Labor der Macht: das Mausoleum auf dem Vítkov-Hügel

Nationale Gedenkstätte auf dem Vítkov-Hügel (Foto: Barbora Kmentová)

Die nationale Gedenkstätte auf dem Vítkov-Hügel in Prag ist nicht zu übersehen. Das funktionalistische Gebäude wurde in den 1920er Jahren erbaut, die große Reiterstatue des Heerführers Žižka wurde dort 1950 enthüllt. Das Gebäjude sollte ursprünglich als Gedenkstätte für die neue Tschechoslowakische Republik dienen. In den 1950er Jahren verwandelten die Kommunisten die Gedenkstätte in ein Mausoleum, in dem der erste kommunistische Präsidente Gottwald einbalsamiert und aufbewahrt wurde. Am 25. Februar dieses Jahres wurde in den erhaltenen Räumlichkeiten des einstigen Mausoleums eine Ausstellung mit dem Titel: „Das Labor der Macht“ eröffnet.

Nationale Gedenkstätte auf dem Vítkov-Hügel
Die Nationale Gedenkstätte auf dem Vítkov-Hügel im Prager Stadtteil Žižkov wird vom Nationalmuseum betreut. Als eine Warnung vor totalitären Regimes soll die neue Dauerausstellung dienen und den Besuchern die Atmosphäre der stalinistischen Zeit näher bringen. Der Kurator Marek Junek dazu:

„Die 1950er Jahre waren in der Tschechoslowakei die Zeit der politischen Prozesse, der Industrialisierung und einer gewaltsamen Kollektivierung. In den 1950er Jahren begann aber auch ein Teil der Bevölkerung, der zuvor die Kommunisten unterstützte, realistisch zu denken. Sie wurden durch die Währungsreform von 1953 dazu angeregt, durch die sie vom Staat beraubt wurden. Ein Symbol der 1950er Jahre ist gewissermaßen auch die Nationale Gedenkstätte. Im Sommer 1948 wurde hier Präsident Beneš nach seinem Tod drei Tage lang aufgebahrt. Während des Jahres 1948 galt das Gebäude immer noch als Gedenkstätte für die tschechoslowakischen Legionäre. Dies sollte sich in den nächsten Jahren ändern. 1950 begannen die Historiker, nicht nur die tschechoslowakischen Legionäre, sondern auch Präsident Masaryk und Präsident Beneš scharf zu kritisieren. Alles, was an die Erste Republik erinnerte, wurde abgelehnt. Man begann zu überlegen, wie die Vítkov-Gedenkstätte entsprechend genutzt werden könnte. Im Gebäude gab es damals viele Kunstwerke, die an jene tschechoslowakische Legionäre erinnerten, die gegen die Bolschewiken in Russland gekämpft hatten.“

Klement Gottwald
1950 wurde beschlossen, die Gedenkstätte aus der Ersten Republik in ein Pantheon der Proletarier zu verwandeln. Es wurden dort zuerst nur Urnen mit der Asche einiger führender kommunistischer Politiker bestattet. Als dann der erste kommunistische Staatspräsident Klement Gottwald am 14. März 1953 starb, wurde die Gedenkstätte in ein Mausoleum für Gottwald umgewandelt. Der Stalinist und Massenmörder sollte jedoch entsprechend luxuriös bestattet werden. Marek Junek:

Marek Junek
„Im Laufe des Jahres 1953 wurde das Gebäude umgebaut. Es entstanden unterirdische Räumlichkeiten, in denen Gottwalds Leiche einbalsamiert wurde. Um die Leiche kümmerten sich anfangs sowjetische und später tschechische Ärzte. Der Hauptsaal der Gedenkstätte, der ursprünglich für den ersten tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomáš Garrigue Masaryk bestimmt war, wurde in einen Raum umgebaut, in dem ein Sarkophag mit Gottwalds Mumie ausgestellt wurde. Die Mumie lag neun Jahre lang in der Gedenkstätte. Erst im April 1962 beschloss die kommunistische Führung, die Leiche einzuäschern.“

Im Volk erzählte man, dass die Mumie zerfiel, weil der so genannte Arbeiterpräsident ein großer Säufer gewesen war. Marek Junek zufolge wurde der balsamierte Diktator vor allem aus politischen Gründen aus der Gedenkstätte entfernt.

Mausoleum auf dem Prager Vítkov-Hügel  (Foto: Barbora Němcová)
Um die Atmosphäre der grausamen 1950er Jahren den Besuchern näher zu bringen, hat der Historiker mit seinen Mitarbeiten in den authentischen unterirdischen Räumlichkeiten eine Ausstellung mit dem Titel „Das Labor der Macht“ eingerichtet. Es gibt dort aber nur wenige Exponate. Marek Junek:

„Wenn man die unterirdischen Gänge betritt, spürt man sofort die beengte Atmosphäre der damaligen Zeit. Den Architekten der Ausstellung gelang es, die Räumlichkeiten entsprechend zu nutzen. Es war unser Ziel, zu demonstrieren, wie sich die Bewohner der Tschechoslowakei in den 1950er Jahren fühlten. Wenn der Besucher in den halb dunklen Gängen ein Licht der Hoffnung erblickt, lauern wiederum gleich Maschinengewehre oder es erwartet ihn der tote Gottwald. Aus dem Raum kann man nicht flüchten. Das Labor der Macht stellt die Tschechoslowakei von 1950 dar und auch alles, was mit der Verwandlung der Gedenkstätte in ein Mausoleum zusammenhing.“

Sarkophag  (Foto: Barbora Němcová)
Aus dem Hauptsaal der Gedenkstätte, wo in den 1950er Jahren im verglasten Sarkophag Gottwald ausgestellt wurde, führen einige Treppenstufen nach unten ins Labor der Macht. In den eher dunklen engen Gängen ist es nicht ganz still, das Lüftungssystem ist verhältnismäßig laut. Ivan Malý beteiligte sich an der Gestaltung des „Labors der Macht“.

„Hier befinden wir uns in den Räumlichkeiten, von denen aus die gesamte Technik des Mausoleums gesteuert wurde: hier wurde ständig die Temperatur sowie die Feuchtigkeit gemessen und aufrechterhalten. Hier war 24 Stunden lang immer ein Wächter. Die Lüftungsanlage, die hier 1953 installiert wurde, war für die 1950er Jahre wirklich eine technische Errungenschaft.“



Bevor man den so genannten medizinischen Raum des Mausoleums betritt, kann man in einer Ecke noch einen Dokumentarfilm über das Mausoleum sehen. Der letzte und größte Raum erinnert an einen Obduktionssaal. Ivan Malý macht auf das beleuchtete und verglaste Labor aufmerksam:

„Hier sieht man den Raum, aus dem jeden Tag Gottwalds Mumie nach oben gefahren wurde. Diesen Raum durfte nur jenes Ärzteteam betreten, das sich um die Mumie kümmerte. Zudem arbeiteten hier zwei Krankenschwestern. Seit Mitte der 1950er Jahren betreuten fünf tschechoslowakische Ärzte die Mumie. Vorher waren hier Spezialisten aus Russland tätig. Die Ärzte kontrollierten den Zustand der Mumie sowie die Feuchtigkeit und die Lufttemperatur. Die Angaben mussten in das so genannte ´Balsamierungsbuch´ eingetragen werden, das ebenfalls hier ausgestellt ist. Wenn der Arzt den Raum verließ, musste er ihn versiegeln. Niemand anderer durfte ihn betreten.“

Foto: Barbora Němcová
Etwa einmal im Jahr wurde Ivan Malý zufolge Gottwalds Mumie gründlicher untersucht. Diese Operation durfte jedoch nicht das hiesige Ärzteteam allein durchführen:

„Zu dieser Remontage des Körpers sind immer Experten aus Russland gekommen. Die Mumie wurde neu präpariert. Die hiesigen Ärzte waren nur für die übliche Pflege zuständig. Aus den Eintragungen der Ärzte wissen wir, dass sie um 6 Uhr morgens hier ankamen. Sie ließen die Mumie runterfahren, haben sie kontrolliert und danach wurde sie wieder nach oben gefahren.“

Wer konkret auf die Idee kam, den toten Diktator einzubalsamieren, wissen die Historiker nicht.

„Es ist kaum begreiflich. Wir halten es für einen Versuch, an die Einbalsamierung von Lenin und von Stalin anzuknüpfen.“

Wenn der Besucher wieder durch einen engen Gang aus dem Labor der Macht an die frische Luft kommt, kann er nur erleichtert aufatmen, dass die Zeiten der einbalsamierten Diktatoren in Tschechien vorbei sind.

Damit sind wir fast am Ende des heutigen Spaziergangs durch Prag oder genauer gesagt durch das Labor der Macht angelangt. Falls Sie die Nationale Gedenkstätte in Prag bereits Mal besucht haben oder sie wenigstens fotografiert haben, können Sie uns Ihre Eindrücke schreiben oder die Fotos schicken. Aus den Zuschriften werden wir einen Gewinner auslosen und ihn mit einer CD mit tschechischer Musik belohnen. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2. Sie können uns auch eine Mail schicken an [email protected].

In der Februarsendung fragten wir Sie nach Ihrer Meinung über wenig geglückte Rekonstruktionen von Baudenkmälern in Prag. Wir bedanken uns für alle Zuschriften, einige davon haben wir in unserem „Hörerforum“ veröffentlicht. Eine CD geht diesmal an Wolfgang Bruch aus Schwarzenbach an der Saale.

Fotos: Barbora Kmentová