Mit Kranzniederlegungen als Sonder-Training: Eishockey-WM 1985

Tschechoslowakei holte die goldene Medaille bei der WM in 1985 (Foto: www.agrs.cz)

Vorige Woche hat in Deutschland die Eishockey-Weltmeisterschaft begonnen. Nach der Enttäuschung beim olympischen Turnier hoffen die tschechischen Eishockeyfans nun wenigstens bei der WM auf einen Medaillenerfolg. Denn Grund zum Feiern hatten sie in den letzten Jahren kaum. Vor 25 Jahren aber wurde die Eishockey-WM in Prag ausgetragen und der Titel ging an den Gastgeber, also die tschechoslowakische Nationalmannschaft. Eigentlich ein höchst emotionales Ereignis, müsste man meinen.

Tschechoslowakei holte die goldene Medaille bei der WM in 1985  (Foto: www.agrs.cz)
Von wegen große Feier mit den erfolgreichen Eishockeycracks, wie es die Tschechen seit dem Olympia-Sieg in Nagano kennen. 1985 konnten die Fans davon nur träumen. Zuvor hatten sie das letzte Mal 1969 einen Sieg in einem Eishockeyspiel groß auf dem Wenzelsplatz gefeiert. Tausende von Menschen jubelten damals über den Sieg der Tschechoslowaken gegen die Sowjetunion. Der kommunistische Geheimdienst missbrauchte aber die Versammlung und ließ die Schaufenster der Fluggesellschaft Aeroflot einschlagen. Dies war dann ein geeigneter Vorwand zu härteren Maßnahmen gegen die Gegner der Okkupation durch die Sowjets. Kurz darauf begann die Ära der so genannten „Normalisierung“. „Normalisiert“ – wie es offiziell hieß - wurden die Verhältnisse und mit ihnen auch das emotionale Erleben der Sportfans. In den Sportnachrichten vom 2. Mai 1985 erfährt man einen Tag vor dem Finale der Eishockey-Weltmeisterschaft nichts über die sportlichen Leistungen, sondern:

Goldmedaille der tschechoslowakischen Nationalmannschaft  (Foto: www.wikimedia.org)
„Die Teilnehmer der Eishockey-Weltmeisterschaft haben den Jahrestag des nationalen Befreiungskampfes des tschechoslowakischen Volkes geehrt. Sie legten Kränze am Sarkophag von Arbeiterpräsident Gottwald und rote Nelken im Gedenksaal der Roten Armee in der Nationalgedenkstätte in Vítkov nieder. Von dort aus reisten sie weiter auf den Friedhof Olšany, wo sie Kränze an den Gräbern sowjetischer Helden niederlegten.“

Das Sonder-Training mit den Kranz- und Blumenniederlegungen muss den Eishockeyspielern geholfen haben. Am 3. Mai war es beim Spiel gegen Kanada dann so weit. Der Sprecher lässt zwar keine Freude erkennen, aber:

Vladimír Růžička schießt ein Tor gegen die USA  (Foto: ČTK)
„Eine Minute und 36 Sekunden vor Spielschluss fingen die Kanadier mit einem Powerplay an, und 23 Sekunden vor dem Pfiff schoss Lála das fünfte Tor ins leere Tor. Die Freude der Spieler war riesengroß. Der Sieg über Kanada bedeutet, dass nach acht Jahren wieder die Tschechoslowakische Sozialistische Republik den Titel gewonnen hat.“

Ein paar Sekunden Jubel vom Eishockeystadion in der Live-Übertragung, mehr nicht. Auch der Kommentator zeigte eine kalte Miene, denn eigentlich hatte er - wenigstens offiziell im Auftrag des sozialistischen Fernsehens – den Russen die Daumen gedrückt. Den nächsten WM-Titel konnten die Fans aber, wie sie wollten, auch auf öffentlichen Plätzen feiern – 1996 holte das tschechische Team Gold bei der WM in Wien.