu den wichtigsten Opernwerken des 20. Jahrhunderts gehört. Derjenige, der sie mehrmals gehört oder gesehen hat, weiß, dass sie in Wahrheit über die heutige Welt erzählt.“

Die Vorstellung hat den Besuchern gefallen, die Musiker aus Olmütz wurden mit lange andauerndem Beifall vom Publikum belohnt.

Auch für deutsches Publikum

„Hamlet“  (Foto: Martin Popelář,  Archiv des Festivals Opera)
Die Festivalveranstalter denken auch an ausländische Besucher. Die Infomaterialien sind auch in englischer Sprache verfügbar. Einige der Operntheater nutzen bei den Vorstellungen englische oder deutsche Übertitel.

„In den Regionaltheatern im Grenzgebiet ist es üblich, die Programmhefte auch in deutscher Sprache herauszugeben. Ich bin davon überzeugt, dass viele kulturbegeisterte Besucher Prags dank dem Festival erfahren, wie groß das Netz von Opernhäusern in Tschechien und in der Slowakei ist.“

Der Festivaldirektorin zufolge gibt es für alle Vorstellungen noch Restkarten. Einige Aufführungen sind jedoch fast ausverkauft. Die Kassenschlager sind dabei Rossinis „Le comte Ory“ sowie die Oper „Hamlet“ von Ambrois Thomas, für die das Mährisch-Schlesische Nationaltheater mit einigen Preisen ausgezeichnet wurde. Der österreichische Bariton Thomas Weinhappel erhielt für die Titelrolle den tschechischen Thalia-Theaterpreis.


Das Festival „Oper 2017“ findet in Prag bis 5. November statt. Die Opern werden im Ständetheater oder im Tschechischen Musik-Museum aufgeführt. Mehr über das Programm finden Sie unter www.festival-opera.cz