Landleben und Handwerk wie anno dazumal auf dem Gutshof Bernard

Foto: Maria Hammerich-Maier

Ein originelles Beispiel der Wiederbelebung historischer Bausubstanz findet sich im westböhmischen Braunkohlerevier bei Sokolov / Falkenau. Dort steht der Gutshof Bernard aus dem Jahr 1922. Benannt ist nach dem Deutschböhmen Bernard Seebohm, der Direktor eines Kohlebergwerks war und den Gutshof errichtete. 2003 kaufte die kleine Gemeinde Královské Poříčí / Königswerth den verödeten Fachwerkbau an. Sie ließ das Gehöft aufwändig renovieren und machte daraus ein Museums- und Kulturzentrum. Seit dessen Eröffnung 2006 werden hier Handwerkskunst und das Landleben gezeigt, wie es früher war, sowie volkstümliche Traditionen gepflegt. Maria Hammerich-Maier hat sich kundig gemacht, was man am Gutshof Bernard alles sehen und erleben kann.

Gutshof Bernard  (Foto: Maria Hammerich-Maier)
Führungen durch die Museen des Gutshofs Bernard gibt es auch auf Deutsch. Ich schließe mich der charmanten Führerin, Markéta Hájková, an, die in den Ferien am Gutshof Bernard aushilft. Zuerst geht es in das Museum der Landwirtschaft.

„In dieser Scheune haben wir Utensilien von bäuerlichen Haushalten. Sie sehen hier Geräte, mit denen Milch, Fleisch und Getreide verarbeitet wurden. Wir haben hier verschiedene Butterfässer, Buttermodels und auch eine Schleuder. Zum Bearbeiten von Fleisch sehen Sie hier Fleischwölfe, Pressmaschinen für die Würste, und ganz hinten ist Zubehör, das man zum Brotbacken verwendete.“

Foto: www.statek-bernard.cz
Viele der Ausstellungsstücke seien dem Museum gespendet worden. Wer zu Hause alte Sachen habe, sei willkommen, sie in die Sammlung einzubringen. Dies werde bei den Führungen auch immer verlautbart, und daher erhalte das Museum ständig Zuwachs an neuen Exponaten. Von den Haushaltsgeräten führt der Rundgang weiter landwirtschaftlichen Maschinen und Fuhrwerken.

„Hier ganz hinten haben wir Kutschen, Pferdewagen und einen Barockschlitten. In den dürfen sich die Besucher auch hineinsetzen. Und dazu gibt es zwei Geschirre. Eines für ein Pferdegespann und das andere für Ochsen.“

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Beim Rundgang von einer Stiege zur nächsten fallen Bauarbeitertrupps auf, die auf dem Freigelände des Hofs arbeiten. Die Führerin erklärt, dass sie gerade die Parkflächen erweiterten. Die Parkplätze würden für die volkstümlichen Großveranstaltungen benötigt. Populär sind zum Beispiel der alljährliche Karnevalsumzug im Februar, das historische Kostümfest im Sommer und der Kirchtag im September. Zu Ostern und im Advent gibt es saisonale Märkte. Nun nähern wir uns aber dem Museum des Landlebens.

„Dieses Museum ist das Werk von Herrn Zubko. Herr Zubko ist Restaurator, er hat auch eine Werkstatt hier auf dem Hof. Ja, und er hat das alles hier zusammengetragen.“

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Ein hölzerner Waschapparat, bei dem die Wäscherin die Wäsche mit einer Kurbel schwenken musste, fällt zunächst ins Auge. Daneben lehnen alte Skier an der Wand, auch sie aus Holz. Das Sportgerät scheut die Nachbarschaft von Musikinstrumenten nicht: ein Flügel, ein Harmonium und eine Zither sind die Kernstücke des Musiksalons. Von den historischen Rundfunkempfängern daneben ist einer so groß wie ein Kühlschrank. In der Bauernstube, die als nächstes kommt, erfährt man etwas über Familienhierarchien und Rituale.

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„Sehen Sie diesen Sessel hier. Der war wichtig, denn auf ihm durfte nur der Bauer sitzen. Die Schnitzfiguren, die als Sprossen der Lehne dienen, symbolisieren, dass sich der Bauer auf seine Familie stützen kann. Die Lehne wies so viele Figuren auf, als die Familie Mitglieder zählte. Bei jedem neu geborenen Kind wurde eine Figur hinzugefügt.“

Ab und zu wurden die Kinder wohl auch gemessen. Wie dies früher erfolgte, können die Museumsbesucher von heute nachvollziehen.

„Hier haben wir eine Messstation mit alten Maßen. Diese alten Maße wurden von König Przemysl Ottokar II. eingeführt. Früher wurde in Ellen gemessen. Eine Elle hatte drei Spannen, und eine Spanne entsprach zehn Fingern. Auch die Besucher können sich messen lassen, und sie bekommen ein Geleit mit, das bestätigt, dass Sie gemessen wurden.“

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Ich lasse mich also messen und mir ein Geleit ausstellen. Es bescheinigt Folgendes: „Wir bestätigen, dass der Besitzer von diesem Geleit ehrlich nach dem Maß von Przemysl Ottokar II., des Eisernen und Goldenen Königs, gemessen wurde.“ Ich messe zwei Ellen, zwei Spannen und fünf Finger. In tschechischer Sprachfassung heißt das Geleit „Glejt“.

In der Abteilung, in der König Przemysl Ottokar waltet, schimmern in einer Ecke ein paar Ritterrüstungen. In einem der anschließenden Räume folgt das zartere Reich der häuslichen Handarbeiten:

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„Wenn wir nun in diesem Flur ganz nach hinten gehen, kommen wir zum Nähen und Klöppeln. Bei uns gibt es ein Märchen, in der es um einen Maulwurf geht, der für sich selbst eine Hose näht. Und dabei muss ihm der Storch den Lein brechen. Das machte man auf diesem Gerät, das bei uns „trdlice“ (Flachsbreche, Anm. d. Red.) heißt. Damit wird der Lein gebrochen. Danach wurden die Fasern auf dem Igel gekämmt, dazu benutzte man dieses Gerät.“

In dem Märchen ging dem Maulwurf ein Igel aus Fleisch und Blut an die Hand. Die Hose wurde fertig, und sie saß wie angegossen und war himmelblau. Eine für Westböhmen typische Handarbeit war das Spitzenklöppeln.

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„Spitzen waren bei uns sehr verbreitet. Es wurde viel geklöppelt. Hier sehen Sie eine im Erzgebirge geklöppelte Spitze. Man erkennt sie an den vollen Blättern, die das Muster enthält. Bei uns wurden meistens nur Spitzenborten geklöppelt. Meistens wurde in den Familien geklöppelt, wo der Mann im Schacht arbeitete. Die Arbeit war gering bezahlt. Ein Tagwerk brachte nicht einmal genug für ein Brot ein.“

Das Klöppeln sei von Barbara Uttmann aus Annaberg in der Gegend um Sokolov eingeführt worden. Geklöppelt habe man seit dem 17. Jahrhundert. Ein weiteres typisches Produkt der Region war und ist bis heute das Porzellan.

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„Wir sind jetzt in der Porzellanwerkstatt. Hier zeigen wir, wie Porzellangeschirr gegossen wurde. Sie sehen Gussformen und die Porzellanmasse. Sie können auch mithelfen, wenn Sie möchten.“

Eine ganz persönliche Teetasse bringt der Besucher allerdings kaum mit nach Hause, denn:

„Das ist ein bisschen schwierig, denn bei uns wird nur der Scherben gegossen. Der muss dann noch gebrannt werden. Aber das machen wir leider nicht.“

Foto: Maria Hammerich-Maier
Dafür kann man in Vitrinen erlesene Prachtstücke von führenden Porzellanherstellern der Region bewundern. In den großen Steingutgefäßen, die in derselben Abteilung ausgestellt sind, bewahrte man in der westböhmischen Bädergegend unter anderem Heilwasser auf. Außer den Museen sind am Gutshof Bernhard ein halbes Dutzend Handwerksateliers. Managerin Hana Bašková gibt einen Überblick:

„In einer Werkstatt werden zum Beispiel Duftkerzen hergestellt. Die Besucher können selbst eine Duftkerze machen oder schmücken. Interessant ist, dass in Královské Poříčí einst die erste Paraffinfabrik Böhmens stand. Des Weiteren haben wir eine Patchwork-Stube und eine Schneiderwerkstatt, in der stilechte historische Kostüme genäht werden. Ein Restaurator setzt historische Motorräder in Stand, und im Keramikatelier werden Tongefäße modelliert. Und ich habe vergessen zu erwähnen, dass bei uns auch ein Schmied seinem Handwerk nachgeht.“

Ein Kenner des Mittelalters fertigt Pfeile und Bögen an und veranstaltet Bogenschießturniere. Seine Spezialität sind die langen englischen Pfeile, die vornehmlich für die Jagd verwendet wurden.

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Der Erstbesitzer des Gutshofs, die Familie Seebohm, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben. Die Seebohms waren im Kohlebergbau tätig gewesen. Bürgermeister Ivan Stefan erzählt, dass sich Zeitzeugen in Královské Poříčí noch an die Erbauer des Gutshofs Bernard erinnerten.

„Die Seebohms kamen zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts nach Královské Poříčí. Sie übernahmen die Leitung der Abbaugesellschaft Britannia. Diese förderte Braunkohle in den Gruben Maria und Bernard. Zeitzeugen berichten, dass die Familie Seebohm ein ausgeprägtes soziales Empfinden gehabt habe. Denn während der Wirtschaftskrise in den dreißiger Jahren kam es hier zu keinen Bergmannsaufständen. Man achtete darauf, dass zumindest immer ein Familienmitglied Arbeit im Schacht hatte.“

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Ein Nachkomme der Seebohms, Hans-Christoph Seebohm, war von 1949 an viele Jahre lang Verkehrsminister der Bundesrepublik Deutschland. Familienmitglieder hätten Královské Poříčí vor ein paar Jahren besucht, erzählt Ivan Stefan, und sich gefreut als sie sahen, wie gut sich der Ort und der Gutshof entwickle. Nächstes Jahr kommt am Gutshof Bernard eine weitere Dauerausstellung dazu, die den gesamten Flusslauf der Eger dokumentiert. Die Mittelzusage dafür aus dem Programm Interreg hat die Gemeinde schon erhalten.


Nähere Informationen: www.statek-bernard.cz