Kunstschätze aus Burgen und Schlössern auf dem Hradschin (II)
Ein Großteil der tschechischen Burgen und Schlösser bleibt in der Wintersaison geschlossen. Trotzdem kann man derzeit eine Auswahl von Kunstwerken aus mehreren Residenzen besichtigen. Sie werden in einer Ausstellung auf dem Prager Hradschin gezeigt. In der vergangenen Ausgabe des „Spaziergangs durch Prag“ haben wir Sie bereits durch den ersten Teil der Schau geführt, nun folgt der zweite Teil.
„Wir haben uns aber entschieden, 2015 keine konkrete Adelsfamilie vorzustellen, sondern uns auf die tausendjährige Geschichte der Burgen und Schlösser auf dem Gebiet der Tschechischen Republik zu konzentrieren. Die Ausstellung über die Kunstschätze der verschiedenen Residenzen zeigen wir absichtlich auf der Prager Burg, die als ein Symbol des tschechischen Staates gilt. Zudem möchten wir die Besucher in der Schau damit bekannt machen, wie sich die Denkmalpflege in den vergangenen 25 Jahren, also seit der Wende von 1989, entwickelt hat. Denn der Komplex von Burgen und Schlössern, die das Tschechische Denkmalschutzamt verwaltet, gehört zu den bedeutendsten und größten in Europa. Wir möchten mit der Präsentation der Kunstschätze auch eine Diskussion darüber anregen, wie sich künftig um die Residenzen gekümmert werden sollte.“
Die Ausstellung über Burgen und Schlösser ist wie eine Führung durch die tausendjährige Geschichte der Böhmischen Länder gestaltet. In der vergangenen Ausgabe des Spaziergangs durch Prag haben wir den ersten Teil der Schau besichtigt – bis zur Renaissance. Die nachfolgende Barockzeit sei eine Epoche der großen Residenzen mit anspruchsvoll gestalteten Parkanlagen und Gärten gewesen, erläutert Kurator Petr Pavelec. Er hat die Ausstellung zusammengestellt.„Zu sehen sind hier Entwürfe und Baupläne für Barockschlösser und Gärten. Gezeigt werden einige Beispiele von Barockinterieurs. Ein wichtiges Phänomen, das wir hier hervorheben, sind die Galerien. In vielen Schlössern gab es schon seit der Renaissancezeit Gemäldegalerien. Viele der Gemälde, die hier hängen, gehören zu den wertvollsten Kunstwerken im gesamteuropäischen Maßstab. Dabei stammen sie alle aus böhmischen und mährischen Schlössern. In der Mitte des Saals steht eine der Allegorien der Laster von Bildhauer Matthias Bernhard Braun, und zwar die Plastik Hochmut. Sie stammt aus dem Schlossareal von Kuks in Ostböhmen.“
In der Barockzeit blühte auch die Theaterkunst auf. Einige Schlösser wurden zudem zu bedeutenden Zentren des musikalischen Lebens. Als Beispiel dafür wird in der Ausstellung das Schloss Náměšť nad Oslavou vorgestellt. Unter den Grafen Haugwitz wurde das Schloss ein international bekanntes Zentrum der Musik. Selbst der Komponist Antonio Salieri schrieb für den Schlossbesitzer einige Stücke. Graf Haugwitz hatte zudem gute Kontakte zum Komponisten Christoph Willibald Gluck.
Im 19. Jahrhundert suchten die Adeligen dem Kurator zufolge vor allem in England nach Inspiration. Von ihren Besuchen jenseits des Kanals brachten sie verschiedene Fachbücher über Architektur nach Böhmen. Petr Pavelec:
„Nach diesen architektonischen Vorbildern aus England ließen sie dann ihre Schlösser bauen – wie beispielsweise Hluboká / Frauenberg oder Hrádek u Nechanic / Bürgle. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlor der Adel allmählich seine reale Macht. Er bemühte sich nun darum, in den neuen Residenzen an die ruhmvolle Familiengeschichte zu erinnern. Dies gilt sowohl für Hluboká als auch für Hrádek u Nechanic.“ In der Ausstellung hängen zahlreiche Gemälde romantischer Maler des 19. Jahrhunderts. Für sie waren die Burgen und Schlösser ein beliebtes Motiv. Sie hielten die Baudenkmäler für wichtige Spuren der Geschichte in der Landschaft, sagt Petr Pavelec:
Technische Innovationen und das moderne Leben auf Burgen und Schlössern sind das Thema des abschließenden Teils der Ausstellung. Gezeigt werden mehrere Entwürfe für eine moderne Umgestaltung verschiedener Residenzen. Dazu gehören die Pläne des slowenischen Architekten Jože Plečnik für die Neugestaltung der Prager Burg sowie die Ideen zum Umbau des Schlosses in Nové Město nad Metují / Weckelsdorf, die vom slowakischen Architekten Dušan Jurkovič stammen. Zu den international berühmten Exponaten in diesem Teil der Ausstellung gehört das Porträt der Gräfin Mechtilde Lichnowsky von Maler Oskar Kokoschka, das sonst im Schloss Hradec nad Moravicí / Grätz zu sehen ist.
Das moderne Leben in den historischen Kulissen wird durch das Hauptexponat symbolisiert. Es ist ein Auto der Marke Benz, das Fürst Karel V. von Schwarzenberg gehörte, seines Zeichens Großvater des früheren tschechischen Außenministers Karel Schwarzenberg.„Neben dem Porträt des Fürsten sind auch seine Uniform und einige persönlichen Sachen zu sehen, die er einst in diesem Auto mithatte.“
Der Fürst starb zu Beginn des Ersten Weltkriegs am 6. September 1914 in Serbien an der Ruhr. Nach seinem Tod wurde das Auto auf Schloss Orlík aufbewahrt. Als die Kommunisten das gesamte Eigentum der Familie Schwarzenberg beschlagnahmten, gelangte das Auto ins Prager Nationalmuseum für Technik. Nach 1990 hätte Karel Schwarzenberg das Auto seines Großvaters zurückerhalten können. Er überließ es jedoch dem Museum, aus dem der Oldtimer für die Ausstellung ausgeliehen wurde.
Die Ausstellung ist unter dem Titel „Zámky objevované a opěvované“ (zu Deutsch etwa „Entdeckte und besungene Burgen und Schlösser“) in der Reitschule der Prager Burg zu sehen, und zwar noch bis 15. März. Die Reitschule ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.