Leos Janacek und die mährische Metropole Brno

Janacek-Häuschen

Dass in dem gerade laufenden Jahr 2004 das sog. "Jahr der tschechischen Musik" begangen wird, haben Sie von uns, liebe Hörerinnen und Hörer, sicher bereits gehört. Der Musik gilt auch eine 10-teilige Serie, die wir in der heutigen Ausgabe von "Reiseland Tschechien" beginnen möchten. Jeweils in der ersten Ausgabe des Monats wollen wir uns auf eine Reise durch das "Musikland Tschechien" begeben. D.h. verschiedene Orte besuchen, die mit dem Leben und Wirken bedeutender Musiker und Komponisten verbunden sind bzw. auf eine interessante musikalische Tradition zurückblicken. Und wie es bei uns üblich ist, wird in jeder Ausgabe von "Musikland Tschechien" auch eine Quizfrage gestellt. Einen Monat später werden wir ein Glückskind auslosen, das für seine Bemühung und richtige Antwort mit einer CD belohnt wird. Nun aber bereits zur ersten Folge. Gemeinsam mit Markéta Maurová und Daniel Satra machen Sie sich auf den Weg in Spuren des Komponisten Leos Janaceks nach Brno/Brünn.

Janacek-Häuschen
Leos Janacek lebte seit dem Jahr 1865, als er noch ein 11jähriger Knabe war, in der mährischen Metropole Brno (Brünn), mit der ihn danach sein ganzes Leben verband. Sein Vater schickte ihn in die Stiftung des Klosters in Alt-Brünn, in der musikalisch begabte Jungen gefördert wurden. Dort bekam Leos seine erste musikalische Ausbildung. Diese ergänzte er an der Lehrerschule in Brünn und später an Musikschulen in Prag, Leipzig und Wien. Nach dem Studium kehrte er nach Brünn zurück. Wie sah dort damals eigentlich das musikalische Leben aus? Auf unsere Frage antwortet der Brünner Musikwissenschaftler, Jiri Zahradka.

"Zur Zeit der Anfänge Janaceks als Musiker und Lehrer, war das musikalische Leben der tschechischen Minderheit (Brünn war nämlich deutsch) sehr elend. Janacek, der eine starke Persönlichkeit und ein großer Künstler war, führte - seitdem er 1876 Chormeister des Vereins Brnenska Beseda wurde - sehr wichtige Werke auf der Brünner Konzertbühne auf. Es erklangen hier Beethovens 'Missa solemnis', Mozarts 'Requiem' usw. Also kann man sagen, dass das höhere Niveau der Musikkultur in Brünn de facto von Janacek erst geschaffen wurde."

In Brünn wirkte Janacek als Musiklehrer und später als Direktor der neu gegründeten Orgelschule, die 1919 ins Konservatorium umgewandelt wurde. Er war als Chormeister und Dirigent tätig, schrieb über die Musik und selbstverständlich - er komponierte.

Janacek-Häuschen
Mitte Januar wurde in Brno das sog. Janacek-Häuschen für Interessenten neu eröffnet. Ein Haus im Garten der Orgelschule, das Janacek für sich und seine Frau Zdenka bauen ließ und im Jahre 1910 bezog. Was sich heute in dem Gartenhaus befindet, erzählt der Musikwissenschaftler und Mitarbeiter des Mährischen Landesmuseums, Jiri Zahradka.

"Im ehemaligen Salon haben wir heute eine kleine Ausstellung. Sie gilt den Werken Janaceks, die er nach 1910 schuf. D. h. von den 'Ausflügen des Herrn Broucek', über 'Katja Kabanowa' 'Das schlaue Füchslein', 'Die Sache Makropulos' bis zum 'Totenhaus'. Die erste Sache, die er dort zu schreiben begann und auch vollendete, ist der Klavierzyklus 'Im Nebel'. Die Besucher sehen die wichtigsten Dokumente dazu, d.h. Autographe, Erstdrucke, wichtige Briefe sowie Entwürfe der Bühnenbilder."

Aber auch einige persönliche Sachen Janaceks kann man in den Vitrinen besichtigen: Das berühmte Chronoskop - eine merkwürdige technische Einrichtung, mit der Janacek die Länge der Wörter aufnahm, als er sich Sprechmelodien, d.h. Melodien einzelner Sätze und Satzteile notierte. Weiter sehen wir Janaceks Taktstock, das Metronom des Komponisten, seine Schreibmittel und vieles mehr.

"Einen sehr bedeutenden Bestandteil des Häuschens bildet das ursprüngliche Arbeitszimmer. Es ist eine Einrichtung, die das Ehepaar Janacek gleich nach der Hochzeit geschenkt bekam, also bürgerliche Möbel vom Ende des 19. Jahrhunderts. Künftig werden wir auch eine Truhe ausstellen, in der Janacek seine Handschriften verwahrte. Es ist jene berühmte Truhe, von der Janacek häufig schreibt 'Ich habe etwas in der Truhe' gefunden."

Das Arbeitszimmer dominiert das Klavier des Meisters
Das Arbeitszimmer dominiert das Klavier des Meisters, das Janacek von den Eltern seiner Frau als Hochzeitsgeschenk bekam. Es wurde kürzlich neu gestimmt und man kann darauf bis heute spielen:

"Es hat einen Nachteil, und zwar, dass es einen halben Ton tiefer gestimmt ist. Die Stimmung war früher etwas tiefer, und da das Instrument ziemlich alt ist, kann es nicht mehr hochgezogen werden, weil die Saiten zerspringen würden. Wir wollen ins Instrument nicht zuviel eingreifen, weil es in seinem Klang authentisch ist."

Das Janacek-Häuschen gehört zur Abteilung für Musikgeschichte des Mährischen Landesmuseums, die sich im Gebäude der ehemaligen Orgelschule befindet. Jiri Zahradka:

"Bei uns wird Janaceks riesiger Nachlass beherbergt. Wir haben fast alle Briefe, die Janacek bekommen hat, weil er sie konsequent aufbewahrte. Und wir versuchen sogar Briefe zu finden, die Janacek an andere Leute geschrieben hat. Es gibt rund 15 000 solche Briefe. Und weitere wichtige Archivquellen, wie Druckvorlagen, Abschriften, die von Janacek autorisiert wurden, Textbücher, auf deren Grundlage Janacek Libretti vorbereitete, Dokumente über seine Orgelschule, über seine Person. Es handelt sich um einen sehr konsequent gesammelten und kompletten Komplex."

Am Anfang haben wir vom musikalischen Niveau in Brünn in der Jugendzeit Janaceks gesprochen. Diese Stadt erlebte später Uraufführungen von nahezu allen seinen Opern. War Janacek mit diesen Einstudierungen zufrieden?

"Später natürlich schon. Stellen wir uns das Jahr 1904 vor, als 'Jenufa' uraufgeführt wurde: das Orchester des tschechischen Theaters war damals sehr klein, was auch aus der ursprünglichen Fassung der 'Jenufa' offenbar ist. Natürlich schaute Janacek damals daher nach Prag, wo es ein großes Orchester gab. Und er war sich auch dessen bewusst, dass der Weg in die Welt über Prag führt. Sobald Janaceks 'Jenufa' in Prag aufgeführt wurde, wurde sie in der Universal-Edition herausgegeben, es folgte die Premiere in Wien 1918 und Janacek ging in die Welt. Was aber Brünn betrifft, in den 20er Jahren war Janacek mit den Brünner Inszenierungen bereits sehr zufrieden. Er hat hier praktisch alle seine Opern, mit Ausnahme des 'Herrn Broucek' uraufgeführt. Er orientierte die Uraufführungen dann schon absichtlich nach Brünn, denn hier wirkten der hervorragende Dirigent Frantisek Neumann und der ausgezeichnete Regisseur Ota Zitek, die Janaceks Poetik völlig entgegenkamen. Also Janacek war mit den Brünner Inszenierungen sehr zufrieden."

Abschließend noch der versprochene Hörerwettbewerb für Sie: Wir fragen nach dem Namen eines deutschsprachigen Schriftstellers aus Prag, der sich durch den Durchbruch Janaceks im Ausland verdient gemacht hat. U. a. dadurch, dass er seine Opern ins Deutsche übersetzte und seine Biographie niederschrieb. Wenn Sie es wissen, schreiben Sie uns an die Adresse: Radio Prag, Vinohradska 12, 120 99, Prag 2 oder per e-mail an: [email protected].

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