Landscape-Festival: Un/genutzte Prager Bahnhöfe im Fokus
Das diesjährige Landscape-Festival Prag konzentriert sich auf vier Orte in der tschechischen Hauptstadt. An diesen laufen derzeit Verwandlungen ab.
Die Zusammenhänge zwischen Architektur, Landschaft, dem öffentlichen Raum und der Kunst – sie stehen im Fokus des Landscape-Festivals, das am Mittwoch in Prag eröffnet wurde. Rund 50 künstlerische und architektonische Installationen, Werke von renommierten Künstlern aus Tschechien und dem Ausland sowie von Studenten werden dabei unter freiem Himmel zu sehen sein. Dazu gehören beispielsweise ein Aussichtsturm im Stadtteil Smíchov sowie die Installation mit dem Titel „Vzduchohledna“ (Air Lookout), die auf den Klimawandel aufmerksam macht. Das Festival trägt den Titel „Die Prager un/genutzten Bahnhöfe“.
Dan Merta leitet die Prager Jaroslav-Fragner-Galerie, die das Festival veranstaltet. Er habe für diesen Jahrgang vier Bahnhöfe ausgesucht, die er „Brownfields des Verkehrs“ nenne, merkt Merta an:
„Es sind der Bahnhof Smíchov, der Masaryk-Bahnhof mit dem Busbahnhof Florenc und dem nahe gelegenen Gebäude Krenovka sowie Palmovka, wo es keinen großen Bahnhof mehr gibt, sondern nur eine alte Haltestelle, und schließlich der Güterbahnhof Žižkov. Bei der Auswahl der Festivalorte haben wir uns auf die Achse der B-Linie der Metro und die Verkehrsverbindungen in den Stadtteil Žižkov konzentriert. An diesen Orten wurden bereits mehrere interessante Projekte verwirklicht. Dies gilt beispielsweise für Smíchov, wo intensiv gebaut wird. Andererseits bleiben diese Orte weiterhin eine Art Prager Wildnis. Wir möchten zum Dialog über die Verkehrsinfrastruktur und über die neue Stadtplanung in der Stadt beitragen.“
Aussichtsturm in Smíchov
Die Orte, an denen sich das Festival abspielt, unterscheiden sich voneinander. Laut Merta ist der Bahnhof Smíchov noch am besten eingepasst in die Umgebung. Denn es sei ein guter Stadtplan für den Aufbau des gleichnamigen Stadtteils erstellt worden, so der Experte. Und weiter sagt Merta:
„Was den Masaryk-Bahnhof und Florenc betrifft, ist inzwischen ein Architektenwettbewerb mit dem Titel ,Florenc 21‘ durchgeführt worden. Dabei wurde nach einer Vision für dieses Gebiet gesucht. Es ist aber noch nicht alles gebilligt, man diskutiert weiterhin. Im Fall der Palmovka ist es kompliziert, da es sich um Grundstücke der Prager Verkehrsbetriebe und des Stadtbezirks handelt. Immerhin wird über eine Wiederbelebung dieses Ortes diskutiert. Ich denke, dass dort ein großes Potenzial besteht. Und im Fall des Güterbahnhofes Žižkov ist es so, dass auf 30 Prozent des Grundstücks bereits gebaut wird. Dabei besteht die Frage, ob im Herzen des Bahnhofs ein Kultur-Cluster entstehen soll.“
Den Pragern und Prag-Besuchern empfiehlt Dan Merta beispielsweise, im Rahmen des Festivals den Kleinen Aussichtsturm (Tiny Lookout Tower) in Smíchov zu besuchen. Er wurde am Rande des Santoška-Parks errichtet. Und weiter:
„Nahe Florenc steht eine Struktur von den Architekten Prodesi/Domesi. Direkt beim Gebäude Krenovka ist die Installation ,Vzduchohledna‘ von einem renommierten slowakischen Künstler zu sehen. Bei Palmovka ist beispielsweise ein Werk des Bildhauers Čestmír Suška zu sehen, das an den Maler Vladimír Boudník erinnert.“
Auf den Gleisen des Güterbahnhofs Žižkov steht die Kunstinstallation „Prospective Bubble“ des Architekturstudios MÓD architekti. Bald kommen aber noch weitere Kunstwerke hinzu.
Das Landscape-Festival entstand vor acht Jahren. Die Veranstalter wollen damit einen Dialog zwischen Stadtplanern, Künstlern, Kommunalpolitikern und der Öffentlichkeit über die Beziehungen zwischen Architektur, Landschaft und der Kunst anregen. Dabei machen sie auf Erfahrungen aus dem Ausland aufmerksam. Auf dem Gelände des Bahnhofs Žižkov ist eine Ausstellung zu diesem Thema zu sehen. Dan Merta:
„Die Ausstellung heißt ,Sieben Lektionen vom Europäischen Preis für den städtischen öffentlichen Raum‘. Der Preis ist für die Entwicklung des öffentlichen Raums in den europäischen Städten besonders wichtig.“
Auf dem Gelände des Güterbahnhofs Žižkov steht das größte erhaltene funktionalistische Industriegebäude in Tschechien. Der Betrieb auf dem Bahnhof wurde schon vor 20 Jahren eingestellt. Eine Bürgerinitiative hat sich vor mehreren Jahren für die Erhaltung der Sehenswürdigkeit eingesetzt. 2010 wurden die Hauptgebäude zum Kulturdenkmal erklärt. Kommunalpolitiker Pavel Dobeš (parteilos) vom dritten Stadtbezirk macht darauf aufmerksam, dass Diskussionen über die Nutzung des Bahnhofsgeländes seit 15 Jahren geführt werden.
„Derzeit sieht es so aus, dass eine Studie für die Gestaltung des Bahnhofgeländes und seiner Umgebung vorgelegt wurde. Sie betrifft ein Gebiet von 60 Hektar Fläche. In Zukunft sollen dort 10.000 Wohnungen entstehen. Ich bin froh, dass der Güterbahnhof sozusagen zum Herz des entstehenden Wohnviertels wird. Dabei hoffe ich, dass er in Zukunft zu einem der Orte wird, die sich die Prag-Besucher neben der Altstadt und der Kleinseite ansehen werden.“
Vom Royal Bioscop zum Theater Ponec
Die Veranstalter des Landscape-Festivals arbeiten mit dem internationalen Tanzfestival „Tanec Praha“ zusammen, das im Theater Ponec im Stadtteil Žižkov zu Hause ist. Die Begründerin und Festivaldirektorin Yvona Kreuzmannová erinnert sich an die Anfänge des Festivals in Žižkov:
„Als wir vor 20 Jahren mit der Instandsetzung des Theatergebäudes begannen, galt dieser Teil von Žižkov als eine berüchtigte Zone, in die viele Bewohner aus Angst überhaupt nicht gegangen sind. Heutzutage feiern wir dort Erfolge mit unseren Vorstellungen. Dies ist auch dank den Besitzern der umliegenden Gebäude möglich. Das nahe gelegene ehemalige Anwesen Krenovka wurde restauriert. Dort ist nun das Café Unijazz eröffnet worden. Im Gebäude wurden zudem Ateliers für junge Künstler eingerichtet. Für uns vom Tanzfestival ist es eigentlich ein erfüllter Traum, dass das Publikum den Weg in unser Theater gefunden hat und dass es in der Umgebung neue Kulturräumlichkeiten gibt.“
Das Theater Ponec hat, wie Yvona Kreuzmannová anmerkt, eine interessante Geschichte. Es wurde in einer ehemaligen Fabrikhalle vom Ende des 19. Jahrhunderts errichtet. Der Besitzer der Fabrik, in der vor allem Produkte aus Draht hergestellt wurden, war Rudolf Stabenow. 1910 mietete der Unternehmer František Ponec das Gebäude. Er ließ die Fabrik umbauen und eröffnete dort ein Kino, das den Namen „Royal Bioscop von František Ponec“ trug. Nach zehn Jahren lief der Mietvertrag aus. Danach betrieb die Gemeinde Žižkov das Kino, das sie jedoch „Städtischer Biograf Žižkov“ nannte. Nach dem Tod von František Ponec wurde das Kino zu seinen Ehren in „Bio Ponec“ umgetauft. Bis 1968 wurden dort Filme gezeigt. Das heruntergekommene Gebäude ging nach der Wende von 1989 an die Prager Stadtverwaltung über. Nach einer gründlichen Restaurierung übernahm letztlich das Tanzfestival „Tanec Praha“ das Haus.
Das Landscape-Festival findet an mehreren Orten von Prag noch bis 2. Oktober statt. Zum symbolischen Abschluss wird am 20. September auf dem Güterbahnhof Žižkov ein Konzert der Sommerband von Jaromír Švejdík und der Band Midi Lidi veranstaltet. Mehr über das Festival finden Sie unter https://www.landscape-festival.cz.