Kommunistisches Szenario von 1950: Eine Frau soll eine Frau anklagen

Milada Horakova

Beim Prager Stadtgericht hat ein Gerichtsverfahren begonnen, in dem über den Fall der ehemaligen kommunistischen Staatsanwältin Ludmila Brozova-Polednova entscheiden wird. Die 86-jährige Frau ist die letzte noch lebende Akteurin des kommunistischen Schauprozesses gegen Milada Horakova, zu deren Hinrichtung sie maßgeblich beigetragen hat.

Zum Gericht ist Ludmila Brozova-Polednova nicht gekommen  (Foto: CTK)
Zum Gericht ist Ludmila Brozova-Polednova nicht gekommen, sie hat jedoch den Senat ersucht, das Verfahren in ihrer Abwesenheit zu führen. Angeklagt ist die Ex-Staatsanwältin wegen Beihilfe zum Mord, für die sie zu einer Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren verurteilt werden könnte.

Im Team der Prokuratoren, das Milada Horakova, Juristin, Widerstandskämpferin im Zweiten Weltkrieg und Parlamentsabgeordnete für die Tschechoslowakische Nationale Sozialistische Partei vor 57 Jahren zum Tod verurteilte, hatte Brozova-Polednova einen spezifischen Auftrag zu erfüllen. Als Frau sollte sie eine Frau anklagen. Wie ihrer damaligen Rede vor dem Gericht zu entnehmen ist, tat sie wohl in den Augen der Partei ihr Bestes:

"In tausenden Resolutionen, die wir bekommen, wendet sich unser Volk voller Ekel von diesen Verrätern ab. Unsere guten Frauen und Mütter fragen, wo haben Sie Ihr Herz zurückgelassen, Sie - angeklagte Horakova, Kleinerova, Zeminova, als Sie den Verrat an unserem Heimatland und dem Friedenskampf von Millionen und Abermillionen Frauen begangen haben."

Am 31. Mai 1950 begann in Prag der erste Schauprozess, der wie die nachfolgenden dem kommunistischen Regime zur Liquidierung politischer Gegner nach sowjetischem Muster dienen sollten. Außer Milada Horakova standen damals elf weitere Personen vor dem Gericht, alles Mitglieder nichtkommunistischer Parteien. Angeklagt wurden sie wegen Landesverrats. Die Anklage sprach von einer Verschwörung, geplant im Auftrag imperialistischer Nachrichtendienste. Eine Woche später wurden die Urteile gefällt. Milada Horakova wurde als eine von vier zum Tod verurteilt. Die Anklage war in ihrem Fall kompromisslos:

"Während die Textilarbeiterin Herajtova von Kotona Beroun ihre Leistung bei der Arbeit am Webautomaten steigerte, um möglichst viel zum Aufbau unserer Republik beizutragen, formierte die angeklagte Horakova im Untergrund feindliche Banden für die Zerstörung unserer Republik."

So Brozova damals wörtlich. Der Ermittler im Fall der kommunistischen Ex-Staatsanwältin, Ilja Pravda, hat dem Gericht Beweise vorgelegt, denen nach Brozova über die Manipulationen beim Prozess gegen Horakova gewusst haben muss:

"Der Vorsitzende des staatlichen Gerichtes stellt in einem Bericht für das Justizministerium fest, dass sogar auch die Strafen, die gegen die Angeklagten verhängt werden sollten, schon vor der Eröffnung des Gerichtsverfahrens vereinbart waren."

Milada Horakova wurde am 27. Juni 1950 hingerichtet.