Kulturschock auf dem Eis

Film „Letní hokej“ (Foto: Tschechisches Fernsehen)
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Eishockey unter der prallen Sonne Nordafrikas – das ist das Thema des neuen tschechischen Dokumentarfilms „Letní hokej“ (Sommerhockey), der im Ausland unter dem Titel „Off Sides“ vermarktet wird. Das Regie-Duo Rozálie Kohoutová und Tomáš Bojar begleitet darin eine Nachwuchsmannschaft aus dem nordböhmischen Náchod bei einem Gastauftritt im marokkanischen Salé. Der Streifen wird in den nächsten Tagen beim Internationalen Filmfestival in Karlsbad vorgestellt.

Film „Letní hokej“  (Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary)

Film „Letní hokej“  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Die jungen Eishockeyspieler aus dem ostböhmischen Náchod hätten sich nie träumen lassen, dass sie einmal in Afrika auf dem Eis stehen würden. Im Jahr 2017 erhielten sie jedoch eine Einladung zu einem Trainingscamp in Marokko, und erlebten dort den wohl unterhaltsamsten Sommer ihrer Sportkarriere. Einige Monate später kamen die jungen Eishockeycracks aus dem marokkanischen Salé schließlich nach Tschechien. Das Ergebnis des Austauschs ist ein amüsanter Kulturschock, der nun seinen Weg in die Kinos gefunden hat. Die jungen Sportler wurden nämlich von den Regisseuren Rozálie Kohoutová und Tomáš Bojar mit der Kamera begleitet. Wie kamen die beiden Filmemacher auf die Idee, eine Doku über marokkanische Eishockeyspieler zu drehen? Tomáš Bojar:

Tomáš Bojar  (Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary)
„Vor einigen Jahren hat der stellvertretende Botschafter Tschechiens in Rabat, Jan Černý, bei meiner Kollegin Rozálie angerufen. Er erzählte ihr, dass in Marokko tatsächlich Eishockey gespielt wurde, und zwar mit Unterstützung der tschechischen Botschaft. Für uns als Filmemacher war das natürlich interessant. Wir wollten aber nicht nur einen Film über das Eishockey in Afrika machen, sondern uns besonders auf die Unterschiede zwischen tschechischen und marokkanischen Nachwuchssportlern konzentrieren. Deshalb haben wir den Austausch begleitet.“

Rozálie Kohoutová ist zunächst alleine nach Marokko gereist, um vor Ort ein erstes Konzept für den Film auszuarbeiten. Eigentlich habe sie sich dabei an den Streifen „Cool Runnings“ über die jamaikanische Bob-Olympiamannschaft erinnert, erzählt die Regisseurin.

Rozálie Kohoutová  (Foto: Martin Melichar,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Wave)
„Die marokkanischen Trainer haben sich auf jeden Fall gewünscht, dass ein Eishockeyteam aus Tschechien zu Besuch kommt. Es wurde zudem vereinbart, dass die tschechischen Kinder bei den marokkanischen Familien wohnen werden. Die Einheimischen dort leben sonst eher in sich geschlossen und sind sehr zurückhaltend gegenüber Europäern. Die Familien aus Náchod wiederum haben viel Gastfreundschaft gezeigt gegenüber den jungen Eishockeyspielern aus Marokko. Dies hat uns auch dazu motiviert, einen Film über das gegenseitige Kennenlernen zu drehen.“

Tomáš Bojar reiste erstmals mit der jungen Eishockeymannschaft nach Salé im Norden des Maghreb-Staates. Auch er habe gehofft, dass es zu einem lebendigen Dialog zwischen den Jungen komme, sagt er.

Film „Letní hokej“  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Ich war sehr angenehm überrascht, wie schnell die Kinder einen Weg zueinander gefunden haben. Es war faszinierend, wie offen und spontan sie waren. Heutzutage gibt es in Europa heikle Dinge, über die man eigentlich nicht mehr spricht. Die Kinder wissen nichts darüber und für die pubertären Jungen sind solche Sachen sowieso kein Thema. Deshalb war das Projekt für mich so erfrischend. Bei meinem Besuch habe ich den Eindruck gewonnen, dass vor allem die einfachen Menschen in Marokko sehr nett und offen sind. Es mag wie ein Klischee klingen, aber so habe ich das im Bus oder auf dem Markt erlebt. Natürlich gibt es dort Machos, die stehen aber eher an der Spitze der Gesellschaft. Da kann es bei Verhandlungen zu Problemen kommen.“

Film „Letní hokej“  (Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary)
Die interessantesten Gespräche im Film stammen aus dem Mannschaftsbus. Zwischen den tschechischen und marokkanischen Jungen kommt es beispielsweise zu einem fast theologischen Disput über das Wesen der Schweine. Der Nachwuchsspieler Artur aus Náchod spricht bedeutend besser Englisch als seine Teamkollegen und schlüpft oft in die Dolmetscherrolle, wenn die Marokkaner neugierige Fragen stellen. Regisseur Bojar:

„Interessant ist, dass Artur kein gebürtiger Tscheche ist, sondern ein Ukrainer, der in Tschechien aufgewachsen ist. Er ist ein netter, braver Junge. Mit seinem Entgegenkommen spielt er nicht nur die Rolle eines Dolmetschers, sondern auch eines Brückenbauers. Er ist schlicht ein versöhnliches Element. Die Kinder waren manchmal sehr scharf zueinander, wobei Artur aber fast immer schlichten konnte. Vor allem seine Englischkenntnisse haben dazu beigetragen.“

Film „Letní hokej“  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
So übersetzte Artur seinem Teamkollegen Ondra beispielsweise auch eine sehr pikante Frage. Einer der marokkanischen Buben wollte nämlich wissen, wie Ondra denn Eishockey spielen könne, wo er doch so dick sei. Der pummlige Tscheche erwiderte darauf: „Frag ihn, wie er denn Eishockey spielen kann, wenn er so blöd ist.“

Die Jungen aus Náchod erleben mehrere Überraschungen in Marokko, ihren neuen Freunden aus Afrika geht es in Tschechien aber genauso. So gibt es beim gemeinsamen Training in Rabat sehr viele lustige Erlebnisse, aber auch auf einer Party in Böhmen. Regisseur Bojar fand besonders rührend, wie die Eltern von Ondra die Gäste aus Marokko empfangen haben.

„Ondras Mutter hat die Gabe, sich um die anderen zu kümmern. Sie hat die zwei marokkanischen Eishockeyspieler, die beide Mehdi heißen, in ihr Herz geschlossen. Als sie sich von der Familie verabschiedeten, war sie sehr bewegt. Soviel ich weiß, haben auch die beiden Jungen sehr schöne Erinnerungen an ihre tschechische Gastfamilie. Für sie war die ganze Reise etwas Besonderes. Sie haben sich über Kleinigkeiten gefreut, die für uns selbstverständlich sind. Dies ist das Schönste, woran ich mich von den Dreharbeiten erinnere. Der Austausch hatte aber auch einige Schattenseiten.“

Tomáš Bojar räumte ein, ihm hätten nie Filme gefallen, die eine einfache Botschaft hätten oder einen emotionalen Appell an das Publikum richten würden. Er mag seinen Worten zufolge nicht Streifen, die den Zuschauer zu einer Meinung zwingen. Solche Filme will er nicht machen, sagt Bojar.

„Rozálie und ich wollten nichts verheimlichen. Unser Film ist genauso verzwickt und kompliziert wie die heutige Welt.“

Es sei eine feine Beobachtung der Gesellschaft mit all ihren Facetten, fügt der Regisseur hinzu.

Ein erstes Preview von „Off Sides“ gab es Anfang Juni beim internationalen Festival in Nyon in der Schweiz. In den nächsten Tagen wird die Doku beim Filmfestival Karlsbad gezeigt. Die feierliche Premiere findet dann am 18. Juli im ostböhmischen Náchod statt. Danach ist der Film in den tschechischen Kinos zu sehen.