Kompromiss zur Kirchenrestitution führt zu Regierungskrise
Das neue Jahr 2012 ist gerade mal zehn Tage alt, doch die Regierungskoalition in Tschechien steht schon vor einer erneuten Zerreißprobe. Der Grund für den ersten Streit des neuen Jahres ist die Kirchenrestitution. Der mühsam ausgehandelte Kompromiss zwischen den tschechischen Kirchen und dem Staat über die Rückgabe von enteignetem Kirchenbesitz wird dabei vom kleinsten Koalitionspartner, der Partei der öffentlichen Angelegenheiten, in Frage gestellt.
Bereits in der vergangenen Woche hörte man Stimmen aus der Partei der öffentlichen Angelegenheiten (VV), die danach riefen: Die Kirchenrestitution müsse neu verhandelt werden, da der Staat die geplanten Ausgaben nicht finanzieren könne. Auch ein Alternativvorschlag wurde prompt vorgelegt: Um Geld zu sparen, solle man doch Ministerien oder Ämter zusammenlegen, hieß es. Der Vorsitzende der VV-Partei, Radek John, wollte aber vor den Koalitionsgesprächen am Montag keine konkreten Vorschläge für Einsparungen bekannt geben:
„Wir werden bei den Koalitionsverhandlungen natürlich konkrete Vorschläge vorlegen und sagen, was bleiben muss und was gestrichen werden kann. Wir werden aber vor den Verhandlungen diese Vorschläge nicht medial ausbreiten, um die Verhandlungen nicht zu blockieren.“
Die Koalitionsverhandlungen dauerten allerdings nicht lange und dürften wohl nicht zur Zufriedenheit der VV-Partei ausgegangen sein. Die Bürgerdemokraten und die Partei Top 09 zeigten sich nämlich nicht besonders verhandlungsbereit, sondern bestehen auf dem unlängst ausgehandelten Kompromiss zwischen Staat und Kirche – kein Wunder, scheint doch nach 20 Jahren Streit eine Lösung in greifbarer Nähe zu sein. Radek John indes sagte dem Tschechischen Fernsehen (ČT) nach den Verhandlungen:„Unsere Koalitionspartner haben uns ein Ultimatum gestellt: Wenn wir nicht vorbehaltlos der Kirchenrestitution zustimmen, dann wird es die Regierungskoalition in der Form nicht mehr geben.“
Die Argumente der kleinsten Regierungspartei sind durchaus verständlich, schließlich stellt sie die Frage, wie die Tschechische Republik angesichts der angespannten Haushaltslage die ausgehandelte Entschädigung in Höhe von 134 Milliarden Kronen (5,5 Milliarden Euro) bezahlen will.Die beiden anderen Parteien, ODS und Top 09, scheinen indes gewillt, unter die Endlosverhandlungen über die Rückgabe des Kircheneigentums einen Schlussstrich zu ziehen. Aus gutem Grund, denn mit dem erzielten Kompromiss wird nicht nur Eigentum zurückgegeben. Es werden vielmehr auch strittige Eigentumsverhältnisse in den Kommunen geregelt und die Finanzierung der Priesterstellen wird vom Staat an die Kirche übergehen.
Unser Politik-Experte Robert Schuster äußerte am Montag im Politgespräch die Vermutung, es handle sich eher um einen Machtpoker innerhalb der Koalition, durch den die VV-Partei ihre Position stärken wolle. Dass ein solcher Poker die Regierung gefährden könne, glaubt aber nicht einmal die Vorsitzende des Parlament und Stellvertretende ODS-Vorsitzende Miroslava Němcová:„Ich bin davon überzeugt, dass die Minister der Partei der öffentlichen Angelegenheiten am Mittwoch für die Kirchenrestitution stimmen werden und dass auch die Abgeordneten der Partei dafür stimmen werden.“
Am Dienstagvormittag konnten sich die Vertreter der VV-Partei intern noch nicht auf einen einheitlichen Kurs für die Regierungsverhandlungen einigen – für einen Pokerbluff also keine gute Vorraussetzung.