Mährische Kliniken an der Kapazitätsgrenze der Intensivbehandlung

Die aktuelle Welle der Corona-Pandemie in Tschechien nimmt an Härte zu. In einigen Orten haben die Krankenhäuser die Auslastung ihrer Kapazitäten in der Intensivmedizin schon nahezu erreicht, besonders prekär ist die Lage in Mähren. Zur aktuellen epidemischen Lage im östlichen Landesteil hat der erste Inlandsender des Tschechischen Rundfunks mit Vladimír Šrámek, dem Koordinator für Intensivbehandlung im Kreis Südmähren, gesprochen.

Illustrationsfoto: René Volfík,  Tschechischer Rundfunk

Im Krankenhaus der mährischen Stadt Kyjov / Gaya wurde am Dienstag die Allgemeine Gefahrenlage ausgerufen. Das heißt, in der dortigen Klinik kann weiteren erkrankten Menschen nur noch sehr begrenzt geholfen werden. Šrámek befürchtet, dass dies kein Einzelfall bleibt:

„Wenn sich der ungünstige Trend bei den Ansteckungen mit dem Coronavirus fortsetzt, dann dürfte dieser Zustand in maximal sieben Tagen auch in anderen Gesundheitseinrichtungen Südmährens erreicht sein.“

St.-Anna-Krankenhaus in Brno | Foto: Zdeňka Trachtová,  Tschechischer Rundfunk

Zugleich beschrieb Šrámek die Situation in seinem unmittelbaren Aufgabenbereich. Er ist der Chefarzt der Intensivstation des St.-Anna-Krankenhauses in Brno / Brünn:

„Wir haben insgesamt um die 110 Patienten und sind vor allem in der Intensivbehandlung hochgradig belastet. Als regionales Zentrum nehmen wir dabei nicht nur Patienten aus dem eigenen Kreis, sondern auch aus den benachbarten Kreisen auf, die nicht über die Kapazitäten wie wir verfügen. Auch deshalb haben wir jetzt in der Intensivmedizin enorme Probleme.“

Und dies trifft auf alle vier mährischen Kreise zu, die jetzt im Gesundheitssektor im engen Austausch stehen. Da böte es sich an, dass ihnen von den Kollegen aus dem böhmischen Landesteil geholfen wird. Die Prager Kliniken haben ihre Unterstützung auch schon angeboten. Vladimír Šrámek aber ist eher skeptisch, dass die Verlegung von Patienten nach Prag oder in andere böhmische Landesteile die Lösung ist. Und das hat seinen Grund:

Vladimír Šrámek | Foto:  Tschechisches Fernsehen

„Ich denke, das ist unrealistisch. Wir wissen aus den Erfahrungen, die wir bei der Welle der Pandemie im Frühjahr gemacht haben, dass dies nicht unbedenklich ist. Der Kreis Mährisch-Schlesien und auch unser Kreis haben beispielsweise Patienten aus dem Kreis Karlsbad oder der Region Náchod aufgenommen. Dabei war es leider häufig so, dass nach dem Transport die im Standardmaß behandelten Covid-19-Patienten auf der Intensivstation gelandet sind. Von daher halte ich eine massive Verlegung von Patienten für unrealistisch, es wird sich nur auf Einzelfälle beschränken.“

Deshalb müssen die von der Pandemie besonders betroffenen Regionen in erster Linie auf eigene Ressourcen zurückgreifen, und sie fordern die Unterstützung dort an, wo sie schnell und unbürokratisch zu kriegen ist – bei der Armee. Gegenwärtig helfen bereits 216 Soldaten in 43 Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, doch der Bedarf steigt. Dazu informiert der Befehlshaber für diese zivile Operation, General Václav Vlček:

Václav Vlček | Foto: Khalil Baalbaki,  Tschechischer Rundfunk

„Viele Krankenhäuser haben ihre Abteilungen mittlerweile umgruppiert, und sie rechnen auch schon bis zum Januar mit unserer Hilfe. Gegenwärtig stellen wir unsere Soldaten zu 14-tägigen Einsätzen ab, einige Kliniken aber haben bereits jetzt eine Verlängerung von weiteren 14 Tagen beantragt.“

Zudem arbeiten alle Gesundheitseinrichtungen eng mit den Verantwortlichen ihrer politischen Regionalverwaltungen zusammen. Im Kreis Zlín wurde so beispielsweise erreicht, alle größeren Veranstaltungen für den Zeitraum der nächsten zwei Wochen abzusetzen, in Südmähren ist Ähnliches angedacht. Dennoch, so schätzt der Mediziner Šrámek ein, könne die aktuelle Welle der Pandemie seiner Meinung nach nur dann gut überstanden werden, wenn alle an einem Strang ziehen. Deshalb wandte er sich abschließend mit einem eindringlichen Appell an die Bevölkerung:

Foto: Michal Krumphanzl,  ČTK

„Ich möchte sagen, dass wir Tschechen uns seit dem Jahr 1620, also seit der Reformationsbewegung und der anschließenden Gegenreformation, angewöhnt haben, ungehorsam zu sein. Wir verwechseln das nur allzu oft mit dem Wort Freiheit. Jetzt ist es aber an der Zeit, auf die zu hören, die sagen, wir müssen uns disziplinieren, impfen lassen und die bestehenden Regelungen einhalten. Das ist unangenehm, ärgert uns alle, aber es ist nun einmal erforderlich, uns auf diese Weise zusammenzuraufen. Ich habe noch niemanden gehört, der sich in seinem Leben gegen eine Tetanusimpfung ausgesprochen hätte. Daher verstehe ich nicht, weshalb man so sehr über die Corona-Vakzine diskutiert. Das ist eine Impfung mit minimalem Risiko.“

Autor: Lothar Martin
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