Korruption in der Tschechischen Republik

Die weltweit aktive Antikorruptions-Organisation "Transparency International" veröffentlichte im Herbst 2001 eine Studie über die Verbreitung der Korruption in den mittel- und osteuropäischen Staaten. In dieser rangierte die Tschechische Republik sozusagen im gesicherten Mittelfeld. Dennoch, den EU-Maßstäben kann man damit noch lange nicht genügen. Das zeigt vor allem die Tatsache, dass auch die letzten EU-Fortschrittsberichte unzureichende Maßnahmen konstatierten, die Korruption hierzulande einzudämmen. Olaf Barth befasst sich im folgenden Schauplatz mit der Korruption in Tschechien und den Versuchen der Regierung, ihrer Herr zu werden.

Auch die Europäische Kommission wurde unlängst mit einem kritischen Bericht über die Unternehmer-Situation in Tschechien konfrontiert. Diesen legte das Europäisch-tschechische Forum (ECF) vor, ein Verband, der nach eigenem Bekunden Tausende ausländischer Investoren in der Tschechischen Republik vertritt. Dort heißt es wörtlich:

"Die Situation bezüglich der Korruption ist in der Tschechischen Republik (...) schlechter als innerhalb der Europäischen Union."

Die Direktorin der Prager Niederlassung der bereits eingangs erwähnten Organisation "Transparency International", Adriana Krnacova, weiß auch genau, was man seitens der ausländischen Investoren hierzulande beanstandet:

"Ich denke, von der externen Perspektive aus ist die Eintragung in das hiesige Handelsregister eines der Schlüsselprobleme. Bei ausländischen Beobachtern und Investoren ruft dies immer wieder Verwunderung oder gar Unzufriedenheit hervor. Weitere Problemfelder sind die Parteienfinanzierung, aber auch verschiedene Vorgänge bei den Behörden, die ich jetzt lieber nicht näher spezifizieren möchte. Es fehlt zudem auch an geschultem Personal zur Korruptionsabwehr und -Bekämpfung."

Besonders die Eintragung in das Handelsregister war einer der Schwerpunkte der bereits erwähnten ECF-Kritik. Ohne Bestechungsgelder würde ein solcher Eintrag nicht selten länger als ein Jahr dauern, heißt es dort.

Trotzdem, die Kritik von Seiten der Europäischen Union an der Tschechischen Republik kann Krnacova nur teilweise nachvollziehen und erläutert:

"Es gibt (in den EU-Berichten) auch keine Empfehlungen, was man z.B. von ihrer Seite her zur Verbesserung der Situation beitragen könnte. Und es ist auch nicht wahr, dass sich bei uns gar nichts tut. Ich bin zwar nicht der Anwalt der derzeitigen Regierung, muss aber sagen, dass man in den vergangenen Jahren in verschiedenen Bereichen einiges geleistet hat. So z.B. bei der Polizei. Dort gibt es eine intensive Zusammenarbeit zwischen unserer Organisation und dem Innenministerium."

Es seien bereits beachtliche Fortschritte erzielt worden, sagt Krnacova und man müsse auch den zeitlichen Aspekt im Auge behalten:

"Das Jahr 1989 liegt noch gar nicht so lange zurück. 12 Jahre sind wenig Zeit für eine umfassende Gesellschaftsentwicklung. Auch wenn über die Tschechische Republik dauernd gesagt wird, die Korruption sei weit verbreitet, muss ich doch sagen, insgesamt bin ich ziemlich optimistisch."

Grund zum Optimismus sieht neuerdings sicherlich auch wieder Innenminister Stanislav Gross. Dieser konnte kürzlich die Regierung davon überzeugen, ein neues Instrument, das Gross als "Integritätstest" bezeichnet, im Kampf gegen die fortschreitende Korruption einzusetzen. Das Modell, das auf einen sog. "Agent Provocateur" baut, um die Beamten der Korruption zu überführen, hat er sich von der US-amerikanischen Bundespolizei FBI abgeschaut.

Die Opposition spricht aber von der Rückkehr zum Polizeistaat. Wie schätzen unabhängige Experten dieses neue Mittel zum Zweck ein? Dazu Krnacova:

"Ich denke, dass das ganz bestimmt ein effektiver Schritt ist. Es ist zwar keine Systemänderung, aber es ist eine positive Maßnahme, ein weiterer Kontrollmechanismus. Wir begrüßen also die Entscheidung, da dieses System auch in den USA und in anderen Staaten funktioniert hat."

Der Präsident des "Höchsten Kontrollamtes", Lubomir Volenik, beurteilt Gross Vorhaben allerdings anders:

"Ich persönlich meine, selbst wenn der Integritätstest einen ernstgemeinten Versuch und keine Wahlpropaganda darstellen sollte, so ist er dennoch ein unglückliches System. Es gibt Hinweise, dass dieses Instrument sogar in den USA missbraucht wurde, wo es eigentlich durch mehrere Instanzen gesichert und überwacht wird."

Krnacova verweist darauf, dass die mittels der gesteuerten Provokation überführten Beamten zwar nicht strafrechtlich verfolgt werden können, aber zumindest habe man eine Handhabe sie augenblicklich aus dem Dienst zu entfernen. Doch Lubomir Volenik hält fest:

"Das System der gesteuerten Provokation ist nicht mit der derzeitigen tschechischen Rechtsordnung zu vereinbaren und des Innenministers Andeutungen, diese entsprechend zu modifizieren, halte ich für eher unglücklich."

Der Präsident der höchsten tschechischen Behördenkontrollinstanz fordert stattdessen ein besseres Auswahlverfahren für Beamte mit genauen Einstellungskriterien und Psychotests. Des weiteren verbesserte Arbeitsbedingungen sowie regelmäßige Überprüfungen und Beurteilungen der Staatsdiener durch sein Amt. Sämtliche Behördenvorgänge müssten transparenter werden, was laut Volenik besonders für die Vergabepraktiken öffentlicher Aufträge gilt. Und Transparenz fordert auch Krnacova für das von ihr gepriesene Provokateur-System:

"Jedes in sich abgeschlossene System ist in gewisser Weise gefährlich und missbrauchbar. Es wird also darauf ankommen, das System transparent zu gestalten. Es sollte genau festgelegt werden, wie man die sog. Provokateure auswählt, wie die Kontrollmechanismen aussehen und welche Sanktionen verhängt werden. Dann wird es auch keinen weiteren Ansatz für Korruption oder Filz geben."

Die Regierung und insbesondere Innenminister Gross wurden von der Opposition kürzlich kräftig abgewatscht. Die Regierung habe im Kampf gegen die Korruption auf ganzer Linie versagt, hieß es da. Doch Antikorruptions-Kämpferin Krnacova meint:

"Sie hätte wohl keine eins darauf bekommen, ich befürchte, die Bewertung würde wohl eher im unteren Schulnotenbereich angesiedelt sein. Aber man kann natürlich nicht sagen, dass sie versagt habe. Allein die Tatsache, dass dieses Regierungsprogramm vorgelegt wurde, zeigt ja schon den Willen der Regierung etwas zu unternehmen."

Dem schließt sich Volenik im wesentlichen an und mahnt:

"Es ist auch nicht nur ein Kampf der Regierung. Wir brauchen einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens. Aber ich bin optimistisch und glaube, dass der öffentliche Wille dahin geht, die Korruption zu bekämpfen.Wir alle, jeder Minister, jeder Politiker, jeder Beamter und jeder Bürger muss bei sich selbst anfangen, der persönlichen Vorteilsnahme abschwören und somit die Korruption unterbinden."

Auf der internationalen Rangliste, dem von Transparency International erstellten Korruptionsindex, liegt Tschechien im Mittelfeld - 49. Platz von 91. Wie beurteilt Volenik die tschechische Situation im internationalen Vergleich?

"Ich bin überzeugt, dass die Situation in Tschechien nicht nur nicht schlimmer als in den anderen Mittel- und osteuropäischen Staaten ist, sondern auch nicht wesentlich anders als in einigen EU-Ländern. Natürlich kann ich das Transformationsland Tschechien nicht mit den skandinavischen Ländern vergleichen, wo die Mentalität eine ganz andere ist und es gewachsene Traditionen gibt. Aber wenn man z.B. Frankreich, Italien oder vor allem Griechenland betrachtet, dort ist es um die Korruption nicht besser bestellt als hierzulande. Und ich wüsste auch gern, nach welchen Kriterien die sog. Korruptionsrangliste erstellt wird, denn die ist meiner Meinung nach nicht sehr objektiv."

Ganz gleich nach welchen Kriterien der von Transparency International verfasste Korruptionsindex auch erstellt sein mag, er belegt letzten Endes die Einschätzung des Präsidenten des Höchsten Kontrollamtes. Dort liegen nämlich die EU-Mitgliedsstaaten Griechenland und Italien nur um ein paar Zehntel Punkte vor der Tschechischen Republik!!!

Autor: Olaf Barth
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