Begnadigung für Staatsanwältin der stalinistischen Schauprozesse?
Seit rund einem Jahr sitzt Ludmila Brožová-Polednová im Gefängnis. Sie hatte als Staatsanwältin Schuld beim wohl bekanntesten Justizmord in den 50er Jahren in der Tschechoslowakei auf sich geladen: bei der Verurteilung und Hinrichtung der Oppositionspolitikerin Milada Horáková. Das Kreisgericht in Hradec Králové / Königgrätz hatte die ehemalige Staatsanwältin deswegen zu sechs Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Doch Brožová-Polednová ist hoch betagt, lange war fraglich, ob sie körperlich überhaupt fit ist für den Strafvollzug. Jetzt könnte die 88-Jährige frei kommen.
Das Kreisgericht in Hradec Králové aber hat nun erneut geurteilt und dabei festgestellt, dass im Fall Brožová-Polednová auch drei präsidiale Amnestien zur Geltung kommen müssen – aus den Jahren 1953, 1955 und 1990:
„Auf Grundlage dieser Amnestien werden ihr sechs Jahre Freiheitsentzug erlassen“, so ein Gerichtssprecher.
Sechs Jahre minus sechs, das ist gleich null: Brožová-Polednová kann nun also freikommen. Ist das nicht aber eine Verhöhnung der Opfer? Naděžda Kavalírová, die Vorsitzende der Konföderation ehemaliger politischer Gefangener in Tschechien, verneinte diese Frage. In einem Fernsehbericht erklärte sie:
„Uns ehemaligen politischen Gefangenen ging es darum, dass auf jene, die sich an den Schauprozessen beteiligt haben, mit dem Finger gezeigt wird.“
Oder anders gesagt: Es ging vorrangig um die Verurteilung, nicht aber um das Absitzen der Strafe. Doch so schnell kommt die Freilassung von Ludmila Brožová-Polednová nicht. Die Staatsanwaltschaft in Hradec Králové hat gegen das neue Urteil erst einmal Berufung eingelegt. Über den Fall wird nun die nächste Instanz entscheiden müssen - falls nicht zuvor Staatspräsident Václav Klaus die hoch betagte Frau begnadigt. Nach Presseinformationen soll Klaus schon im vergangenen Jahr eine Begnadigung aus Altersgründen erwogen haben.