Levý Hradec - Wiege des böhmischen Staates und des böhmischen Christentums
In unserer Ostertouristiksendung vor zwei Wochen haben wir über eines der ältesten Klöster in Tschechien berichtet - das Benediktinerkloster Ostrov bei Davle. Im heutigen "Reiseland Tschechien" greifen wir noch tiefer in die Geschichte zurück und besuchen das erste christliche Gotteshaus auf dem Gebiet Böhmens. Man findet es nicht in Prag, sondern an der Stelle der ehemaligen slawischen Burgstätte Levý Hradec, die auf dem linken Moldauufer ein paar Kilometer nördlich der heutigen Hauptstadt liegt.
Das Gotteshaus war eine Rotunde mit einer Apside auf der nordöstlichen Seite. Im Laufe der Jahrhunderte hat es eine Reihe von Umbauten erlebt. Von dem ursprünglichen Bau sind nur Außenmauern in Baufundamenten unter dem Pflaster der heutigen Kirche erhalten geblieben. Als Gründungsdatum der Rotunde gilt das Jahr 884, Sicherheit darüber herrscht jedoch nicht. Was erweckt die Zweifel daran?
"Es ist ein Stein, der in das Mauerwerk der Rotunde eingesetzt wurde. Darauf wurde ein Symbol des Kreuzes eingehauen, deswegen halten wir ihn für den Grundstein der Rotunde. Der Brauch der Grundsteinlegung ist allerdings ein bisschen jünger, er wurde erst nach dem Ende des 9. Jahrhunderts eingeführt. Aus diesem Grund sind Wissenschaftler der Meinung, dass die Rotunde ein bisschen jünger ist."Im Laufe des 10. Jahrhunderts wurde das Machtzentrum der böhmischen Fürsten endgültig nach Prag übertragen. Levý Hradec verlor somit seine Bedeutung. Es erlebte aber noch ein berühmtes und höchst bedeutendes Ereignis - im Jahre 982 wurde dort der Hl. Vojtech zum zweiten Prager Bischof gewählt. Ende des 13. Jahrhunderts wurde die kleine Apside durch ein wesentlich größeres gotisches Presbyterium ersetzt, das ein Jahrhundert später erhöht und mit wertvollen Fresken ausgemalt wurde:
"Es war ein Auftrag des Benediktinerinnenklosters des Hl. Georg auf der Prager Burg. Die Fresken stellen den Marien- und Passionszyklus dar, d.h. Szenen aus dem Leben der Hl. Jungfrau und die Passion Christi. An den Wänden sehen wir drei Gruppen von den für das Christentum bedeutenden Männern - vier Apostel, vier Propheten und vier Heilige Väter. Die Fresken sind sehr wertvoll und wurden vor kurzem restauriert."Mitte des 17. Jahrhunderts erlebte das Heiligtum einen frühbarocken Umbau, bei dem die alte Rotunde völlig verschwand. Es entstand eine einschiffige Kirche mit einem Turm auf der südlichen Seite. Zur Wiederentdeckung von Levý Hradec kam es im 19. Jahrhundert. Im Ort wurden archäologische Grabungen durchgeführt, bei denen man Schmucksachen und Münzen fand. Dabei bestätigte sich die Hypothese, dass sich dort eine frühmittelalterliche Burg befunden hatte. In der Umgebung wurde auch eine Begräbnisstätte entdeckt:
"Die Gräber stammen aus dem 9. Jahrhundert, also aus der Zeit, in der Levý Hradec die größte Bedeutung hatte. Der Bestattungsplatz war sehr ausgedehnt, es gab dort mindestens 150 Gräber. Wir finden dort auch reiche Grabbeigaben. Besonders reich ausgestattet waren vor allem Kinder- und Frauengräber. Die Schmucksachen erinnern an die aus großmährischen Ausgrabungen, denn die Kontakte zwischen den ersten Przemysliden und dem Großmährischen Reich waren sehr intensiv."
Soweit Lenka Bartonova. Wir haben mit einer Legende über die Gründung von Levý Hradec begonnen. Mit einer anderen Sage, die Cosmas Pragensis in seiner Chronik aufgezeichnet hat, möchten wir unsere Sendung beenden. Sie erzählt vom mythischen Fürsten Neklan, der in Levý Hradec saß. Er war ein sehr ängstlicher Herrscher:"Böhmen und Levý Hradec wurden vom Stamm der Lucaner mit Vlastislav an der Spitze bedroht. Neklan konnte sich zu keiner Militäraktion entscheiden, was ein gewisser Tyr, sein Freund, nicht mehr mit ansehen konnte. Tyr schlug vor, Neklans Rüstung anzuziehen, sich auf dessen Pferd zu setzen und an der Spitze des böhmischen Przemysliden-Heers in die Schlacht gegen Lucaner zu ziehen. Diese soll sich nicht weit von hier, bei Tursko, abgespielt haben. Es war eine sehr lange und blutige Schlacht. Sowohl Tyr als auch Vlastislav sind darin gefallen, die Böhmen besiegten aber schließlich die Lucaner und besetzten deren Gebiet, das in Nordwestböhmen lag."
Die in Levý Hradec bei Ausgrabungen gefundenen Gegenstände können Sie nicht direkt vor Ort, sondern im Mittelböhmischen Museum in dem etwa drei Kilometer entfernten Roztoky bei Prag besichtigen.