Corona im Abwasser: Virusbelastung in Tschechien vermutlich höher als vermeldet
Die täglichen Corona-Zahlen gehen in Tschechien seit zwei Monaten kontinuierlich zurück. Am Freitag etwa wurden 1433 neue Fälle registriert. Untersuchungen von Abwasserproben lassen aber vermuten, dass die Infektionsverbreitung immer noch sehr viel höher liegt.
Nach dem Wegfall der Maskenpflicht in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln wird in Tschechien immer weniger über Corona gesprochen. Experten warnen aber, dass das Virus nicht verschwunden sei. Tatsächlich nimmt nicht nur die Zahl der täglich vermeldeten Infektionsfälle ab, sondern parallel dazu auch die der durchgeführten Tests. Am Freitag haben die Labore gut 13.200 Proben untersucht. Anfang Februar waren es noch über 175.000.
Wer einfache Erkältungssymptome hat, lässt sich hierzulande also kaum noch auf das Coronavirus testen. Deswegen sei das Abwasser inzwischen ein wesentlich genauerer Indikator für die tatsächliche Virusbelastung in der Bevölkerung, meint Hana Mlejnková. Sie ist Teamleiterin im wasserwirtschaftlichen Forschungsinstitut T. G. Masaryk in Prag:
„Unsere Daten sind ein objektives Abbild dessen, wie stark das Coronavirus in der Bevölkerung verbreitet ist – unabhängig davon, ob sich die Leute auch testen lassen. Die Zahlen belegen eine höhere Belastung, als anhand der klinischen Tests angenommen wird.“
Am Institut werden seit Beginn der Corona-Pandemie vor gut zwei Jahren Abwasserproben aus vier Orten in Tschechien gesammelt. Mlejnková präsentiert ein Diagramm, in dem Daten aus einer Wasseraufbereitungsanlage in Brno / Brünn verarbeitet sind. Eingezeichnet sind zwei Linien.
„Blau markiert sind die positiven Corona-Testergebnisse an dem jeweiligen Tag. Der gelbe Graph zeigt die Konzentration genetischer Einheiten des SARS-CoV-2-Virus in einem Milliliter Abwasser.“
Zunächst lag die blaue Linie, also die offiziell erhobenen Corona-Fälle, zumeist über oder gleichauf mit der gelben Kurve. Im März dieses Jahres hat sich das Verhältnis aber umgedreht. Die Belastung des Abwassers beträgt inzwischen das Dreifache der Infektionszahlen, die das Gesundheitsministerium auf Grundlage der Corona-Tests täglich vermeldet. Hana Mlejnková gibt einen Vergleich mit den vergangenen Pandemiewellen:
"Die Daten aus Brünn zum Beispiel entsprechen der letzten Herbstwelle, als es täglich über 10.000 positiv getestete Personen gab."
Außer aus Brünn stammen die wöchentlichen Abwasserproben noch aus Prag, Břeclav / Lundenburg und Kladno. An allen vier Orten sei die Virusbelastung ähnlich hoch, berichtet Mlejnková. Und obwohl die externe Projektfinanzierung gerade auslaufe, würden die Messungen dank institutseigener Mittel noch bis Ende dieses Jahres weitergeführt:
„Wir wollen auch die weiteren Infektionswellen beobachten und herausfinden, ob sich mit dieser Methode kommende Wellen erkennen lassen, auch wenn sich die Menschen nicht mehr umfassend testen. Interessant wird es, wenn das Abwasser anzeigt, inwiefern das Coronavirus in der Bevölkerung noch vorkommt, selbst wenn es nicht mehr gefährlich ist.“
Die aus den Wasserproben erhobenen Daten sind auf der Website des Instituts einsehbar. Im Gegensatz zu anderen westeuropäischen Ländern bezieht die tschechische Regierung solche Analysen aber nicht in die langfristigen Übersichten zur Corona-Pandemie ein.