Levý Hradec - Wiege des böhmischen Staates und des böhmischen Christentums

Hl. Clemens-Kirche (Foto: Roman Casado)

In unserer Ostertouristiksendung vor zwei Wochen haben wir über eines der ältesten Klöster in Tschechien berichtet - das Benediktinerkloster Ostrov bei Davle. Im heutigen "Reiseland Tschechien" greifen wir noch tiefer in die Geschichte zurück und besuchen das erste christliche Gotteshaus auf dem Gebiet Böhmens. Man findet es nicht in Prag, sondern an der Stelle der ehemaligen slawischen Burgstätte Levý Hradec, die auf dem linken Moldauufer ein paar Kilometer nördlich der heutigen Hauptstadt liegt.

Levý Hradec
Levý Hradec gilt als der Ort, an dem sich der frühmittelalterliche böhmische Staat zu formieren begann. Der Fürstengeschlecht der Przemysliden hat dort im 9. Jahrhundert auf einer hohen Moldau-Landzunge eine Burgstätte errichtet, übrigens an einem Ort, der bereits in der Urzeit besiedelt war. An Bedeutung gewann Levý Hradec unter dem Fürsten Borivoj, dem ersten historisch belegten böhmischen Herrscher, der von Levý Hradec aus nicht nur regierte, sondern dort auch die erste christliche Kirche Böhmens gründete. Cosmas Pragensis, ein Chronist, der im 12. Jahrhundert lebte, berichtet über ihn, dass er zur Zeit Kaiser Arnulfs und "König Sventopluks" von Mähren von "dem ehrwürdigen Methodius, Bischof von Mähren", persönlich getauft wurde. Der Mönch Christian, Verfasser einer wichtigen Legende über den Hl. Wenzel, bekräftigt, dass Borivoj in Mähren von Method getauft wurde. Daraufhin soll der Przemyslidenherzog mit einem Schüler Methods, dem Priester Kaich, nach Böhmen zurückgekehrt sein. In Levý Hradec ließ er eine Kirche errichten, die dem Hl. Clemens, dem "kyrillo-methodianischen Schutzheiligen«, geweiht war. Die Sage über Borivojs Taufe erzählt uns Lenka Bartonova, die als Touristenführerin in Levý Hradec arbeitet:

Lenka Bartonova  (Foto: Roman Casado)
"Fürst Borivoj, der in Levý Hradec saß, war zu Besuch bei Svatopluk, auf Velehrad in Großmähren. Als dort ein Festmahl veranstaltet wurde, und alle am Tisch Platz nahmen, wurde Borivoj mit dem Gesinde ein Platz auf dem Boden zugewiesen, weil er damals noch Heide war und als Heide nicht an einem Tisch mit Christen sitzen durfte. Dies hat Borivoj in Wut gebracht, sei er doch der böhmische Fürst gewesen. Er sprach dann lange Zeit mit Method, der sich als Missionär auf Svatopluks Hof aufhielt. Ein Ergebnis des Gesprächs war, dass sich Borivoj entschloss, zu fasten und aus der Hand Methods die Taufe anzunehmen. Danach kehrte er auf seinen Sitz in Levý Hradec zurück und ließt dort eine Kirche, eine Rotunde bauen, die dem Hl. Clemens geweiht war."

Das Gotteshaus war eine Rotunde mit einer Apside auf der nordöstlichen Seite. Im Laufe der Jahrhunderte hat es eine Reihe von Umbauten erlebt. Von dem ursprünglichen Bau sind nur Außenmauern in Baufundamenten unter dem Pflaster der heutigen Kirche erhalten geblieben. Als Gründungsdatum der Rotunde gilt das Jahr 884, Sicherheit darüber herrscht jedoch nicht. Was erweckt die Zweifel daran?

Hl. Clemens-Kirche  (Foto: Roman Casado)
"Es ist ein Stein, der in das Mauerwerk der Rotunde eingesetzt wurde. Darauf wurde ein Symbol des Kreuzes eingehauen, deswegen halten wir ihn für den Grundstein der Rotunde. Der Brauch der Grundsteinlegung ist allerdings ein bisschen jünger, er wurde erst nach dem Ende des 9. Jahrhunderts eingeführt. Aus diesem Grund sind Wissenschaftler der Meinung, dass die Rotunde ein bisschen jünger ist."

Im Laufe des 10. Jahrhunderts wurde das Machtzentrum der böhmischen Fürsten endgültig nach Prag übertragen. Levý Hradec verlor somit seine Bedeutung. Es erlebte aber noch ein berühmtes und höchst bedeutendes Ereignis - im Jahre 982 wurde dort der Hl. Vojtech zum zweiten Prager Bischof gewählt. Ende des 13. Jahrhunderts wurde die kleine Apside durch ein wesentlich größeres gotisches Presbyterium ersetzt, das ein Jahrhundert später erhöht und mit wertvollen Fresken ausgemalt wurde:

Hl. Clemens-Kirche  (Foto: Roman Casado)
"Es war ein Auftrag des Benediktinerinnenklosters des Hl. Georg auf der Prager Burg. Die Fresken stellen den Marien- und Passionszyklus dar, d.h. Szenen aus dem Leben der Hl. Jungfrau und die Passion Christi. An den Wänden sehen wir drei Gruppen von den für das Christentum bedeutenden Männern - vier Apostel, vier Propheten und vier Heilige Väter. Die Fresken sind sehr wertvoll und wurden vor kurzem restauriert."

Mitte des 17. Jahrhunderts erlebte das Heiligtum einen frühbarocken Umbau, bei dem die alte Rotunde völlig verschwand. Es entstand eine einschiffige Kirche mit einem Turm auf der südlichen Seite. Zur Wiederentdeckung von Levý Hradec kam es im 19. Jahrhundert. Im Ort wurden archäologische Grabungen durchgeführt, bei denen man Schmucksachen und Münzen fand. Dabei bestätigte sich die Hypothese, dass sich dort eine frühmittelalterliche Burg befunden hatte. In der Umgebung wurde auch eine Begräbnisstätte entdeckt:

"Die Gräber stammen aus dem 9. Jahrhundert, also aus der Zeit, in der Levý Hradec die größte Bedeutung hatte. Der Bestattungsplatz war sehr ausgedehnt, es gab dort mindestens 150 Gräber. Wir finden dort auch reiche Grabbeigaben. Besonders reich ausgestattet waren vor allem Kinder- und Frauengräber. Die Schmucksachen erinnern an die aus großmährischen Ausgrabungen, denn die Kontakte zwischen den ersten Przemysliden und dem Großmährischen Reich waren sehr intensiv."

Foto: Roman Casado
Soweit Lenka Bartonova. Wir haben mit einer Legende über die Gründung von Levý Hradec begonnen. Mit einer anderen Sage, die Cosmas Pragensis in seiner Chronik aufgezeichnet hat, möchten wir unsere Sendung beenden. Sie erzählt vom mythischen Fürsten Neklan, der in Levý Hradec saß. Er war ein sehr ängstlicher Herrscher:

"Böhmen und Levý Hradec wurden vom Stamm der Lucaner mit Vlastislav an der Spitze bedroht. Neklan konnte sich zu keiner Militäraktion entscheiden, was ein gewisser Tyr, sein Freund, nicht mehr mit ansehen konnte. Tyr schlug vor, Neklans Rüstung anzuziehen, sich auf dessen Pferd zu setzen und an der Spitze des böhmischen Przemysliden-Heers in die Schlacht gegen Lucaner zu ziehen. Diese soll sich nicht weit von hier, bei Tursko, abgespielt haben. Es war eine sehr lange und blutige Schlacht. Sowohl Tyr als auch Vlastislav sind darin gefallen, die Böhmen besiegten aber schließlich die Lucaner und besetzten deren Gebiet, das in Nordwestböhmen lag."

Die in Levý Hradec bei Ausgrabungen gefundenen Gegenstände können Sie nicht direkt vor Ort, sondern im Mittelböhmischen Museum in dem etwa drei Kilometer entfernten Roztoky bei Prag besichtigen.

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