„Medieval“ – blutiges Mittelalter-Drama aus Tschechien mit Ben Foster und Til Schweiger
Es ist der teuerste tschechische Film aller Zeiten: das Mittelalter-Drama „Medieval“. Im Mittelpunkt steht der Nationalheld Jan Žižka, der einäugige Heeresführer der Hussiten. Die Regie hat Petr Jákl geführt und dabei seine Kontakte in Hollywood spielen lassen. Daher konnte er ein internationales Darstellerensemble nach Tschechien bringen.
In dem Film wird gekämpft, gestorben und geliebt. Es ist viel Pathos dabei, wie man es von einem Kostüm-Film aus Hollywood erwarten würde – nur dass der Streifen „Medieval“, so der englische Titel, in Tschechien entstanden ist.
Die Geschichte spielt im Jahr 1402, also fast zwei Jahrzehnte vor Beginn der Hussitenkriege. Jan Žížka ist da noch nicht der berühmte Feldherr der Hussiten, der er später einmal werden soll. Über diese Phase im Leben des legendären Kämpfers gibt es auch kaum verlässliche Informationen. Genau deswegen habe er die Handlung seines Streifens zu dieser Zeit angesiedelt, sagt Petr Jákl im Interview für Radio Prag International. Der Regisseur verweist dabei unter anderem auf Otakar Vávras Kriegsfilm „Jan Žížka“ von 1955:
„Ich wollte von vornherein nichts machen über den 60-jährigen Žížka, der zur Genüge bekannt ist. Es sollte auch etwas anderes werden als Vávras Film. Deswegen habe ich Žížkas jüngere Zeit genommen – also das Jahr 1402, als Jan Hus mit seinen Predigten in der Bethlehemskapelle in Prag begann. Meine Geschichte handelt von einem Söldner, der versucht, sich selbst zu finden und den Sinn in seinem Leben.“
Auf die Idee für den Film wurde Jákl von zwei Drehbuchschreibern gebracht, als diese ihm ein Skript anboten. Dann wurden weitere Autoren angeheuert, aber letztlich schrieb der Regisseur die endgültige Fassung des Drehbuchs zusammen mit seinem Vater.
„Die Grundidee für Medieval entstand vor elf Jahren. Ich dachte, es wäre großartig, einen Film wie ‚Braveheart‘ zu machen, nur über einen tschechischen Helden. Denn Žížka hat dies verdient. Als tschechischer Patriot wollte ich der ganzen Welt zeigen, welch tolle Geschichte wir haben, wie schön unsere Burgen sind und wie die Natur hier aussieht. Unter anderem haben wir auch die Karlsbrücke aus dem 15. Jahrhundert in dem Streifen. Der Dreh hat einfach Spaß gemacht“, so Jákl.
Obwohl die Idee also schon über zehn Jahre alt war, wurde erst ab September 2018 gedreht. Und zwar geschah dies an mehreren Orten in Süd- und Mittelböhmen. Neben der Prager Karlsbrücke gehörten dazu auch die Burgen Křivoklát, Orlík und Točník sowie der Steinbruch Velká Amerika bei Beroun / Beraun. Nach den Aufnahmen verzögerte sich der Weg in die Kinos aber noch einmal. Schuld waren die aufwendige Postproduktion mit zahlreichen Spezialeffekten und die Corona-Pandemie.
Teuerster tschechischer Film aller Zeiten
Letztlich ist „Medieval“ mit 450 Millionen Kronen (18,3 Millionen Euro) der teuerste tschechische Film aller Zeiten geworden. Das hat natürlich auch mit der internationalen Schauspielerriege zu tun, die Jákl anheuerte. So spielt Ben Foster mit minimalistischer Präzision die zentrale Figur des Jan Žížka. Der zweifache Oscarpreisträger Michael Caine ist als Lord Borš die rechte Hand von Kaiser Wenzel IV., für die weibliche Hauptrolle Kateřina wurde die australische Schauspielerin Sophie Lowe gefunden. Und den Gegenspieler von Žížka, Oberstburggraf Heinrich III. von Rosenberg (Rožmberk), mimt Til Schweiger. Bei der Pressekonferenz vor Beginn der Dreharbeiten sprach der deutsche Kinostar auch darüber, warum er die Rolle in dem Film angenommen hat:
„Mich hat vor allem Petr Jákl davon überzeugt, an dem Film mitzumachen. Ich hatte lange Telefongespräche mit ihm. Zunächst wollte ich eigentlich eine andere Rolle übernehmen, eine kleinere. Aber er sagte mir, dass ich genau diese Rolle spielen solle. Und Petr ist solch ein toller, liebenswerter Mensch und so überzeugend, dass ich mir sagte: Ich muss mit ihm zusammenarbeiten.“
Anfangs hatten Petr Jákl und sein Team aber noch gar keine internationale Produktion im Blick gehabt, wie der Regisseur schildert:
„Zunächst haben wir an einen Film auf Tschechisch gedacht. Aber das Budget betrug 90 Millionen tschechische Kronen, was für den hiesigen Kinomarkt sehr hoch ist. Wir hätten das Geld selbst dann nicht wieder einspielen können, wenn der Film sehr erfolgreich gewesen wäre. Ich will aber mit meinen Produktionen immer auch wirtschaftlich Erfolg haben, um mit denselben Investoren auch noch weitere Male zusammenarbeiten zu können. Deswegen entschied ich, einen Film für alle zu machen und ihn in Englisch zu drehen. Dadurch erhöhte sich das Budget auf 300 Millionen Kronen. Als wir dann Darsteller wie Michael Caine, Ben Foster oder Til Schweiger hatten, entschieden wir, die Produktion noch einmal zu vergrößern. Deswegen sind die Kosten weiter angestiegen.“
Gegenüber Hollywood-Produktionen ist es dennoch ein bescheidener Film. Das schreibt Jákl auch dem Umstand zu, dass er in seiner relativ billigen Heimat gedreht hat und nicht in exotischen Ländern. Im Interview geht er zudem auf die Zusammenarbeit mit den beiden größten Stars am Set ein. So sagt er zum britischen Schauspieler Michael Caine, der 1987 für seine Rolle in „Hannah und ihre Schwestern“ sowie 2000 für die in „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ jeweils einen Oscar gewonnen hat:
„Er ist sehr unterhaltsam, er macht sich einfach über alles lustig. Zugleich arbeitet er absolut professionell. Als Michael mir zugesagt hatte, dachte ich: ‚Oh, mein Gott, wie werde ich eine Legende mit zwei Oscars und vielen Golden Globes am Set anleiten?‘ Als wir uns dann erstmals trafen, fragte ich ihn, wie wir vorgehen sollen. Und er entgegnete: ‚Nein, nein, du sagst mir einfach, was du willst.‘ Er hat dann genau das gemacht, was ich ihm gesagt habe. Es war eine unglaubliche Freude, mit ihm zusammenzuarbeiten.“
Einzig habe er auf das Alter von Michael Caine Rücksicht nehmen müssen, gesteht der Regisseur. Dieser war zur Zeit des Drehs nämlich 84 Jahre alt…
„Er war voller Energie, aber ich musste den Tag nach ihm planen. Deswegen haben wir die wichtigsten Aufnahmen mit ihm am Morgen gemacht. Und wenn es nicht nötig war, habe ich ihn nicht zu den Drehterminen am Abend geholt. Aber es war eine wundervolle Erfahrung“, findet Jákl.
Durchaus anstrengender scheint da die Arbeit mit dem amerikanischen Hauptdarsteller Ben Foster gewesen zu sein, der bekannt ist aus Filmen wie „Todeszug nach Yuma“ oder „Lone Survivor“. Denn der Regisseur gesteht:
„Es war schwierig. Zu Beginn haben wir über alles gesprochen, wir waren dabei auf einer Linie. Weil er ein großartiger Schauspieler ist, muss er auch nicht alle Dialoge sprechen. Man sieht ihn und versteht alles, weil es perfekt ist. Doch es war eine neue Erfahrung für mich. Ich habe eine andere Herangehensweise gebraucht als bei allen anderen Schauspielern, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Ich habe ihm immer zwei Extra-Klappen gegeben, damit er erst einmal so spielen konnte, wie er es sich vorstellte. Denn er wusste schon, was ich von ihm verlange. Und erst danach habe ich meine Anmerkungen gemacht. Er wollte dann über alles diskutieren. Manchmal dauerte dies aber zu lange, andererseits hatte er tolle Ideen. Und er war eine perfekte Rollenbesetzung. Ich musste also erst einmal den Weg finden, um diese Kooperation eine Freude für uns beide werden zu lassen. Am Ende haben wir diesen Weg auch gefunden.“
Neben den internationalen Stars haben auch einige Schauspiel-Größen aus Tschechien in „Medieval“ mitgewirkt – darunter Karel Roden, Ondřej Vetchý und Marek Vašut.
Von Luc Besson zum Schauspielen gebracht
Interessant ist im Übrigen Petr Jákls Weg zum Film. Denn zunächst bestritt er eine Sportlerkarriere als erfolgreicher Judoka wie sein gleichnamiger Vater. So nahm er 2000 in Sydney an den Olympischen Spielen teil und stieß im Schwergewicht bis ins Viertelfinale vor. Nebenbei arbeitete er – ebenfalls wie der Vater – als Stuntman. Auf die Idee, auch selbst zu schauspielern, brachte ihn der französische Regisseur Luc Besson:
„Ich war bereits seit drei Monaten beim Dreh zu ‚Johanna von Orléans‘ als Stuntman engagiert, da kam Luc Besson auf mich zu. Er sagte, er wolle mir helfen, denn ich habe Talent und könne schauspielern. Er motivierte mich dazu, Englisch zu lernen. So kam ich zu anders gestalteten Rollen zum Beispiel in ‚xXx‘ mit Vin Diesel oder ‚Bad Company‘ mit Anthony Hopkins. All das hat mir geholfen, in die USA zu gehen und Englisch zu lernen. Ohne diese Erfahrung würde ich nicht das machen, was ich jetzt tue.“
Von der Schauspielerei führte der nächste Schritt hinter die Kamera. 2010 debütierte Jákl mit einem Polit-Thriller über den inhaftierten tschechischen Gewalttäter Jiří Kajínek. Auch in seinem nächsten Film, dem Horror-Streifen „Ghoul“, ging es um einen Mörder, in dem Fall um den ukrainischen Kannibalen Andrej Tschikatilo. Kaum erstaunlich, dass Gewalt auch in „Medieval“ sehr explizit gezeigt wird. Einige Szenen sind äußerst brutal. Das sei jedoch Intention gewesen, sagt der Regisseur:
„Ich wollte, dass die Kampfszenen sehr realistisch aussehen. Die Soldaten sollten auch nicht wie in vielen anderen Filmen voll bewaffnet sein, Helme aufhaben und schon zum Kampf bereitstehen. Denn das war so in der Geschichte nicht immer. Gerade Söldner waren schlecht ausgerüstet, sie trugen zum Beispiel nur Teile von Rüstungen, weil diese sehr teuer waren.“
Wie in den meisten Actionfilmen und Historiendramen geht es auch in „Medieval“ um große emotionale Themen.
Wenn man sich dafür entscheide zu kämpfen, müsse man auch mit dem Tod rechnen. Doch für diese Sache würde es ein guter Tod sein, sagt Ben Foster alias Jan Žižka an einer Stelle des Films. Und der Regisseur erläutert:
„In diesem Film geht es um Menschen, die für die Freiheit kämpfen. Zugleich geht es um die Liebe. Wenn ich einen Film sehe, dann soll er emotional sein. Ich will hinterher etwas spüren. Deswegen habe ich auf die Beziehung zwischen Jan Žižka und Kateřina geachtet, aber es ist keine typische Love-Story. Am wichtigsten für mich im Film ist die Hoffnung, von der es am Ende sehr viel gibt. Ich glaube, es gibt immer Hoffnung in unserem Leben, auch wenn schlimme Dinge geschehen.“
Das wirft allerdings einige Fragen auf. So zum Beispiel, um welche Art Freiheit eigentlich im Mittelalter gekämpft worden sein könnte. Denn unser heutiges Verständnis davon kann man nicht auf damals übertragen. Aber auch bei vielen Hollywood-Geschichtsdramen sollte man lieber nicht die Frage nach historischer Glaubwürdigkeit stellen. Das ist meist auch gar nicht die Intention. Deswegen hat sich Petr Jákl auch auf jene Zeit im Leben Žižkas konzentriert, zu der es praktisch keine Informationen gibt. Die Handlung und auch zahlreiche Personen des Films sind daher rein fiktiv. Will man sich darauf einlassen, kommen sicher alle Kinogänger auf ihre Kosten, die Action und Kostüme lieben.