„Komm mit uns das Grenzland aufbauen“ – Wiederbesiedlung der Sudetengebiete nach 1945

Vertreibung der Sudetendeutschen

Es ist mit Sicherheit eines der komplexesten und umstrittensten Themen der deutsch-tschechischen beziehungsweise der österreichisch-tschechischen Nachkriegsgeschichte: die Vertreibung der Sudetendeutschen – oft euphemistisch „Umsiedlung“ genannt - aus der damaligen Tschechoslowakei. Der deutsche Historiker Andreas Wiedemann, der in Prag lebt, befasst sich mit einem besonderen Aspekt dieser historischen Begebenheit: der Wiederbesiedlung der von den vertriebenen deutschsprachigen Einwohnern unfreiwillig verlassenen Gebiete. Der Titel seines Buches „Komm mit uns das Grenzland aufbauen“ stammt von einem kommunistischen Propagandaplakat. Über das Thema haben wir bereits ausführlich berichtet. Nun haben wir mit dem Autor über Reaktionen auf sein 2007 erschienenes wissenschaftliches Werk gesprochen.

Herr Doktor Wiedemann, Ihr Buch ist nicht mehr ganz druckfrisch, es ist schon seit einiger Zeit zugänglich. Außerdem haben Sie sich auch in Ihrer Doktorarbeit schon mit der Wiederbesiedelung der Sudetengebiete nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befasst. Wie waren denn die Reaktionen auf Ihr Buch? Sie haben ja selbst gesagt, dass das ein heikles Thema ist, das immer noch sehr kontrovers diskutiert wird.

Andreas Wiedemann
„Klar gab es Reaktionen. Wenn man so ein Buch herausgegeben hat, dann freut man sich natürlich immer über Rezensionen oder auch nicht. Ich muss sagen, ich habe mich eigentlich immer gefreut. In Tschechien gibt es meines Wissens bisher drei Rezensionen. Eine wissenschaftliche und zwei in einer populärwissenschaftlichen Publikation beziehungsweise in einer Tageszeitung. Die waren alle recht positiv. Es wurde immer drauf hingewiesen, dass das Thema noch brachliegt und sich nun endlich jemand damit befasst. Dazu muss man gerechter Weise sagen, dass sich auch mehrere tschechische Historiker mittlerweile damit befassen. Es gibt auch eine Arbeit zu dieser Thematik, die jetzt zwei Jahre alt ist; eine Monographie. Aber trotzdem wurde in den Rezensionen meines Buches immer positiv angemerkt, dass das Thema jetzt endlich einmal behandelt wird.“

Sie bekommen also jetzt keine gehässigen Briefe, oder…?

Andreas Wiedemann: Komm mit uns das Grenzland aufbauen!
„Ich habe mein Buch inzwischen natürlich auch einige Male öffentlich vorgestellt. Oft bestand da das Publikum mehrheitlich aus Sudetendeutschen; entweder aus Vertriebenen oder aus Angehörigen der deutschen Minderheit in Tschechien. Da gab es eigentlich keine gehässigen Reaktionen oder Probleme. Da wurde aber sehr gerne eingefordert, dass man das emotionaler präsentiert und auch mehr über das Schicksal der vertriebenen Deutschen spricht. Da musste ich dann immer betonen, dass ich die beiden Themen immer getrennt habe, dass meine Arbeit die Besiedlung behandelt und dass ich natürlich gerade als Wissenschaftler versuche, diese Thematik möglichst sachlich und mit möglichst wenig Emotion zu präsentieren. Das ist der Weg, auf dem man mehr Erkenntnisse sammeln kann. Und das wurde dann meistens auch vom Publikum akzeptiert. Die Reaktionen sind natürlich verständlich. Da sitzt die Erlebnisgeneration der Vertriebenen im Saal und dann kommt da ein junger Historiker, der auch keinen familiären Bezug dazu hat und bloß die Akten studiert hat. Da gibt es dann immer so eine gewisse Reibung zwischen denen, die die Vertreibung selbst erlebt haben, und denen, die forschen. Aber eigentlich ist es uns bisher immer ganz gut gelungen, eine Brücke zu schlagen.“

Das Thema ist natürlich nicht nur für deutsche oder deutschsprachige Leser interessant, sondern sicher auch für die tschechische Öffentlichkeit. Denken Sie vielleicht auch an eine tschechische Ausgabe ihres Buches?

Vertreibung der Sudetendeutschen
„Natürlich. Wenn es einen tschechischen Verlag gibt, der Interesse hat, das zu übersetzen, dann bin ich natürlich sehr froh. Ich habe auch schon Verlage angeschrieben und jetzt bin ich einmal gespannt, ob es eine Reaktion gibt. Klar habe ich ein Interesse daran, dass mein Buch übersetzt wird.“


Andreas Wiedemann, „Komm mit uns das Grenzland aufbauen!“ Ansiedlung und Strukturen in den ehemaligen Sudetengebieten 1945–1992, Klartext-Verlag, Essen 2007