Kunstschätze aus Burgen und Schlössern: Ausstellung auf dem Hradschin

St.-Maurus-Reliquienschrein (Foto: Martina Schneibergová)

Viele der tschechischen Burgen und Schlösser bleiben in der Wintersaison geschlossen. Trotzdem können Interessierte in diesem Winter die wertvollsten Kunstschätze, die sonst in den verschiedenen Residenzen zu sehen sind, bewundern. Für eine Ausstellung in der Reitschule der Prager Burg wurden Exponate aus dem ganzen Land zusammengetragen, vor einigen Tagen wurde sie eröffnet.

Petr Pavelec  (Foto: Martina Schneibergová)
Die neue Ausstellung auf der Prager Burg ist als Führung durch die tausendjährige Geschichte der Böhmischen Länder gestaltet. Dargestellt wird der historische Verlauf anhand der Entwicklung der Adelsresidenzen. Man habe rund 600 Exponate aus ganz Tschechien zusammengetragen, sagt Kurator Petr Pavelec:

„Wir haben die Schau wie ein offenes Buch gestaltet. Sie öffnet mit einem Prolog, es folgen einzelne Kapitel sowie ein Epilog. Wir wollten darauf aufmerksam machen, dass die Burgen und Schlösser Orte waren, wo sich Einflüsse aus dem Ausland und der zu der Zeit bekannten Welt verdichteten. Wenn man beispielsweise über die Renaissance spricht, ist der Einfluss der italienischen Renaissance-Künstler auf das Leben in den Residenzen in Böhmen, Mähren und Schlesien nicht wegzudenken. In der Barockzeit diente der Hof von Louis XIV. als ein unerreichbares Vorbild für alle hiesigen Schlossbesitzer. Im 19. Jahrhundert sind Einflüsse des englischen Historismus und der Romantik zu verzeichnen.“

Tür von der Burg Karlštejn  (Foto: Martina Schneibergová)
Das erste und größte Exponat ist die Tür von der Burg Karlštejn / Karlstein. Vorbei an der monumentalen Tür aus dem 14. Jahrhundert geht es in die Ausstellung. Kurator Pavelec:

„Wir haben die Tür restaurieren lassen. Es wurden neue dendrologische Analysen durchgeführt, um das genaue Alter des Holzes, aus der sie hergestellt wurde, zu bestimmen. Dabei hat sich bestätigt, dass es aus der Zeit kurz nach 1350 stammt. Es handelt sich also wirklich um die Tür, durch die Kaiser Karl IV. die Burg betrat. Die Tür wiegt etwa eine Tonne. Ihr Transport – zuerst ins Atelier der Restauratoren und danach in die Reitschule – war die schwerste logistische Operation in der Vorbereitung der Ausstellung. Ich bin davon überzeugt, dass die Tür nach dem Ende dieser Ausstellung auch in Karlštejn mehr Aufmerksamkeit erhalten wird.“



Cosmas-Chronik  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Ausstellung wird mit der sogenannten Cosmas-Chronik eingeleitet. Cosmas (1045-1125) war Kanoniker am Prager Domkapitel. Der Chronist bemühte sich, nicht nur alles, was geschah, zu notieren, sondern versuchte auch zu formulieren, worin der Sinn der tschechischen Geschichte besteht.

„In den ersten Absätzen der Chronik ist die bekannte Prophezeiung der mythischen böhmischen Fürstin Libuše (Libussa) zu lesen. Sie sagt darin, sie sehe eine Burg, deren Ruhm den Himmel berühren werde. Von dieser Burg aus würden zwei goldene Olivenbäume wachsen, der eine werde Václav (Wenzel) und der andere Vojtěch (Adalbert) heißen. Das hat der Chronist vor fast 1000 Jahren niedergeschrieben. Cosmas hat hier auf der Burg gelebt, er passierte also genau den Ort, an dem wir uns nun befinden, als er zu seinem Arbeitsplatz als Kanoniker ging.“

Fürstin Libuše  (Foto: Martina Schneibergová)
In den ersten Wochen der Ausstellung wird in der Reitschule ein alter Druck der Cosmas-Chronik ausgestellt, der aus der Bibliothek der Burg Křivoklát / Pürglitz stammt. Danach wird dort einige Tage lang die älteste Version der Chronik zu sehen sein, die sogenannte „Bautzener Handschrift“ aus dem 13. Jahrhundert, die im Nationalarchiv aufbewahrt wird. Die Chronik symbolisiert die Anfänge der Burgengeschichte, der frühmittelalterlichen slawischen Burgstätten sowie später des Burgensystems, auf das sich der junge Přemysliden-Staat stützte. Ergänzt wird das Buch durch große Gemälde, die Fürstin Libuše und ihren Mann Přemysl den Pflüger zeigen. Petr Pavelec:

„Das sind Gemälde aus den sogenannten ´Herrscherzyklen´. Auf den Burgen und Schlössern wurden derartige Bilderzyklen schon immer gezeigt, um die Kontinuität der Herrscher zu demonstrieren.“

Foto: Martina Schneibergová
Ein weiterer Teil der Ausstellung zeigt verschiedene Aspekte des Lebens auf den Burgen zur Zeit, als sie ihren größten Aufschwung erlebten. Die Burgen galten als Verwaltungszentren, spielten eine wichtige Rolle bei der Verteidigung des Gebiets und erfüllten kirchliche sowie kulturelle Funktionen. Der Kurator:

„Zu sehen sind hier sehr wertvolle archäologische Funde von der Burg Landštejn / Landstein. Ausgestellt sind zudem einige Teile der Inneneinrichtung der mittelalterlichen Residenzen. Dazu gehört eine große Tapisserie, die schon fast aus der Renaissance stammt, sie hängt sonst im Schloss in Moravská Třebová / Mährisch Triebau. In Böhmen gibt es keine andere Tapisserie dieser Art.“



Brunnengitter aus dem Schloss in Jindřichův Hradec  (Foto: Martina Schneibergová)
Ein vergoldetes und bunt gefärbtes Brunnengitter aus dem Schloss in Jindřichův Hradec / Neuhaus symbolisiert den neuen Lebensstil in der Renaissance. Zu dieser Zeit mussten die Burgen keine Verteidigungsaufgaben mehr erfüllen. Sie verwandelten sich in prunkvolle Residenzen, die von Gärten und Wildgehegen umgeben waren. Das Gitter vom Schlosshof in Jindřichův Hradec gestaltete Schmied Andreas Anfang des 17. Jahrhunderts als Hochzeitsgeschenk für Jáchym von Hradec und Marie von Hohenzollern. Er schmückte das einzigartige Werk mit Engeln, fünfblättrigen Rosen und Tierfiguren. Weil das Original bis Mitte März in der Prager Ausstellung zu sehen ist, steht im Schlosshof bis dahin eine Kopie. Häufig suchten die Adeligen in Italien nach Inspiration, meint der Kurator:

Portrait von Graf Collalto von Paolo Veronese  (Foto: Martina Schneibergová)
„Das Portrait von Graf Collalto von Paolo Veronese, das hier zu sehen ist, ist ein hervorragendes Werk, das oft an namhafte Galerien in der Welt verliehen wird. Das Gemälde hängt normalerweise im Schloss in Jaroměřice nad Rokytnou / Jarmeritz. Wir zeigen im selben Raum auch eine Reiterrüstung aus der Renaissancezeit. Sie stammt aus dem Schloss Konopiště / Konopischt. In Europa gibt es keine vergleichbare Reiterrüstung, es ist wirklich ein Spitzenwerk.“

Im mittleren Teil der Ausstellung wird die chronologische Darstellung unterbrochen. In das geometrische Zentrum der Schau habe man den symbolischen Mittelpunkt platziert, so Petr Pavelec:

„Dieser Teil ist den Burgkapellen, Kirchen und Grabstätten gewidmet. Er fordert den Besucher zum Nachdenken über spirituelle Dinge auf. Im Blickpunkt steht die Kreuzkapelle von der Burg Karlštejn. Gezeigt werden Originalgemälde von Magister Theodoricus. Kaiser Karl IV. hat die Kreuzkapelle als sakralen Mittelpunkt seines Reichs gestalten lassen. In der Kapelle wurden Jahrhunderte lang die wertvollsten Gegenstände, darunter die Kronjuwelen aufbewahrt. Die Sankt-Wenzels-Krone befand sich dort seit Beginn des 15. Jahrhunderts bis zum Dreißigjährigen Krieg. Wir zeigen außerdem den einzigartigen St.-Maurus-Reliquienschrein. Das Kunstwerk gelangte erst im 19. Jahrhundert nach Böhmen. Zum ersten Mal wird der Schrein neben Exponaten von der Burg Karlštejn und der Prager Burg ausgestellt.“

St.-Maurus-Reliquienschrein  (Foto: Martina Schneibergová)
Bei dem Reliquiar handelt es sich um Goldschmiedewerk, das mit Figuren aus vergoldetem Silber, Edelsteinen und antiken Gemmen verziert ist. Der Schrein wurde auf dem Gebiet des heutigen Belgiens für die Reliquien der Heiligen Johannes der Täufer, Maurus und Timotheus geschaffen. 1889 hat ihn das Adelsgeschlecht der Beauforts, denen damals die Burg Bečov gehörte, nach Böhmen gebracht. 1945 mussten die Beauforts die Tschechoslowakei verlassen. Das Reliquiar ließen sie zurück und versteckten es unter dem Boden der Burgkapelle.

Die Ausstellung ist unter dem Titel „Zámky objevované a opěvované“ (zu Deutsch etwa „Entdeckte und besungene Burgen und Schlösser“) in der Reitschule der Prager Burg täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen.