Madonna auf Wanderschaft: Die bewegte tschechisch-deutsche Geschichte eines Altars
Der Fürstenauer Madonnenaltar hat im Laufe der Jahrhunderte so einiges erlebt. Einst in Sachsen gefertigt und angebetet, wurde er später in Böhmen aufgebaut, dann vor der Zerstörung gerettet und anschließend restauriert. Eine neue Ausstellung zeichnet die Wanderschaft der Madonna und des historischen Schreins nach.
Sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die Madonna mit dem nackten Jesuskind auf dem linken Arm. Und doch schaut sie eigentlich ganz ruhig und zufrieden drein. In einem grau-blauen Gewand steht sie vor goldenem Grund, Sonnenstrahlen umringen sie, über ihr halten Engel eine Krone.
Die Darstellung ist Teil des spätmittelalterlichen Fürstenauer Madonnenaltars. Ursprünglich stammt er vermutlich aus Pirna. Dem spätgotischen Altar ist derzeit eine Ausstellung gewidmet. Jan Kvapil ist Historiker und Germanist und hat die Schau mitinitiiert. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks schildert er die bewegte Geschichte des einmaligen sakralen Kunstwerks:
„Zu dem Altar kamen einst zahlreiche katholische Pilger – in eine evangelische Kirche! Das war in ganz Europa, oder vielleicht sogar weltweit, einmalig“, so Kvapil.
Diese deutschsprachigen Katholiken kamen von der böhmischen Seite des Erzgebirges. Denn in Böhmen, das zu Österreich-Ungarn gehörte, war die Wallfahrt unter Kaiser Josef II. verboten worden. Die Gläubigen konnten jedoch nur wenige Kilometer weiter die Grenze überqueren, um in die sächsische Kirche zu gelangen.
Doch dieses Unikum blieb nicht lange erhalten. Denn das Gotteshaus in Fürstenau wurde umgebaut, und der Altar musste weichen – vor allem aus Platzgründen, aber nicht nur deswegen, wie Kvapil schildert:
„Den Kirchenvertretern aus Fürstenau wurde das Ganze einfach zu viel. Und so beschlossen sie, den Altar loszuwerden, um die katholischen Pilgerströme in ihr Gotteshaus zu unterbinden. Sie schenkten den Schrein deshalb der Gemeinde Vorderzinnwald (Přední Cinvald), wo eine neue Kapelle eingerichtet wurde.“
Das war 1887. Von dieser neuen Kapelle ist heute allerdings fast nichts mehr übrig. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg und der Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung wurde in den 1950er Jahren das Gotteshaus genauso wie das gesamte Dorf Vorderzinnwald dem Erdboden gleichgemacht. Dass damals nicht auch der Altar zerstört wurde, sei vor allem einer Person zu verdanken, so der Historiker:
„Karl Rudolf aus Hinterzinnwald (Zadní Cinvald) hat sich darum verdient gemacht. Er gehörte der deutschsprachigen Bevölkerung an, war Christ und kümmerte sich um die dortige Kirche. Als er hörte, dass die Kapelle in Vorderzinnwald abgerissen werden sollte, trommelte er seine Freunde zusammen. Gemeinsam brachten sie den Altar auf einem Wagen in seinen Ort.“
Um den wertvollen Schrein vor einer Welle von Diebstählen in Kirchen zu schützen, wurde er später in den 1990er Jahren zunächst in ein Depot gebracht. Anschließend wurde er aufwendig restauriert, und seit 2007 ist der Altar Teil einer Dauerausstellung zu sakraler Kunst, die im Regionalmuseum im nordböhmischen Teplice / Teplitz gezeigt wird. Ganz komplett ist das Kunstwerk aber nicht…
„In der Zwischenzeit gingen leider zwei Seitenflügel verloren. Sie wurden später aber wieder aufgefunden und hängen heute in der Bischofsresidenz in Litoměřice.“
Neben dem Regionalmuseum von Teplice kann man dem Altar seit letztem Jahr auch an seinem ursprünglichen Standort begegnen – im sächsischen Fürstenau. So befindet sich dort seit Neuestem eine von Innen beleuchtete gläserne Nachbildung der Statue.
Außerdem kann die Madonna auch in Vorderzinnwald erlebt werden – zumindest virtuell. So hat die Euroregion Elbe/Labe die dortige Kapelle und den Altar mittels Augmented Reality wieder auferstehen lassen. Vor Ort, wo auf der grünen Wiese rein gar nichts mehr an das einstige Dorf erinnert, wurden Hinweisschilder angebracht. Wenn die Besucher den abgebildeten QR-Code einlesen, sehen sie auf dem Bildschirm ihrer mobilen Endgeräte die Kapelle und den Altar.
Seit Mittwoch ist nun zudem eine Ausstellung zu dem geschnitzten Madonnenaltar in Dubí / Eichwald zu sehen, unweit von Teplice. Durch die Schau im dortigen Museum „Haus des Porzellans mit blauem Blut“ führt die Madonna selbst, indem sie die Besucher zu den einzelnen ehemaligen Standorten des Altars mitnimmt. Die Ausstellung in Dubí kann noch bis zum 21. September besucht werden. Anschließend soll die Schau im November und Dezember in Dresden gezeigt werden, und später dann in Pirna und Lauenstein. Und so geht die Schau auf Wanderschaft, wie einst der historische Madonnenaltar auch.
Im Museum in Dubí kann die Ausstellung „Madonna auf Wanderschaft“ montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr besucht werden. Am Samstag ist die Schau von 9 bis 12 Uhr geöffnet.