Literaturpreis für kompromisslose China-Kritik

Radka Denemarková (Foto: ČTK / Kateřina Šulová)

Der wichtigste Literaturpreis Magnesia Litera kennt seine Träger für das Jahr 2019.

Radka Denemarková  (Foto: ČTK / Kateřina Šulová)
Das Buch des Jahres 2019 ist der vielschichtige Roman „Hodiny z olova“ (auf Deutsch etwa „Stunden aus Blei“) von Radka Denemarková. Die Schriftstellerin kritisiert darin die europäische Gesellschaft für ihr Wohlwollen gegenüber dem Regime in China:

„Wir bewundern die Volksrepublik, weil da wirtschaftlich alles wunderbar funktioniert. Aber niemand möchtee sehen, dass sich dort das Schlimmste von Kapitalismus und Kommunismus vereint hat. Dieses Thema habe ich künstlerisch verarbeitet.“

Die Autorin hat sich ihre Inspiration bei ihren vielen Besuchen in China geholt. Wegen ihrer Kritik haben sie die Behörden in Peking mittlerweile mit einem Einreiseverbot belegt:

Foto: Verlag Host
„Das war harte Arbeit, fünf Jahre lang habe ich an dem Buch gesessen. Das Leben bringt mir die Themen, die ich dann mit meinen Romanen durchleuchten möchte. In diesen fünf Jahren war ich gelähmt beziehungsweise schockiert. Ich meinte, dass wir alle Themen vergessen könnten, die ich eigentlich hasse. Aber nun ist alles da: Rassismus, Antisemitismus, Sexismus.“

In ihrem Roman zeichnet Denemarková ein schonungsloses Bild des kommunistischen Regimes in China, erzählt aber auch von den Krisen in der europäischen Gesellschaft und der Suche nach dem Sinn des Lebens:

„Das ist mein Lebenswerk. Ich habe da alles gegeben, so als ob ich das letzte Buch meines Lebens geschrieben hätte. Mit dem Roman wollte ich auch zeigen, dass wir Teil einer globalisierten Welt sind. Es ist nicht so, wie die Nationalisten in Tschechien, Polen, Slowakei, Russland meinen. Die sagen ja, wir seien die Besten. Nein, wir sind verbunden, wir sind Teil einer Menschheit.“

Neben dem Buch des Jahres wurden am Sonntag im Prager Nationaltheater noch in neun weiteren Kategorien Preise vergeben. Bei der Prosa siegte der Roman „Teorie podivnosti“ (auf Deutsch: „Theorie der Merkwürdigkeit“) von Pavla Horáková. Die Hauptfigur und Erzählerin ist darin eine Forscherin, die die Welt um sich herum kritisch und ironisch betrachtet:

Pavla Horáková  (Foto: ČTK / Kateřina Šulová)
„Ich suche als Leserin nach Büchern, die aus einer Perspektive erzählt werden, mit der ich mich selbst identifizieren kann. In der Literaturgeschichte fehlen mir Bücher, die aus dem Blickwinkel einer intelligenten Frau geschrieben sind. Ich wollte einer Frau die Stimme leihen, die nicht zerbrechlich und demütig ist. Sie ist eine starke Frau, die komplex über die Welt nachdenkt.“

(so die Autorin) In der Kategorie Lyrik setzte sich Ivan Wernisch mit seinem Gedichtband „Pernambuco“ durch. Sein Verleger Martin Reiner nahm den Preis stellvertretend für den Dichter entgegen:

„Ivan Wernisch debütierte 1962, das ist bald 60 Jahre her. Ich habe alle Sammlungen gelesen, die er je herausgegeben hat. ‚Pernambuco‘ ist eines der besten Bücher, die er geschrieben hat. Auf Grund dessen, was er alles erlebt hat, sind viele seiner Bücher der letzten Jahre sehr schwierig, schmerzerfüllt und düster. Diese Melancholie mischt sich in ‚Pernambuco‘ mit der kindlichen Verspieltheit und den Erinnerungen an Ivans frühe Kinderjahre.“

Jakub Szántó  (Foto: ČTK / Kateřina Šulová)
Die Auszeichnung Magnesia Litera wird seit 2002 vergeben. Neben den bereits genannten Werken wurden in diesem Jahr die besten Bücher in den Kategorien Publizistik, Kinder- und Jugendliteratur, Übersetzung, Sachbuch, Entdeckung des Jahres sowie der beste Blog gekürt. Als bester Beitrag in der Sparte „Verlegerische Tätigkeit“ wurde die siebenbändige Gesamtausgabe von Bohumil Hrabal des Prager Verlags Mladá fronta gewürdigt. Den Leserpreis erhielt ein Reportagen-Buch mit dem Titel „Hinter dem Vorhang des Kriegs“ vom ehemaligen Nahost-Korrespondenten des Tschechischen Fernsehens, Jakub Szántó.