Leichtathleten aus 60 Ländern zum Odložil-Memoriál in Prag zu Gast

Odložil-Memoriál (Foto: Miaow Miaow, Public Domain)

Die tschechischen Leichtathleten steigen jedes Jahr bei verschiedenen Meetings in die neue Wettkampfsaison ein, je nach Formaufbau und eigener Planung. Es gibt jedoch eine Veranstaltung, auf der sie sich zu Saisonbeginn nahezu komplett treffen: das Josef-Odložil-Memorial. Am Montag wird es zum 24. Male ausgetragen.

Josef Odložil | Foto: Asahi Shinbun,  Wikimedia Commons,  public domain
Miroslav Ševčík ist der Vorsitzende der Disziplinarkommission des tschechischen Leichtathletik-Verbandes. Gleichzeitig ist er der Direktor des Odložil-Memorials und Chef des Organisationskomitees. Und Ševčík ist zudem der Neffe des ehemaligen erfolgreichen Leichtathleten Josef Odložil. Die sportlichen Meriten seines Onkels kennt er also aus dem Eff-eff:

„Josef Odložil ist bis heute der letzte olympische Medaillengewinner aus Tschechien über eine Mittel- oder Langstrecke. Das heißt, es gibt seit 1964 keinen tschechischen Mittelstreckler mehr, der bei Olympia auf dem Podest gestanden hat.“

Bei den Spielen 1964 in Tokio gewann Odložil Silber über 1500 Meter, vor ihm kam nur der phänomenale Peter Snell aus Neuseeland ins Ziel. Odložil wurde zudem sieben Mal tschechoslowakischer Meister und 1967 Zweiter der europäischen Hallenspiele, aus denen später die Hallen-Europameisterschaft erwuchs. Miroslav Ševčík:

„Josef Odložil war zu seiner aktiven Zeit tschechischer Rekordinhaber über 1500 Meter und sogar Weltrekordhalter über die 2000 Meter. Seine auf der Zwei-Kilometer-Strecke gelaufene Zeit ist bis heute tschechoslowakischer wie auch tschechischer Landesrekord. Er gehörte in den 1960er Jahren zu den weltbesten Mittelstrecklern. Noch bei den Spielen 1968 in Mexiko war er einer von wenigen Europäern, die im 1500-Meter-Endlauf standen.“

Věra Čáslavská und Josef Odložil  (Foto: ČT24)
Und in diesem belegte Odložil den achten Platz. Für ihn persönlich noch emotionaler war jedoch ein anderes Ereignis, das er während seiner Olympiateilnahme in Mexiko-Stadt erleben durfte – die Hochzeit mit der siebenfachen Olympiasiegerin im Turnen, Věra Čáslavská. Glücklich blieb das Ehepaar aber nicht lange. Weil sich Čáslavská und Odložil nämlich vehement gegen die Okkupation der Sowjettruppen 1968 in der Tschechoslowakei äußerten, wurden sie nach ihrer Rückkehr in die Heimat kaltgestellt. Im Zuge der sogenannten Normalisierung wurde ihnen die berufliche Karriere verbaut, und dies trotz ihrer großen sportlichen Erfolge. So musste Odložil aus „politischen Gründen“ die Armee verlassen, erst nach der Wende 1989 wurde er rehabilitiert und wieder bei den Streitkräften aufgenommen. Doch dann kam jener Schicksalsschlag, der ihm nicht nur das Leben kostete, sondern auch seine damals schon Ex-Gattin in eine schwere Lebenskrise stürzte. Nach einem Streit mit Sohn Martin stürzte Odložil so unglücklich, dass er an den Folgen seiner Kopfverletzungen verstarb – es passierte im September 1993.

Miroslav Ševčík: „Josef Odložil war zu seiner aktiven Zeit tschechischer Rekordinhaber über 1500 Meter und sogar Weltrekordhalter über die 2000 Meter. Er gehörte in den 1960er Jahren zu den weltbesten Mittelstrecklern.“

„Josef Odložil ist leider auf tragische Weise ums Leben gekommen. Daraufhin haben Familienangehörige, Freunde sowie Schützlinge von ihm aus seiner Trainerzeit beschlossen, ihm zu Ehren dieses Memorial zu veranstalten.“

Das erste Josef-Odložil-Memorial fand im Jahr 1994 statt. Seitdem hat sich dieser Leichtathletik-Wettbewerb zu einer Veranstaltung von europäischem Format gemausert, bestätigt Ševčík:

„Das Josef-Odložil-Memorial ist von der Bedeutung her das zweitwichtigste Leichtathletik-Meeting in Tschechien. Langfristig gesehen gehört es zu den bedeutendsten Wettbewerben in Mittel- und Osteuropa überhaupt. Denn ein solch leistungsstarkes Starterfeld haben viele Leichtathletik-Veranstaltungen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft nicht aufzuweisen.“

Odložil-Memoriál | Foto: Miaow Miaow,  public domain
Das Top-Meeting in Tschechien ist „Zlatá tretra“ (Golden Spike), es wird alljährlich im Juni im mährisch-schlesischen Ostrava / Ostrau ausgetragen. Das Odložil-Memorial wurde 2003 in die Serie der Grand Prix-II-Veranstaltungen des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) aufgenommen, später wurde es zu einem europäischen Premium Meeting deklariert, ergänzt Ševčík:

„Das Memorial steht unter der Schirmherrschaft des Europäischen Leichtathletik-Verbandes (EAA), doch allein in diesem Jahr sind Athleten aus 60 Ländern der Welt am Start. Das bedeutet, regelmäßig gehören olympische Medaillengewinner aller Kontinente zu unseren Teilnehmern.“

Und das ist auch in diesem Jahr nicht anders. Unter den rund 150 Startern sind mit Sunette Viljoen und Barbora Špotáková auch zwei Medaillengewinnerinnen der Olympischen Spiele von Rio – die Südafrikanerin und die Tschechin gewannen Silber beziehungsweise Bronze im Speerwerfen der Frauen. Weitere vier Wettkämpfer, darunter der tschechische Stabhochspringer Jan Kudlička und sein Landsmann, Speerwerfer Jan Vadlejch, haben immerhin den olympischen Endkampf erreicht. Große Spannung aber versprechen vor allem zwei Laufwettbewerbe bei den Männern, versichert der Organisationschef:

Ševčík: „Das Josef-Odložil-Memorial ist von der Bedeutung her das zweitwichtigste Leichtathletik-Meeting in Tschechien. Langfristig gesehen gehört es zu den bedeutendsten Wettbewerben in Mittel- und Osteuropa überhaupt.“

„Wir können erneut Angriffe auf die aktuellen Rekorde des Meetings erwarten. Pavel Maslák beispielsweise gibt sich stets bescheiden, doch er kann die 400 Meter getrost unter 45 Sekunden laufen. Zu erwarten ist ebenso der Angriff von Jakub Holuša auf den tschechischen Rekord über 1500 Meter. Sein Ziel könnte eine Zeit von 3:34 Minuten sein, denn im Feld sind Athleten, die noch schneller laufen können.“

Über die 400-Meter-Strecke will Lokalmatador Pavel Maslák gern seinen Vorjahressieg wiederholen. Im Vorfeld des Memorials aber setzte er sich zunächst ein etwas anderes Ziel:

„Ich werde sehen, wie ich an diesem Tag in Form bin. Doch ich hoffe, dass ich zumindest eine Zeit von 45,50 Sekunden laufen werde.“

Pavel Maslák  (Foto: Filip Bossuyt,  CC BY 2.0)
Maslák genügte indes nur ein Blick auf das Starterfeld, um zu wissen, dass er für das Erreichen seines zweiten Ziels wird hart kämpfen müssen:

„Wenn ich auf die Konkurrenz schaue, dann wird es in diesem Jahr richtig eng werden. Ich werde versuchen, meinen Sieg aus dem Vorjahr zu wiederholen, doch sollte es mir nicht gelingen, so könnte doch wenigstens eine sehr gute Zeit herausspringen. Im vergangenen Jahr war dies nicht möglich, weil uns das Wetter einen Streich gespielt hat. Ich hoffe, diesmal werden die Bedingungen besser sein und wir werden schneller laufen können.“

Zu Masláks Gegnern gehört unter anderem der Botswaner Isaac Makwala, der mit einer Bestzeit von 43,72 Sekunden zum kleinen elitären Kreis der Leichtathleten gehört, die bereits unter 44 Sekunden gelaufen sind. Und auch über 100 Meter ist mit Sydney Siami aus Sambia ein Sprinter am Start, der erst in diesem Jahr mit einer Zeit von unter 10 Sekunden geglänzt hat. Doch schon in der Vergangenheit gab es mehrere Sportler, die dem Prager Meeting mit ihren Leistungen den Stempel aufgedrückt haben, bemerkt Ševčík:

Pavel Maslák: „Wenn ich auf die Konkurrenz schaue, dann wird es in diesem Jahr richtig eng werden. Ich werde versuchen, meinen Sieg aus dem Vorjahr zu wiederholen, doch sollte es mir nicht gelingen, so könnte doch wenigstens eine sehr gute Zeit herausspringen.“

„Beim Odložil-Memorial hat Jan Železný den Speer vor Jahren über 90 Meter geworfen, oder Ivan Pedroso sprang im Weitsprung exakt 8,60 Meter. Das ist eine Weite, die nicht viele Meetings einschließlich der Diamond League als Rekord vorweisen können. Und im vergangenen Jahr landeten hier in Prag vier Athletinnen auf den ersten fünf Plätzen im Speerwerfen der Frauen, die dann beim olympischen Finale die Plätze eins bis vier belegten.“

Das einzige Manko des Odlozil-Memorials sei die schwankende Zuschauerzahl. In der Regel sei sie eher niedrig, beklagt der Meeting-Direktor:

„Leider ist in Prag die Konkurrenz durch die vielen kulturellen Veranstaltungen sehr groß. Im Bereich Besucher haben wir natürlich noch einige Reserven.“

Deshalb ist auch in diesem Jahr der Eintritt wieder frei. Es wäre auch zu schade, wenn die zum Teil weitangereisten Teilnehmer in den 14 Disziplinen – acht bei den Männern und sechs bei den Frauen – nicht die entsprechende Aufmerksamkeit erhielten.

Autor: Lothar Martin
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