Zur Jagd und ins Theater auf Schloss Kozel in Westböhmen
Das Schloss Kozel liegt am Rande der Gemeinde Šťáhlavy / Stiahlau, etwa 15 Kilometer südöstlich von Plzeň / Pilsen. Ein bisschen hält es sich versteckt. Denn der quadratische Bau rund um einen Schlosshof ist niedrig, und keine verschnörkelten Türme ragen in die Höhe. Desto mehr lohnt sich ein Besuch des Adelssitzes.
Das Schloss Kozel blickt auf eine relativ kurze Geschichte zurück. Als eines der wenigen klassizistischen Denkmäler hierzulande ist es kein Umbau eines älteren Gebäudes, sondern wurde zu Ende des 18. Jahrhunderts auf einer grünen Wiese errichtet.
Um den Namen des Schlosses Kozel, auf Deutsch heißt dies in etwa „der Bock“, ranken sich mehrere Legenden. Die adeligen Besitzer nutzten ihn nie, sondern bezeichneten den Herrensitz als Waldschloss bei Stiahlau.
Kozel heißt der Bock
Jan Polívka ist Mitarbeiter der Schlossverwaltung und Touristenbegleiter. Er erzählt:
„Der Name Kozel hängt mit der Bezeichnung einer Straßenkreuzung zusammen, die sich hier oberhalb unseres Schlosses befindet. Sie hieß Kozel oder Na Kozlu. Die Einheimischen, die hierher zur Arbeit kamen, sagten immer, sie würden zu Kozel gehen. Später wurde der Name auch auf das Schloss übertragen. Eine Legende besagt, dass die alten Slawen an dieser Stelle zur Zeit der Tagundnachtgleiche im Frühling eine Ziege opferten. Aus den Ausgrabungen, die der Burggärtner Franz Xaver Franz durchführte, wissen wir, dass es in der Gegend tatsächlich eine alte Siedlung gab, aber die Opferung von Ziegen ist nicht durch archäologische Funde belegt.“
Den Bau des Schlosses in Auftrag gegeben hat Johann Adalbert Czernin von und zu Chudenitz, Oberhofjägermeister des böhmischen Königreichs und Besitzer der damaligen Herrschaften Šťáhlavy und Nebílovy. Zu seinen Aufgaben gehörte es, Jagden zu organisieren. Er wählte den Ort am Fuße des Hügels Bor, um ein neues Jagdschloss zu errichten und die angrenzenden Jagdgebiete anzulegen. Jan Polívka weiß mehr:
„Die Veranstaltung von Jagden war ein Instrument informeller Diplomatie. Die Gäste wurden sorgfältig ausgewählt. Für diesen Ort entschied man sich, weil mehrere Dörfer in der Umgebung während der Hussitenkriege zerstört worden waren und nicht erneuert wurden. Stattdessen wurde in der Gegend aufgeforstet, sodass sich seitdem zwischen den Gemeinden Šťáhlavy, Rokycany und Mirošov ein großes Waldgebiet befindet. Noch heute sind hier mehrere Jagdvereine tätig. In den Wäldern gibt es Rehe und Wildschweine, und seit einigen Jahren kann man auch ab und zu einen Wolf sichten.“
Jagdschloss mitten im Wald
Das Schloss diente vor allem dazu, die Gäste während der Jagden in den umliegenden Wäldern zu beherbergen. Die Forste waren bereits zuvor als Wildgehege genutzt worden, aber damals wurde ein Netz sternförmiger Wege angelegt, angepasst an die Bedürfnisse der sogenannten Parforcejagden. Dabei handelt es sich um eine Hetzjagd, bei der die jagenden Hunde zu Pferd begleitet werden. Sie erfreute sich insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert bei den Adligen Europas großer Beliebtheit. Ende des 18. Jahrhunderts schwappte diese Mode auch auf Böhmen über.
Obwohl Johann Adalbert Czernin zweimal verheiratet war, starb er ohne Nachkommen und hinterließ das Anwesen seinem Großneffen Christian Waldstein-Wartenberg. Das war im Jahr 1816. Christian war nicht sehr glücklich über sein Erbe, das zudem mit Schulden belastet war. Schließlich wurde das Waldschloss zu seinem Zufluchtsort, nachdem er sich mit seinem Vater wegen seiner Heirat zerstritten hatte. Das Anwesen diente den jungen Eheleuten als Sommerdomizil, die Wintersaison verbrachten sie meist in Wien. Auf diese Weise nutzten sie das Schloss bis 1832, als Christian das Gut Mnichovo Hradiště / Münchengrätz von seinem Vater erbte.
„Christian Waldstein war eine äußerst interessante Persönlichkeit, man könnte fast sagen, er wäre ein geeigneter Protagonist für einen Hollywood-Film. Er verliebte sich in Maria Thun-Hohenstein, aber sein Vater erlaubte ihm nicht, seine Geliebte zu heiraten. Also widersetzte sich der Sohn dem Willen seines Vaters und begann hier, im Waldschloss in der Nähe von Pilsen, ein neues Leben. Später kam es zur Versöhnung zwischen Vater und Sohn, und Christian wurde Herr der Hauptresidenz der Waldsteins in Mnichovo Hradiště. Er nahm an den Feldzügen gegen Napoleon teil, wurde verwundet, und die Folgen seiner Verletzung beeinträchtigten ihn sein ganzes Leben lang. Die wichtigste Leistung Christian Waldsteins war jedoch, dass er auf Schloss Mnichovo Hradiště eine Konferenz abhielt, die ein diplomatischer Triumph seiner Zeit war. Der österreichische Kaiser, der russische Zar und der preußische Herrscher waren anwesend.“
Christian und Maria hatten acht Kinder. Ihr erstgeborener Sohn Ernst erbte das Schloss Kozel und lebte dort mit seiner Familie. Die Residenz befand sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Besitz des Hauses Waldstein.
Czernin und Waldstein
Das klassizistische Jagdschloss wurde Ende des 18. Jahrhunderts als vierflügeliges, einstöckiges Gebäude um einen rechteckigen Innenhof erbaut. Den Entwurf lieferte der Prager Architekt Wenzel Haberditz. Nach fünfjähriger Bauzeit wurde das Gebäude 1789 fertiggestellt. Später wurden noch eine Kapelle, eine Reithalle, ein Pferdestall und ein Lakaienhaus nach den Plänen von Johann Ignaz Palliardi hinzugefügt.
„Wenn man sich dem Schloss nähert, fällt sein schlichtes Äußeres auf. Dies weist auf den aufkommenden klassischen Stil hin, der nach der Opulenz des Barock und des Rokokos zur Natur und Schlichtheit zurückkehren wollte. So schlicht sieht das Schloss allerdings nur von außen aus. Seine Innenräume sind das genaue Gegenteil – sie sind mit üppigen Gemälden im Stil des Spätbarock und des Rokokos geschmückt. Nur ein paar Räume für Familienmitglieder und Bedienstete wurden zurückhaltender eingerichtet, also bereits im Geiste des Klassizismus.“
Die Zimmer im Schloss sind im Sinne der sogenannten Enfilade aneinandergereiht. Das bedeutet, dass die Türen in einer Linie exakt einander gegenüberliegen. Dies hat zur Folge, dass man bei geöffneten Türen vom ersten Raum bis zur Wand des letzten Raums blicken kann. Bei einem Rundgang kommt man unter anderem in den Rauchersalon mit Kartentischen und Pfeifen sowie ein Schlafzimmer mit einer Nachtvase und anderen Dingen, die zum Komfort und zur Hygiene im 19. Jahrhundert dienten. Im Musiksalon stehen eine Hausorgel, ein Klavier und eine Harfe. In der Bibliothek befinden sich viele hundert Bücher. Die Wände sind mit Porträts von Kaiserin Maria Theresia und den Schlossbesitzern geschmückt.
In der Eingangshalle fällt ein Set von vielen kleinen Glocken auf. Mit Hilfe eines komplizierten Glockensystems wurden die Bediensteten herbeigerufen, die auf ihren Einsatz warteten:
„Diese Glocken waren mit den einzelnen Zimmern verbunden, und die Diener wussten, wohin sie gehen mussten, je nachdem, welche Glocke läutete. Jede Glocke hatte einen etwas anderen Ton, so dass auch durch die Tonhöhe klar war, wohin der Diener gerufen wurde. Die Glocken hier sind erhalten, und in einem Raum sogar der Glockenzug. Allerdings verläuft dieser in der Deckenkonstruktion und ist daher nur schwer zugänglich.“
Schlichtes Äußeres und üppige Innenräume
Ein anderer Eingang führt zu einem Juwel des Schlosses, dem Theater. Es wurde im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts im ehemaligen Pferdestall errichtet. Dort spielten keine professionellen Ensembles, sondern die jüngeren Mitglieder der Familie kamen auf die Bühne und führten vor der älteren Generation und den Gästen Theaterstücke auf. Derzeit finden dort keine Aufführungen statt – die alte Bühne und die Hinterbühne sind zu brüchig. Aber Jan Polívka hofft, das Theater wieder zum Leben erwecken zu können.
„Die Waldsteins waren bekannte Theaterliebhaber, denn alle ihre Sitze waren mit Theatern ausgestattet, ob in Litomyšl oder Mnichovo Hradiště. Kozel bildet da keine Ausnahme. Wir haben den Vorteil, dass unser Theater im Vergleich zu den anderen Theatern sehr klein ist und nie modernisiert wurde. Es gibt auch zwei Original-Bühnenbilder. Das eine ist hier installiert, eine Waldkulisse, und das zweite ist ein Burggemach. Vergangenes Jahr wurden die Bühnenbilder grundlegend restauriert. Unser Ziel ist, auch die Bühnenmaschinerie zu restaurieren, um die Kulissen im Laufe der Zeit wechseln zu können.“
Vom Schloss aus gelangt man auf eine Terrasse, die eine schöne Aussicht auf die Landschaft und den Schlosspark bietet. Auf einer Anhöhe steht ein Brunnen, in dessen Mitte die Skulptur eines liegenden Hirsches zu sehen ist. Die Legende dazu geht so: Als hier im Wildgehege weiße Hirsche gehalten wurden, bedrohte ein kräftiges Männchen die Herde und die Menschen. Doch niemandem gelang es, den Hirsch zu fangen, bis ein junger Adjutant eine Kugel aus einem Silberkreuz gießen ließ und ihn mit dieser traf. Jan Polívka fährt fort:
„Zu dieser Zeit soll sich der Bildhauer Ignaz Platzer im Waldschloss aufgehalten haben, um die Skulptur eines weißen Hirsches für die Schlossterrasse zu formen. Es heißt, der Hirsch sei nicht sofort verendet, nachdem er von der Kugel getroffen wurde, sondern der Adjutant habe ihn bis zur Terrasse verfolgt. Dort soll der Hirsch angeblich gestorben und versteinert sein. Und als Platzer am nächsten Morgen aufstand, war die Skulptur angeblich ohne sein Zutun fertig. Wir haben die Statue vor ein paar Jahren restauriert, so dass sie jetzt wirklich schön ist.“
Park nach Wiener Art
Das Schloss ist von einem großen Landschaftspark umgeben. Sein Aussehen geht auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück, als die Residenz den Waldsteins gehörte. An der Gestaltung beteiligte sich der Gärtner Franz Xaver Franz, der unter anderem in den Gartenanlagen von Schloss Schönbrunn bei Wien ausgebildet wurde. Neben seinem Hauptberuf war Franz auch leidenschaftlicher Fotograf und Archäologe, der in der Umgebung zahlreiche Ausgrabungen durchführte. Im Park pflanzte eine Reihe von exotischen, aus der ganzen Welt importierten Bäumen und errichtete am dortigen Bach eine Kaskade aus vier Teichen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Park erweitert. Heute wachsen darin 50 Arten von Nadelbäumen und 111 Arten von Laubbäumen.
Die Führungen durch das Schloss finden in der Touristensaison bis Ende September statt. Der Park steht für die Besucher das ganze Jahr über offen.