Kreis- und Senatswahlen verändern politische Landschaft in Tschechien

Jiří Paroubek (Foto: ČTK)

Zwölf von dreizehn Landkreisen musste die größte Regierungspartei, die bürgerdemokratische ODS and die oppositionellen Sozialdemokraten abgeben. Auch die Christdemokraten, die Koalitionspartner der der Bürgerdemokraten konnten ihren einzigen „hejtman“ in Südmähren nicht halten. Das Ergebnis der Regionalwahlen vom vorangegangenen Wochenende war also eindeutig.

Jiří Paroubek  (Foto: ČTK)
„Ich sehe diese Niederlage als sehr schmerzlich an.“ So der Premierminister und ODS-Chef Mirek Topolánek am Wahlnachmittag im Tschechischen Fernsehen. Seine Partei werde nun alle Anstrengungen darin setzten, bei den Senatswahlen möglichst erfolgreich abzuschneiden.

Zur Erinnerung: Die erste Runde der Wahlen zum Oberhaus des Parlaments fand am 17. und 18. Oktober gemeinsam mit den Regionalwahlen statt. Bestimmt wird die Zusammensetzung des Senats im Mehrheitswahlrecht. Alle zwei Jahre wird ein Drittel der 81 Senatoren neu gewählt. Erreicht kein Kandidat im ersten Durchgang die absolute Mehrheit der Stimmen, kommt es eine Woche später zur Stichwahl zwischen den beiden stimmenstärksten Kandidaten.

In nahezu allen Wahlkreisen brachten die Sozialdemokraten ihren Kandidaten in den zweiten Durchgang. Im nordmährischen Wahlkreis Karviná erreichte der ČSSD-Kandidat sogar gleich im ersten Durchgang mehr als 50 Prozent der Stimmen. Als Herausforderer der Sozialdemokraten traten in zwei Drittel der Wahlkreise Kandiaten der Bürgerdemokraten an, in den übrigen schaffte es ein Christdemokrat in die zweite Runde. Einzige Ausnahme: Der Bezirk Znaim in Südmähren. Dort lautete das Duell in der Stichwahl Kommunisten gegen Christdemokraten.

Premier Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
Nach der Bekanntgabe der Wahlniederlage der ODS übernahm Premierminister und Parteichef Mirek Topolánek umgehend die politische Verantwortung für den Mißerfolg. Seinen Rücktritt schloss er allerdings aus. Es gehe nun darum, sich mit ganzer Kraft den Vorbereitungen für den zweiten Durchgang der Senatswahlen zu widmen.

Oppositionschef Jiří Paroubek betonte hingegen, die Regionalwahlen seien ein Referendum über die Arbeit der Mitte-Rechts-Regierungskoalition gewesen. Angesichts des eindeutigen Votums müsse Premier Topolánek umgehend zurücktreten und mit ihm das gesamte Kabinett. Um dem Land kurz vor dem mit 1. Jänner beginnenden EU-Ratsvorsitz stabile politische Verhältnisse zu garantieren, schlug Paroubek mehrfach die Einrichtung eines „Kabinetts der besten Köpfe vor“, unabhängige Experten sollten also die Ministersessel besetzen. Freilich nur vorübergehend, denn nach dem Ende der EU-Ratspräsidentschaft sollte das Volk in vorgezogenen Parlamentswahlen über die zukünftige Regierungsform entscheiden. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, baten die Sozialdemokraten am vergangenen Mittwoch die Mandatare der Abgeordnetenkammer zur Vertrauensabstimmung über die Regierung Topolánek. Den entsprechenden Antrag hatten die Sozialdemokraten übrigens schon vor den Senats- und Regionalwahlen eingebracht. Man war sich also des Wahlerfolges anscheinend sehr sicher.

Parteichef Paroubek gab sich überzeugt, dass man im Falle eines starken Abschneidens bei den Wahlen auch die Abstimmung zur Abwahl der bürgerlich-liberalen Regierungskolation gewinnen werden. Politische Beobachter allerdings wagten keine Prognosen und sprachen von einem völlig offenen Ergebnis. Die unklaren Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus des Parlaments machten eine Prognose tatsächlich nahezu unmöglich.

Foto: ČTK
Kurz zu den Hintergründen: Nach den Parlamentswahlen im Jahr 2006 kam es zu einem Patt. Der rechtsliberale Block aus Bürgerdemokraten, Grünen und Christdemokraten kamen ebenso auf 100 Stimmen wie der linke Flügel aus Sozialdemokraten und Kommunisten. Nach mehreren Anläufen zur Bildung einer Regierung und monatelangen Verhandlungen erblickte schließlich Anfang 2007 das Kabinett Topolánek das Licht der Welt. Möglich wurde dies nur durch die Unterstützung zweier „Überläufer“ – von einigen ihrer früheren Parteifreunde wurden sie auch als Verräter beschimpft – aus der sozialdemokratischen Fraktion.

Wenige Wochen vor der Vertrauensabstimmung vergangenen Mittwoch waren aber auch der bürgerdemokratischen Fraktion im Abgeordnetenhaus einige Mandatsträger abhanden gekommen. Auslöser war die Affäre rund um den Abgeordneten Jan Morava, der mit anscheinend kompromittierenden Fotos seinen Widersacher Vlastimil Tlustý erpressen wollte. Dabei waren die intimen Szenen auf den Fotos gestellt, die vermeintlichen Vermittler des Materials entputten sich als Fernsehreporter. Im Zuge der innerparteilichen Spannungen kehrten einige Abgeordnete der bürgerdemokratischen Fraktion den Rücken.

Das Vertrauensvotum endete denkbar knapp: Das Abgeordnetenhaus sprach dem Koalitionskabinett Topoláneks mit nur einer Stimme Mehrheit das Vetrauen aus. Dennoch – oder gerade deswegen – verstummte die innerparteiliche Kritik an Premierminister Topolánek nicht. Der seinem sozialdemokratischen Herausforderer David Rath unterlegene bisherige bürgerdemokratische Kreishauptmann Mittelböhmens Petr Bendl forderte seine Partei zur „Selbstreflexion“ auf.

David Rath  (Foto: ČTK)
„Ich bin davon überzeugt, dass die ODS einen anderen Vorsitzenden braucht. Was den Umbau der Regierung betrifft, so muss man innerhalb der derzeitigen Dreierkoalition nach einer Lösung suchen. Auf keinen Fall darf man mit Jiří Paroubek Regierungsverhandlungen führen.“

Ein ihm von Topolánek angebotenes Ministeramt lehnte Bendl ab. Auch von Evžen Tošenovský, dem bisherigen Hauptmann des Mährisch-Schlesichen Kreises, kamen kritische Worte. Sein Unbehagen über den derzeitigen Führungsstil in der ODS versuchte auch der Ehrenvorsitzende der von ihm gegründeten Partei, Staatspräsident Václav Klaus. nicht zu verbergen. Vor dem zweiten Durchgang der Senatswahlen zeigte er sich demonstrativ in der Prager Innenstadt auf einer Wahlkampf-Veranstaltung gemeinsam mit dem Prager Oberbürgermeister Pavel Bém. Bém gilt als einer der profiliertesten parteiinternen Widersacher Topoláneks und als dessen möglicher Herausforderer bei der Neuwahl zum Parteivorsitzenden. Premier Topolánke war über das Verhalten von Klaus hörbar „not amused“:

„Ich möchte ihn davor eindringlich warnen. Seine Einmischung in das Geschehen innerhalb der ODS geht über die ihm zugedachte Rolle hinaus. Er ist viel aktiver als er selbst versprochen hat. In dieser Hinsicht die Rolle des überparteilichen Präsidenten besser zu ihm passen.“

Trotz intensiver Wahlkampfarbeit brachte der zweite Durchgang der Senatswahlen am Wochenende einen Mißerfolg für die ODS. Nur in den drei Prager Wahlkreisen konnte die ODS ihre Senatorensitze verteidigen. Die übrigen 23 gingen an die Sozialdemokraten. Und in Znaim siegte die kommunistische Kandidatin. Der Chef der kommunistischen Partei, Vojtěch Filip, zeigte sich dennoch nicht wirklich zufrieden

Pavel Bém  (Foto: ČTK)
„Das ist zwar kein Mißerfolg. Aber unsere Ziele haben wir auch nicht erreicht. Wir wollten im Senat Klubstärke erreichen und dazu braucht man bekanntlich fünf Leute. Wir werden uns jetzt um die unabhängigen und fraktionslosen Senatoren bemühen.“

In der ODS zeigte man sich naturgemäß wenig begeistert über das Wahlergebnis. Staatspräsident Václav Klaus versuchte am Sonntag im privaten TV-Sender Prima eine Analyse:

„Bei den Wahlen geht es nicht um die inhaltliche Tiefe des Wahlprogrammes, auch nicht darum wie gescheit oder dumm die Wahlplakate waren. Ich denke, die Leute suchen sich stets eine Symbolfigur aus. Auch die Parlamentswahlen im Jahr 2006 waren nicht so sehr eine Abstimmung über die Wahlprogramme als ein Votum über die Politik des damaligen Premiers Jiří Paroubek. Diese Wahlen jetzt waren also logischer Weise ein Referendum über Mirek Topolánek. Und die Wähler haben eine klare Aussage getroffen.“

Der Prager Oberbürgermeister und Topolánek-Kritiker Pavel Bém stieß ins selbe Horn:

„Das Ergebnis der Wahlen ist derart dramatisch, so dass man ernsthaft überlegen muss, ob man den für 5. Dezember geplanten Parteitag nicht vorzieht. Das ist aber eine Entscheidung, die innerhalb des Führungsgremiums fallen sollte.“

Dieses engere Führungsgremium der ODS tagte am Sonntag. Am Abend wurde das Ergebnis bekannt: Mirek Topolánek bleibt Parteivorsitzender und Premierminister. Und der Parteitag findet wie geplant am 5. Dezember dieses Jahres statt. Dabei steht dann auch die Neuwahl des Parteivorsitzenden auf der Tagesordnung ganz oben. Ob sich Mirek Topolánek einem oder mehreren Gegenkandidaten stellen wird, ist zurzeit unklar. Auch Pavel Bém wollte sich in dieser Frage nicht festlegen.