Kunstschnee und der Traum vom Wasserkraftwerk – Blick hinter die Kulissen des Skigebiets Klínovec

Skigebiet Klínovec

In den Bergen Tschechiens liegt noch genügend Schnee zum Skifahren. Das gilt auch für das Erzgebirge und das dortige größte Skigebiet am Keilberg, dem Klínovec. Doch wie funktioniert eigentlich der Betrieb einer modernen Skisause? Mit welcher Technik wird der Schnee bearbeitet, und wie teuer und energieaufwendig ist die Beschneiung?

Foto: CzechTourism
Skipiste Pařezovka am Keilberg | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Flott abzuschwingen, beispielsweise auf der Pařezovka auf der Nordseite des Keilbergs oder auf der langen Jáchymovská auf der Südseite der höchsten Erhebung im Erzgebirge, das lässt sich in diesen Tagen bei guten Bedingungen. Zwar lagen am Dienstag nur rund 40 Zentimeter Schnee auf den Pisten, aber moderne Raupentechnik sorgt im Skigebiet Klínovec für eine gleichmäßige Unterlage. Außerdem können 80 Prozent des Areals mit seinen knapp 32 Pistenkilometern beschneit werden.

„Das ist ein kleines Tabu, auf der anderen Seite werden die Möglichkeiten manchmal auch überschätzt. Aber die technische Beschneiung gehört heute zur Grundausstattung eines Skigebiets wie die Lifte und Sessellifte oder die Pisten und Pistenraupen. Das gilt nicht nur hier in Tschechien, sondern genauso in den Alpen – selbst auf 3000 Metern Höhe sind Schneekanonen zu sehen“, wirbt Libor Knot für Verständnis. Er leitet den Verband der tschechischen Erholungszentren in den Bergen (Asociace horských středisek).

Skipiste Jáchymovská am Keilberg | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Das Zentrum für die Produktion von Kunstschnee am Klínovec liegt neben der Talstation des Sessellifts Prima Express. Hier steht die Pumpstation, von der das Wasser 450 Meter hangaufwärts gedrückt wird. Jaromír Hradil ist technischer Leiter des Skigebiets:

„Rund anderthalb Kilometer hangabwärts befindet sich ein Rückhaltebecken, aus dem das Wasser kommt. Die Behörden geben uns vor, wie viel wir pro Jahr entnehmen und wie schnell wir das Becken entleeren oder befüllen dürfen. Wir sind also nicht nur eingeschränkt durch eine bestimmte Außentemperatur, ab der es sich erst lohnt zu beschneien, sondern auch durch die Wassermenge für die Entnahme.“

2014 wurde die Pumpstation in Betrieb genommen. Gesteuert wird sie in einer rund zehn Kilometer entfernten Zentrale auf der Nordseite des Keilbergs. Dort regelt ein Mitarbeiter, an welche der Pisten das Wasser für den Kunstschnee geleitet wird.

„Unter hohem Druck wird Wasser mit Luft vermischt, sodass Eiskristalle entstehen. Diese kleben je nach Temperatur aneinander. Und auf einmal entsteht eine wunderbare Eisflocke. Dabei kommt keine Chemie zum Einsatz, nur das Wasser aus dem Teich. Destilliertes Wasser würde nicht funktionieren, denn die kleinen Verschmutzungen aus dem Teich sind nötig, damit sich die Kristalle miteinander verbinden. Auch Trinkwasser funktioniert nicht“, erläutert der technische Leiter.

Foto: Tuor,  Pixabay,  Pixabay License

Im Kunstschnee steckt allerdings eine beträchtliche Menge an Energie – das ist die größte umweltschädigende Komponente der Technik, abgesehen vom Wasserverbrauch. Hradil präzisiert:

„Wir verbrauchen 3,6 Gigawattstunden Strom pro Jahr für das gesamte Skigebiet. Dabei ist das Beschneien am energieaufwendigsten. Zum Vergleich: Der Sessellift da drüben hat eine Leistung 400 Kilowatt, aber von den drei Pumpmotoren schafft jeder einzelne so viel. Die Pumpstation entspricht also in ihrem Verbrauch drei Sesselliften.“

Sessellift | Foto: CzechTourism

Doch der Marketingleiter des Areals, Martin Koky, ist um eine Einordnung bemüht. Ein Drittel des Gesamtenergieverbrauchs am Klínovec gehe auf die Beschneiung zurück, sagt er:

„Das klingt wie eine große Zahl, aber sie verteilt sich aufs ganze Jahr inklusive dem Sommerbetrieb der Sessellifte. Unser Energieverbrauch für die Beschneiung liegt im Bereich eines mittelständischen Betriebs. Nur dass das Skifahren viele weitere Unternehmer in der Region ernährt. Und wir befinden uns in einer eher ärmeren Gegend Tschechiens, in der ganz allgemein der Tourismus die einzige Einnahmequelle bildet. Deswegen halte ich die Gelder auch angesichts des Verhältnisses von Umweltbelastung und Preis für relativ gut investiert. Denn wir sind im Grunde ein Industriebetrieb wie jeder andere.“

Skigebiet Klínovec | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Allerdings geht es in dem Skigebiet durchaus noch deutlich umweltfreundlicher. Jaromír Hradil als technischer Leiter denkt an ein eigenes Pumpspeicherkraftwerk. Dies sei ein kleiner Traum, sagt er mit Begeisterung. Allerdings würde dieser im Nebental im Bereich Neklid entstehen: Oben soll es ein Rückhaltebecken mit 23.000 Kubikmetern Wasser geben und 240 Höhenmeter darunter die Auffangbecken.

„Wenn sich dies umsetzen lässt, wären wir in Sachen Strom theoretisch unabhängig. Dies gilt zwar nicht für die Zeit der Beschneiung, aber wir würden im Sommer elektrische Energie erzeugen und in das Leitungssystem des Konzerns ČEZ einspeichern, wobei wir die Menge im Winter wieder entnehmen. Dieses kleine Wasserkraftwerk würde 70 Prozent der elektrischen Energie decken, die wir verbrauchen. Wir wären also Stromproduzent und Stromverbraucher in einem“, so Hradil.

Rückhalte- und Auffangbecken sind laut Hradil auch schon im Flächennutzungsplan vorgesehen.

Datenbasiertes Schneemanagement

Pistenraupe mit Snowsat-Technologie | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Die Frage des Energieverbrauchs ist natürlich auch eine der Finanzen. Und Kosten zu sparen hilft im Skigebiet mittlerweile ebenso ein datenbasiertes Schneemanagement auf den Pisten. Jaromír Hradil bittet oben auf dem Keilberg in die Kabine der Pistenraupe. Man solle beide Füße auf die Erhöhungen stellen und sich hinsetzen, instruiert der technische Leiter und erklärt die Anlagen:

„Der zusätzliche Monitor ist für die Technologie Snowsat zuständig. Links auf dem Display sehen Sie den Wert 0,68 Meter – das ist die genaue Schneehöhe unter der Maschine. Zudem wird eine bunte Karte angezeigt. Links ist zum Beispiel ein roter Fleck zu sehen, dort wird nicht Ski gefahren, und es liegt nur 20 Zentimeter Schnee.“

Skigebiet Klínovec - Pistenraupe mit Snowsat-Technologie | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Über das System wird also nicht nur die Schneehöhe unter dem Fahrzeug erfasst, sondern auch die davor und daneben. Dazu braucht es die geologischen Grunddaten, die im Sommer per Laserscanner aus dem Flugzeug gewonnen werden. Was dann aktuell an Schnee liegt, kann Snowsat bei der Fahrt mit der Pistenraupe direkt erkennen…

„Wir haben Snowsat nun in der zweiten Saison in diesem Fahrzeug. Und beim neuen Pistenbully, den wir dieses Jahr gekauft haben, haben wir gleich darauf geachtet, dass diese Technologie schon eingebaut ist. Denn nach der vergangenen Saison haben wir festgestellt, dass uns diese Technik jede Menge Zeit und Geld spart. Weil wir den Schnee besser verteilen können, verbrauchen wir weniger Diesel für die Raupen. Man will ja nicht an der einen Stelle anderthalb Meter tief Schnee haben und an einer anderen nur 40 Zentimeter“, sagt Jaromír Hradil.

Von den insgesamt neun Pistenbullys im Skigebiet haben aber nur zwei die neue Technologie. Laut Hradil macht dies aber nichts aus. Die Fahrer dieser zwei Raupen würden die Pisten vorher abfahren und so den Kollegen die entsprechenden Karten bereitstellen können, die diese vor ihrem Einsatz in ihren Büros einsehen.

Skischaukel mit dem Fichtelberg?

Foto: SKIAREÁL KLÍNOVEC

Das Skigebiet am Keilberg gehört zu den drei größten in Tschechien neben den beiden Riesengebirgsdestinationen Špindlerův Mlýn / Spindlermühle und Černá hora-Pec / Schwarzberg-Petzer. Seit dieser Saison befindet sich hier auch die längste Abfahrt im Land: die 3,4 Kilometer lange blaue Piste Lázenská. Marketingchef Martin Koky:

„Diese Abfahrt haben wir aus bestehenden Umfahrungen der Jáchymovská geschaffen, die bisher nicht für eine intensive Nutzung hergerichtet waren und von den Besuchern kaum genutzt wurden. Das fanden wir schade, und deswegen haben wir Umbauten vorgenommen. Die Umfahrungen wurden verbreitert und werden nun auch beschneit. So ist eine schöne blaue Piste entstanden. Dadurch können nun auch Familien mit Kindern oder nicht ganz so erfahrene Skifahrer auf der Südseite des Skigebiets parken, weil sie nun nicht mehr die teils sehr steile Jáchymovská hinunter müssen. Familien und Anfänger haben früher lieber die Nordseite des Keilbergs angesteuert.“

Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Im Übrigen ist das Skigebiet am Keilberg mit dem nördlich anschließenden Fichtelberg verbunden. Ab einer Anderthalbtageskarte kann man mit demselben Ticket auf beiden Seiten der Grenze hinabschwingen. Die Verbindung läuft bisher über einen Skibus, der vom einen auf den anderen Gipfel fährt. Doch der Traum ist eine echte Skischaukel. Dies ist sogar in den Bereich des Realen gerückt…

„Wir haben jetzt eine weitere Verhandlungsrunde mit der deutschen Seite eröffnet. Die Leute von dort waren schon mehrfach bei uns, aber irgendwie ist es nie von Erfolg gekrönt gewesen. Deswegen möchte ich jetzt auch nicht voreilig sein. Aber die Sache ist nicht tot, und wir bemühen uns weiter“, betont Martin Koky.

Der Marketingleiter spricht dabei von zwei Varianten für das Projekt. Die eine würde bedeuten, dass die Skifahrer ins sogenannte Fuchsloch abfahren und sie auf beiden Seiten jeweils ein Lift nach oben bringen kann.

„Die zweite Variante ist eine Kabinenbahn zwar nicht direkt von Gipfel zu Gipfel, aber zwischen beiden Bergen. Sie würde nur zur Personenbeförderung dienen.“

Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Beide Varianten seien bereits zu Papier gebracht, die Verhandlungen mit allen Verantwortlichen inklusive Politikern liefen aber noch, sagt der Marketingchef. Und er fügt hinzu, dass am schwierigsten das Einholen aller Genehmigungen sei. Der Bau an sich könne dann innerhalb von einem Jahr bewerkstelligt werden, so Martin Koky.

„Wenn wir beide Gebiete miteinander verbinden, würde die größte Skischaukel zwischen dem Baltikum und den Alpen entstehen. Das wäre außergewöhnlich. Oberwiesental ist für die Deutschen ein wichtiger Touristenort mit vielen Servicebetrieben und Unterkunftsmöglichkeiten. Deswegen denke ich, dass eine Verbindung beider Areale für alle von Vorteil wäre.“

Im Übrigen machen Deutsche rund 40 Prozent der Besucher des Skigebiets aus. Das ist einer der höchsten Werte aller tschechischen Wintersportorte.

Foto: CzechTourism
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Autor: Till Janzer
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