Medienresonanz zu den ersten tschechischen Europawahlen
Die heutige Ausgabe von "Im Spiegel der Medien", der Mediensendung von Radio Prag, steht ganz im Zeichen der ersten tschechischen Europawahlen, die zum Zeitpunkt der Ausstrahlung dieser Sendung im vollem Gange sind. Mehr dazu von Robert Schuster.
Die Jagd nach Wählerstimmen nahm in den vergangenen Wochen verschiedene Gestalt an. Vor allem die Spitzenkandidaten der Parteien setzten auf einen möglichst direkten Kontakt zu den Wählern. Viele nutzten die Gelegenheit um sich unters Volk zu mischen, verteilten in Fußgängerzonen Broschüren und andere Accessoires, verzichteten vorübergehend auf ihre Dienstwagen und tauschten sie gegen öffentliche Verkehrsmittel ein.
Ein wichtiges Instrument für die Kontaktaufnahme mit den Wählern boten aber auch die Medien. Politiker aller Couleur nutzten die Gelegenheit und waren in den vergangenen Tagen durch diverse Gastkommentare in den Zeitungen präsent, einige waren wiederum interaktiv und nahmen an Diskussionen in verschieden On-Line-Foren teil.
Über die eingesetzten Wahlkampfmethoden und deren Wirksamkeit unterhielten wir uns mit Daniel Köppl, dem Chefredakteur der Wochenzeitscheift "Marketing und Medien". Unsere erste Frage richtete sich nach den Unterschieden zwischen der abgelaufenen Europawahlkampagne und den bisherigen Wahlkämpfen für die Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus.
Insgesamt sei, so Köppl, jedoch festzustellen, dass die Kampagne, vor allem die Werbespots in den elektronischen Medien, wenig einfallsreich, fast langweilig waren. Es gab aber auch ein paar Ausnahmen, wie Köppl hinzufügt:
"Wir können sehen, dass es ein paar Kandidaten gab, die viel mehr Geld ausgegeben haben, als die Parteien, für die sie ins Rennen gingen. Aber das gilt nur für drei oder vier. Alle anderen blieben dem alten Stil treu, das heißt, sie brachten wirklich nichts Neues und ihre Kommunikation mit den Wählern war sehr traditionell. Was neue Impulse im Wahlkampf angeht, so muss ich sagen, dass es keine gab."
Soweit eine Bewertung des abgelaufenen tschechischen Europawahlkampfs von Daniel Köppl vom Branchenmagazin "Marketing und Medien"
Natürlich wurde den Europawahlen auch auf den Kommentarseiten der tschechischen Zeitungen breiter Raum gewährt. Zu den häufigsten Fragen, die seit Wochen im Zusammenhang mit den ersten tschechischen Europawahlen von vielen Kommentatoren gestellt wurden, war jene nach der Art und Weise, wie die künftigen tschechischen Europaparlamentarier in Straßburg auftreten werden. Relativ häufig wurden dabei historische Parallelen zur Zeit der Habsburgermonarchie gezogen, als die Tschechen ihre Deputierten in den Wiener Reichsrat entsandten.
In diese Kerbe schlägt etwa der Kommentar von Petr Prihoda, der in der Wirtschaftszeitung "Hospodarske noviny" erschienen ist."Es besteht die Gefahr, dass sich die tschechischen Europaabgeordneten ähnlich verhalten werden, wie ihre Vorfahren in den Zeiten Österreich-Ungarns, als alle Beschlüsse, die in Wien getroffen wurden, als etwas Negatives gesehen wurden - mit dem Unterschied, dass jetzt nicht Wien, sondern Brüssel das Feindbild ist. Manche Kandidaten zum Europaparlament versprachen während des Wahlkampf die nationalen Interessen zu wahren, so wie seinerzeit die tschechischen Abgeordneten im Wiener Reichsrat. Nationale Interessen sollten aber in erster Linie im eigenen Land formuliert und vertreten werden. Das Europaparlament sollte sich hingegen um Europa kümmern, damit es nicht das gleiche Schicksal erleidet, wie die Donaumonarchie, die an den auseinander driftenden Interessen der einzelnen Völker zu Grunde gegangen ist."
Weitere Kommentare in den tschechischen Zeitungen befassten sich mit einem anderen wichtigen Aspekt der diesjährigen Europawahlen - nämlich der prognostizierten geringen Wahlbeteiligung.Dazu fanden wir zwei Kommentare, die diesbezüglich zwei unterschiedliche Erklärungen parat haben. So kommt der Kommentator der "Mlada fronta Dnes", Viliam Buchert zu dem Schluss, viele Wähler würden diesmal auf den Gebrauch ihres Wahlrechts verzichten, weil sie nicht wüssten, wozu dieses Europaparlament sei:
"Viele Wähler haben es bereits vor Tagen aufgegeben die Frage zu lösen, wen sie bei den Wahlen wählen sollten, in dem sie ganz einfach zu Hause bleiben. Die Gründe dafür sind die schwache Wahlkampagne, blasse Kandidaten und insbesondere auch eine sehr triste Debatte über das Europaparlament, die Europäische Union, bzw. deren künftige Verfassung. Die Kandidaten ziehen durch die Lande und erklären immer wieder, was sie durchsetzen wollten, sprechen aber dabei mehr über sich, als über die konkreten Probleme, sie sprechen mehr über die Innenpolitik, als über Europa. Das logische Ergebnis ist dann, dass die meisten Wähler gar nicht ahnen, wozu dieses Europaparlament überhaupt gut ist."
Soweit die Meinung von Viliam Buchert.
Sein Kollege Martin Fendrych sieht die Gründe anderswo, nämlich im permanenten Trommelfeuer der größten Parteien des Landes gegen Brüssel, das es in den vergangenen Jahren gegeben hat. Sein Kommentar, aus dem wir abschließend zitieren, erschien in der Wochenzeitung "Tyden":
"Das geringe Interesse an den Europawahlen mag seinen Ursprung im wenig schmeichelhaften Bild der Europäischen Union haben, welches die Politiker der beiden Oppositionsparteien in die Köpfe ihrer Mitbürger eingehämmert haben. Demnach ist Brüssel mit einer Bestie vergleichbar, die davon lebt, dass wir ihre Vorschriften und Normen befolgen müssen. Viele von uns sind aber den nationalen Parolen und dem Schüren von Ängsten, dass es beim EU-Beitritt etwas zu verlieren gebe auf den Leim gegangen. So sehen viele Bürger in den Europawahlen lediglich ein Mittel, wie Bewährtes verteidigt und bewahrt, nicht aber Neues geschaffen werden kann."