Legalisierung von Cannabis: Die tschechischen Pläne gehen weiter als die deutschen
Tschechien plant wie Deutschland die Freigabe von Cannabis. Auch hier wird aber weiterhin kontrovers darüber diskutiert. Im April hat nun die Regierung in Prag ihren Aktionsplan zum Kampf gegen Drogensucht vorgestellt. Dieser umfasst auch eine streng regulierte Freigabe des Marktes für Cannabis.
Rund 30 Prozent der erwachsenen Tschechen haben schon einmal einen Joint geraucht oder ein THC-haltiges Produkt genutzt. Dies geht aus dem aktuellsten Drogenbericht der Regierung hervor. Gesellschaftlich scheint Cannabis hierzulande durchaus akzeptiert zu sein. Aber weiterhin sind sein Besitz sowie der Anbau von Hanfpflanzen verboten, auch wenn geringe Mengen toleriert werden. Das will die tschechische Regierung ändern und hat dies in ihr Programm von Ende 2021 hineingeschrieben. Anfang April ist sie diesem Vorhaben einen Schritt nähergekommen. So wurde bei der Kabinettssitzung der neue Aktionsplan zum Kampf gegen Drogensucht bis 2025 verabschiedet. Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten):
„Der Aktionsplan rechnet auch mit der Vorbereitung eines Gesetzesentwurfes für einen streng regulierten Markt für Cannabis in Tschechien. Wie dieser aber aussehen wird und zu welchem Ergebnis wir kommen, daran arbeitet nun eine Expertengruppe.“
Die größte Hürde liegt im Kabinett selbst. Während sich die Piratenpartei als kleinste Regierungskraft für die Freigabe einsetzt, sind Teile der Christdemokraten weiterhin dagegen. Ob sich innerhalb der Mitte-Rechts-Koalition mit ihren fünf Parteien eine Einigung finden lässt, gilt weiterhin als fraglich.
Für Fachleute wie den nationalen Koordinator der Anti-Drogenpolitik, Jindřich Vobořil, oder auch die Mediziner an der Klinik für Suchtprävention (Klinika adiktologie) in Prag ist die Lage hingegen klar: Eine Legalisierung hat in ihren Augen Sinn. Vobořil ist im Übrigen auch Mitglied der Bürgerdemokraten, der eher konservativ orientierten Partei von Premier Fiala.
Einer von Vobořils Beratern ist Jan Martin Paďouk, Experte auf dem Gebiet medizinisches Cannabis und Forschungsleiter beim Unternehmen CannaFamily. Im Interview für Radio Prag International sagte er:
„Das Team von Jindřich Vobořil und des Regierungsamtes arbeiten schon seit Jahren an dem Entwurf. Der Beginn liegt in Vobořils erster Zeit als Koordinator der Anti-Drogenpolitik, als er feststellte, dass Repressionen und die aktuelle Form der Drogenpolitik einfach nicht funktionieren. Deswegen wurde nach einem neuen Ansatz gesucht.“
Verkauf in Spezialgeschäften angedacht
2021 wurde Malta das erste Land in der EU, das die private Nutzung und den Anbau von Cannabis legalisierte. Und Jan Martin Paďouk hätte nichts dagegen, wenn Tschechien als zweites nachfolgen würde…
„Hoffentlich kommt es dazu, aber noch wartet die politische Diskussion auf uns. Derzeit arbeiten wir den Regierungsentwurf aus, die Grundrisse haben wir bereits im Kabinett vorgestellt. Nun müssen die Gesetzesparagrafen formuliert werden. Dennoch glaube ich daran, dass die Tschechische Republik das zweite Land in der EU sein kann mit einer funktionierenden Regulierung des Marktes für Cannabis“, so der Experte.
Wichtiger als Malta ist für Tschechien aber die Frage, was in Deutschland geschieht. Gerne würde man nämlich in Prag die Freigabe von Cannabis mit Berlin koordinieren. Doch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die ursprünglichen Pläne herunterschrumpfen müssen. So soll es zunächst keinen freien Verkauf in Spezialgeschäften geben, sondern nur die Ausgabe innerhalb sogenannter Cannabis-Clubs. Der Grund sind die Einschränkungen durch internationales Recht. Im tschechischen Entwurf sind hingegen weiter Spezialgeschäfte eingeplant. Aber Paďouk bekennt:
„Um ehrlich zu sein, ist internationales Recht das größte Problem für einen regulierten Markt. Das sind zum einen die entsprechenden UN-Konventionen. Und zum anderen gehören dazu die EU-Vereinbarungen zu Schengen, die es schwer machen, in einem Staat ein Rauschmittel zu erlauben und im anderen nicht, wenn zwischen den Ländern keine Grenzen mehr bestehen. Jedes Land versucht, auf seine Weise in der Drogenpolitik dem internationalen Recht zu entsprechen. Aber es scheint, dass Deutschland aus diesem Grund etwas zurückhaltender sein will. Ich hoffe aber weiterhin, dass wir unsere Versprechen erfüllen können, auch wenn es noch zu früh ist, dies auszusprechen.“
Ein Paradigmenwechsel?
Wer derzeit aus Deutschland nach Prag fährt, könnte den Eindruck bekommen, dass in Tschechien der Markt für Cannabis bereits legalisiert wurde. In der Innenstadt geht man in jeder Straße mindestens an einem Laden vorbei, an dem eine grüne Hanfpflanze prangt. Doch die Produkte, die dort verkauft werden, haben nur einen geringen THC-Gehalt. Erlaubt sind bis zu ein Prozent, in Deutschland allerdings nur bis zu 0,2 Prozent.
Cannabis mit mehr Wirkstoff ist hingegen hierzulande weiter verboten. Allerdings wurde 2010 ein Paragraf in das Strafgesetzbuch aufgenommen, mit dem der Besitz und Anbau von Cannabis für private Zwecke geduldet wird. Dort wird von „einer Menge nicht größer als klein“ gesprochen. Anfangs wurde der Richtwert mit 15 Gramm Marihuana und drei Hanfpflanzen angegeben. Weil aber die Produkte immer mehr THC enthalten, wurde die Grenze auf zehn Gramm Eigenbesitz herabgesenkt. Laut dem Chef der Antidrogenzentrale der tschechischen Polizei, Jakub Frydrych, reicht diese Regelung vollkommen. Er ist einer der Gegner einer Legalisierung von Cannabis:
„Der entsprechende Vorschlag ändert die Einstellung zu Cannabis vollständig. Wir haben ja den Besitz für den Eigenbedarf entkriminalisiert und die Sanktionen abgestuft, und das auf sehr progressive Weise im europäischen Vergleich. Aber es wäre ein Paradigmenwechsel, wenn ein Lebensstil mit Cannabis auf dieselbe Ebene gestellt würde wie jener mit Alkohol und Tabak.“
Das ist jedoch gar nicht der Plan. Denn weiterhin soll die Nutzung von Cannabis in Tschechien nur eingeschränkt möglich sein. Aber man will eine Diskriminierung vermeiden. Denn weiterhin liegt es im Ermessen des jeweiligen Gerichts, ob man auch wirklich straffrei davonkommt, wenn man mit „einer Menge nicht größer als klein“ erwischt wird.
Das Team um Anti-Drogenkoordinator Vobořil will jedenfalls konkrete Grenzen für den Verkauf des Suchtmittels festlegen – und natürlich auch für den Umfang des Konsums und den Anbau von Pflanzen durch Privatpersonen. Für Minderjährige bleibt Cannabis jedoch verboten.
Vor allem glauben die Befürworter einer Legalisierung, dass der Konsum des Rauschmittels durch diesen Schritt eher zurückgehen werde. Michal Otipka ist Vorsitzender des Verbandes der künftigen Cannabis-Clubs in Tschechien und gehört zur Expertengruppe der Regierung für die Ausarbeitung des neuen Drogengesetzes:
„Bei der Arbeit an dem Gesetzentwurf sind auch die gesellschaftlichen Folgen einer Freigabe in anderen Ländern analysiert worden. Interessant ist dabei – auch wenn das viele Gegner nicht hören wollen –, dass Cannabis wie eine verbotene Frucht funktioniert. Das heißt, bei einer Freigabe steigt die Nutzung nicht dramatisch an. Und gerade bei jungen Menschen und Risikogruppen sinkt sie paradoxerweise sogar“, so Ortipka bei Radio Wave, einem der Inlandssender des Tschechischen Rundfunks.
Ohnehin ist laut Antidrogen-Koordinator Vobořil hierzulande schon vor einigen Jahren die Obergrenze beim Marihuana-Konsum erreicht worden. Mittlerweile sänken die Nutzerzahlen in Tschechien eher, sagte er unlängst in einer Fernsehdiskussion.
Politiker wie Premier Fiala konnte Jindřich Vobořil zudem mit einem finanziellen Versprechen überzeugen: Denn wenn der Staat in den Markt mit Cannabis einsteigt, darf er auch Steuern erheben. Konkrete Zahlen werden zwar noch nicht genannt, doch mehrere Milliarden Kronen an Einnahmen im Jahr könnten es wohl sein.
Kontroverse Diskussion über Cannabis-Clubs
Aber noch einmal zurück zum möglichen Zuschnitt des regulierten Marktes für Cannabis. In Deutschland hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach vorgeschlagen, die Gründung von Cannabis-Clubs zu erlauben. Auch in Tschechien sollen diese möglich werden. Doch seit einigen Wochen werde innerhalb der Expertengruppe kontrovers über das Thema diskutiert, schildert Jan Martin Paďouk vom Unternehmen CannaFamily. Er selbst sehe da eher Probleme…
„Ich befürchte, dass die Cannabis-Clubs nicht ausreichend reguliert werden. Denn diese sind eigentlich als Non-Profit-Organisationen gedacht, die von ihren Mitgliedern sozusagen die Rechte zum Züchten von Hanfpflanzen übernehmen, wenn diese dazu nicht in der Lage sind. Aus meiner Warte als Fachmann für das Züchten von Hanf denke ich aber nicht, dass dies gelingen kann. Wenn man zu Hause für den Eigenbedarf anbaut, kann man sich die Zeit und die Arbeit dafür einteilen. Solch ein Club wird jedoch mehrere Dutzend oder Hunderte Mitglieder haben, und dann muss er eine ganze Plantage anlegen. Dafür ist aber ein professionelles Zuchtsystem nötig. Und das kostet Geld“, so der Fachmann.
Deswegen sei es besser, wenn der Staat selbst in die Produktion einsteige, glaubt Paďouk. Das allerdings könnte aufgrund des EU-Rechts schwierig werden, solange Deutschland keinen Verkauf in Spezialläden zulässt. Auch Jan Martin Paďouk ist sich dieses Problems bewusst. Dennoch sagt er:
„Es wäre ideal, mit dem Rest Europas bei den entsprechenden Schritten zu kooperieren. Derzeit bestehen zwar auf Regierungsebene Kontakte in dieser Frage, aber jedes Land beschreitet seinen eigenen Weg. Wir versuchen zwar, Informationen auszutauschen, müssen aber erst sehen, wie sich die EU dazu positioniert. Klar wäre es gut, mehr zu kooperieren. Aber derzeit sind wir irgendwie allein damit.“
Im Idealfall könnte Tschechien bereits zu Beginn kommenden Jahres Cannabis freigeben, so die Koalitionspartner denn eine Einigung finden. Spätestens soll dies den Plänen nach aber 2025 geschehen.