Kunst, Romantik und Redensarten: Wiener Programm im Mai und Juni

Festival „Unsicheres Terrain“ (Foto: Krisztina Erdei, Archiv der Stadt Wien)

In den kommenden gut sechs Wochen bietet das Tschechische Zentrum viel Kunst in unterschiedlicher Art und Verpackung. Aber auch die Wissenschaft kommt nicht zu kurz. Mehr zum Angebot vom Leiter des Zentrums, Martin Krafl, im folgenden Interview.

Festival „Unsicheres Terrain“  (Foto: Krisztina Erdei,  Archiv der Stadt Wien)
Herr Krafl, das Tschechische Zentrum in Wien hat im Mai und Juni eine ganze Menge an Veranstaltungen. Einer der Höhepunkte findet bereits am kommenden Wochenende statt, beziehungsweise beginnt am kommenden Wochenende - und zwar beim Festival „Unsicheres Terrain“ im Soho in Ottakring. Da stellen sich drei tschechische Künstler vor, die wirklich unsicheres Terrain betreten, weil sie Street Art machen. Vielleicht können Sie unseren Hörern ein bisschen mehr über das Festival, über die Künstler und über ihre Präsentation erzählen?



„Wir denken, es ist interessant zu zeigen, dass Künstler, die sich eigentlich mit Street Art beschäftigen, auch Kunst für die Ausstellung in einer Galerie machen können. Deshalb bieten wir in der Galerie des Tschechischen Zentrums Wien täglich von 13 bis 17 Uhr die Ausstellung ‚Prague Art Meets the (V.I.E.N.N.A) Streets: POSTH(E)AVEN on DESTABILIZED GROUND‘. Das Projekt reflektiert die Instabilität der heutigen Zeit. Die Bildhauerin und multimediale Künstlerin Petra Valentová schafft Objekte und Installationen mit Holz, Bronze, Stein und Video. Sie geht dabei Fragen der Identität und Erinnerungen aus der Kindheit nach. Jan Kaláb alias ‚Point‘ gilt als Legende der tschechischen Graffiti-Szene. In seinen Werken bleibt der ehemalige Architektur-Student der Geometrie treu. Robert Šalanda, ein souveräner Maler, der auch mit anderen Medien sowie dreidimensionalen Installationen arbeitet, beschäftigt sich mit dem Geiste des Minimalismus. Er nutzt Bedeutungen, die aus dem Kontext gerissen wurden – und das mit ironischer Distanz. Auf diese Weise stellt er die Paradoxa der Gegenwart dar. Die drei Künstler werden ihre Graffiti-Kunst auch im öffentlichen Raum zeigen: vom 13. bis 16. Mai am Yppenplatz in Ottakring. Am kommenden Samstag zeigen wir dann noch um 14 Uhr im Tschechischen Zentrum Wien den Film ‚ Trafačka - Tempel der Freiheit’. Es ist die Österreich-Premiere dieses mehrfach für den tschechischen Filmpreis ‚Český lev‘ nominierten Dokumentarfilms. Das ‚Trafačka’ ist ein Kulturzentrum, das im Prager Stadtteil Vysočany entstanden ist. Die Regisseure Dlouhý und Vávra dokumentieren die Entwicklung eines ehemaligen Industriezentrums zu einem Präsentationsforum für alternative Kunst in Prag von Herbst 2006 bis Sommer 2011. Neben räumlichen Veränderungen stehen die Interaktionen zwischen den jungen tschechischen Künstlerinnen und Künstlern im Film im Vordergrund.“

Karel Hynek Mácha
Karel Hynek Mácha – den kennt in Tschechien jedes Schulkind. Im deutschsprachigen Raum ist dieser Dichter der Romantik allerdings nicht so bekannt. Das wollen Sie aber bei der Wiener Nacht der Literatur ändern. Wie?

„Wir widmen die 3. Wiener Nacht der Literatur dem Dichter Karel Hynek Mácha, dem Begründer der modernen tschechischen Dichtung. Das machen wir mit Hilfe der Schauspielerin Zdenka Procházková-Hartmann. In Österreich ist sie sehr populär, dank ihres Engagements am Burgtheater Wien und beim ORF als Oma Putz von XXXLutz. Frau Procházková-Hartmann wird aus Máchas Hauptwerk ‚Máj‘ in der neuen Übersetzung von Ondřej Cikán vorlesen. Es handelt sich dabei um eine Open-Air-Veranstaltung im Garten der tschechischen Botschaft in der Penzinger Straße. Der österreichisch-tschechische Dichter Ondřej Cikán ist Gründer der Wiener Literaturvereinigung ‚Die Gruppe’, und seine neue Übersetzung des Romans ‚Máj‘ wurde im Frühling 2012 vom Labor-Verlag Wien herausgegeben. Im Rahmen der Veranstaltung kommt auch die vom tschechischen Museum für Literatur PNP gestaltete Ausstellung über Karel Hynek Mácha erstmals nach Österreich. In fünf Abschnitten wird, wissenschaftlich fundiert und mit Archivmaterial illustriert, die Persönlichkeit des Dichters dargestellt: Máchas Leben, Máchas Werk, die tschechische Romantik, Máchas Inspiration in der Kunst sowie Mythos und Kult. Aber das ist immer noch nicht alles: Eine künstlerische Auseinandersetzung des Prager Fotografen Richard Homola mit dem Mácha-Thema ist dazu unter dem Titel ‚Der Mácha-See - Mácháč’ in der Galerie auf der Pawlatsche in der Slawistik Wien zu besichtigen. Wir hoffen, dass wir damit den Österreichern die Möglichkeit geben, mehr über Karel Hynek Mácha zu erfahren.“

Stefan M. Newerkla
Sie hoffen aber sicher auch, dass am Dienstag kommender Woche dann schönes Wetter ist für die Lesung?

„Genau!“

Bei einer weiteren Veranstaltung Anfang Juni wird das Wetter dann keine so wichtige Rolle spielen, denn sie findet in den Innenräumen des Tschechischen Zentrums statt. Es werden dabei zwei Veröffentlichungen vorgestellt, die mal nichts mit Kunst, dafür aber viel mit der Sprachwissenschaft zu tun haben. Gäste sind der Wiener Uniprofessor Stefan M. Newerkla und die Simultandolmetscherin Hana Sodeyfi. Was haben sie im Gepäck?

200. Todestag von Josef Valentin Zlobický
„Wir haben die Veranstaltung ‚Hunger ist der beste Koch – Hlad je nejlepší kuchař’ genannt. Das zweisprachige Nachschlagewerk für Dolmetscher und Dolmetscherinnen und Studierende von Hana Sodeyfi und Stefan Newerkla beinhaltet diese und viele weitere Redensarten. Das Nachschlagewerk wird gemeinsam mit einem Sammelband über die Geschichte der Wiener Bohemistik und des Tschechischen von Stefan Michael Newerkla, Hana Sodeyfi und Jana Villnow-Komárková im Tschechischen Zentrum Wien präsentiert. Redewendungen sind aus dem täglichen Sprachgebrauch nicht wegzudenken, und sie ohne Verlust von Bedeutung in eine andere Sprache zu übertragen, gehört zu den größten Herausforderungen. Das zweisprachige Werk, das als Kooperationsprojekt der Universität Wien und der Masaryk-Universität in Brünn im Rahmen der Aktion ‚Österreich-Tschechien’ entstanden ist, bietet Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie fortgeschrittenen Studierenden eine wertvolle Hilfestellung. Dazu werden wir am Abend an den 200. Todestag von Josef Valentin Zlobický, dem ersten Professor für tschechische Sprache und Literatur in Wien, sowie die 235-jährige wissenschaftliche Beschäftigung mit der tschechischen Sprache an der Universität Wien erinnern.“

Denken Sie, das könnte trotzdem auch für ein breiteres Publikum interessant sein, nicht nur für Studierende und Sprachwissenschaftler?

„Wir haben die Veranstaltung für Studierende und Menschen, die sich mit der tschechischen Sprache beschäftigen, konzipiert. Aber wir hoffen, dass wir auch das breitere Publikum ansprechen können. Wir werden auch tschechischen Kuchen anbieten. Vielleicht ist das etwas, was die Leute lockt.“

Im Juni findet zudem eine große Veranstaltung in Oberösterreich statt: Sinnesrausch in Linz, das klingt vielversprechend. Welche Sinne werden da berauscht und wer wird die Besucher so berauschen?

„Es handelt sich um das Projekt ‚Orbis Pictus’, das von Petr Nikl in Tschechien konzipiert wurde und das im Rahmen des umfangreichen Projekts ‚Höhenrauschen’ im neu eröffneten oberösterreichischen Kulturquartier stattfindet. An der Gestaltung der Ausstellung in Linz, die mit Objekten wie ‚Duftorgel’ oder ‚Hörröhre’ die Besucherinnen und Besucher interaktiv an die Themen Sehen, Riechen und Hören heranführt, sind Künstlerinnen und Künstler aus Tschechien, Österreich, Deutschland, der Slowakei und den USA beteiligt. Mit knapp 50 Objekten von 22 Künstlern ist die tschechische Plattform vertreten, deren Arbeiten sich mit Wahrnehmung in allen Facetten beschäftigen. Das Budget der Ausstellung liegt bei einer halben Million Euro. Die Highlights der sechs interaktiven Ausstellungen – ‚Tor in die menschliche Phantasie’, ‚Leporello-Spiel’, ‚Labyrinth des Lichts’, ‚Play’, ‚Golem’ und ‚Sensorium’ - sind erstmals umfassend in Österreich zu sehen. Die Veranstaltung findet unter der Schirmherrschaft von Außenminister Karel Schwarzenberg, dem oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer, dem südböhmischen Kreishauptmann Jiří Zimola und den Bürgermeistern aus Prag und Budweis statt. Eröffnet wird die Ausstellung durch seine Exzellenz, den Botschafter der Tschechischen Republik in Österreich, Jan Koukal.“

Da kann man also nur empfehlen hinzugehen, wenn so viele tschechische Künstler an einem Ort vereint sind?

„Auf jeden Fall. Die Ausstellung wird auch längere Zeit im oberösterreichischen Kulturquartier Linz zu sehen sein: vom 14. Juni bis 20. September.“

Autor: Till Janzer
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